Krebs und DemenzAluminium in Brezeln bereitet Sorge
Frau Lenzner, beim Forum Verbraucherschutz vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) haben Sie und andere Experten über die gesundheitsschädigende Wirkung von Aluminium diskutiert. Gab es neue Erkenntnisse?
So richtig neue Erkenntnisse gab es für mich nicht. Wir haben das vor allem gemacht, um die Öffentlichkeit darüber zu informieren, welche Daten zu Aluminium bekannt sind und welche noch nicht.
ist Toxikologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesinstitut für Risikobewertung.
Welche Fragen sind denn noch offen?
Unklar ist auf jeden Fall, wie viel Aluminium über die Haut aufgenommen wird. Und welche Auswirkungen es in diesen niedrigen Dosierungen über Jahrzehnte hinweg haben könnte.
Immer wieder hört man, aluminiumhaltige Antitranspirantien könnten Brustkrebs und Alzheimer auslösen. Liegen dazu Daten vor?
Bei beiden Krankheiten kann man noch nicht sagen, ob Aluminium ein Auslöser ist oder eventuell eine Folgeerscheinung der Erkrankung.
Bei Ratten hat man im Tierversuch zum Beispiel mit einer bestimmten Substanz Tumore erzeugt. Nachdem man die Tiere dann getötet hat, hat man festgestellt, dass da, wo der Tumor war, erhöhte Aluminiumgehalte zu finden waren. Durch Aluminium selbst konnte man in den Tieren aber keine Tumore auslösen.
Auch Alzheimer hat vermutlich mehrere Ursachen. Ob und gegebenenfalls welche Rolle Aluminium dabei spielt, ist noch nicht klar.
Trotzdem rät das BfR ja dazu, nicht mehr Aluminium als nötig zu sich zu nehmen.
Man sollte auf jeden Fall vorsichtig damit sein. Ein kleiner Teil, den wir aufnehmen, lagert sich zum Beispiel auch im Gehirn ab. Dass es irgendwann einen negativen Effekt auf unser Gehirn haben könnte, wenn wir täglich Aluminium aufnehmen, kann man nicht ausschließen.
Es ist nachgewiesen, dass es in hohen Dosen sowohl in Tierversuchen als auch beim Menschen neurotoxisch wirkt. Das hat man herausgefunden, nachdem einige niereninsuffiziente Patienten eine sogenannte Dialyse-Enzephalopathie entwickelt hatten. Das heißt, sie waren in einem demenzähnlichen Zustand. Der Grund: Die Dialyseflüssigkeit war mit Aluminium kontaminiert.
Sind wir solchen Mengen denn auch im Alltag ausgesetzt?
Wenn wir Aluminium mit der Nahrung aufnehmen, werden mehr als 99 Prozent davon unaufgenommen wieder ausgeschieden.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat eine tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge von einem Milligramm Aluminium je Kilogramm Körpergewicht für die Aufnahme über die Nahrung abgeleitet. Solange dieser Wert nicht überschritten wird, ist kein Risiko zu erwarten.
Wie soll man sich denn daran halten? Schließlich weiß man ja nicht, worin welche Mengen von Aluminium enthalten sind.
Das ist in der Tat schwierig. Wie viel Aluminium in den Körper gelangt, ist individuell verschieden. Das hängt auch stark von der Art der Aluminiumverbindung ab, die aufgenommen wird. Das kann der Verbraucher eigentlich gar nicht einschätzen. Deshalb hat die Europäische Kommission ab diesem Jahr auch einige aluminiumhaltige Zusatzstoffe verboten oder eingeschränkt. Natriumaluminiumsilicat und Kaliumaluminiumsilicat zum Beispiel.
Aluminiumhaltige Zusatzstoffe sind Verbindungen, die im Prozess der Lebensmittelherstellung zum Einsatz kommen, als Rieselhilfen und Stabilisatoren etwa. Aber auch als Farbstoffe in Zuckerwaren.
Wie kann man sich also schützen?
Die tolerierbare Aufnahmemenge wird bei einem Teil der Bevölkerung wahrscheinlich bereits allein durch unsere Lebensmittelaufnahme ausgeschöpft. Aluminium ist das dritthäufigste Element der Erdkruste und kommt schon natürlicherweise in Pflanzen vor, zum Beispiel in Kakao und Kaffee.
Aluminiumhaltige Zusatzstoffe sind vor allem in verarbeiteten Lebensmitteln enthalten.
Kürzlich wurden bei Lebensmittelkontrollen in Bayern auch große Mengen an Aluminium in Brezeln festgestellt.
Wenn Laugenbrezeln auf Alublechen gebacken werden, wird durch die Lauge Aluminium herausgelöst. Wenn wir nicht nur täglich solche aluminiumhaltigen Lebensmittel essen, sondern auch noch ein aluminiumhaltiges Antitranspirant, also Deodorant, über Jahre hinweg benutzen, ist es relativ wahrscheinlich, dass wir den Grenzwert dauerhaft überschreiten werden. Und das ist nicht gut.
Also sollte man lieber zu aluminiumfreien Deos greifen?
Das bringt auf jeden Fall schon viel. Die verhindern dann zwar nicht das Schwitzen, aber zumindest den Geruch. Auf keinen Fall sollte ein aluminiumhaltiges Antitranspirant auf die frisch rasierte Haut aufgetragen werden. Durch mikroskopisch kleine Verletzungen, die beim Rasieren entstehen, könnte Aluminium nämlich in wesentlich höherer Menge in den Körper gelangen.
Wir raten außerdem dazu, keine sauren, salzigen oder basischen Lebensmittel in Alufolie einzuwickeln, da sich das Aluminium sonst aus der Folie lösen und in die Lebensmittel übergehen kann. Joghurtdeckel und Dosen aus Aluminium sind beschichtet, damit sich der Stoff nicht herauslösen kann. Gesetzlich vorgeschrieben ist das allerdings nicht.
Steht beim BfR eine Neubewertung von Aluminium an?
Wahrscheinlich. Die Kosmetikbranche startet gerade eine groß angelegte Studie zu der Frage, wie viel Aluminium über die Haut aufgenommen wird. Wir haben bei der Bewertung bisher mit einem grob geschätzten Wert gearbeitet. Wenn die Ergebnisse der Studie vorliegen – hoffentlich 2016 – wird es also sicherlich eine Neubewertung geben müssen.
Lange Zeit war der Umgang mit Aluminium ja sehr unbeschwert. Es wurde als eine Art Wundermittel gehandelt. Warum kam man so spät zur Erkenntnis, dass es gesundheitsschädlich sein kann?
Unser Institut beschäftigt sich schon lange mit Aluminium. Beispielsweise haben wir bereits im Jahr 2002 über erhöhte Gehalte von Aluminium in Laugengebäck oder den sachgerechten Umgang von Alufolien in Kontakt mit Lebensmitteln berichtet.
Aber Aluminium ist doch nicht erst seit 2002 im Einsatz. Wieso hat man nicht schon vorher untersucht, ob es gesundheitsgefährlich sein könnte?
Man wusste von Aluminium, dass es vom Körper zu 99 Prozent sofort wieder ausgeschieden wird. Ich vermute, dass man es genau deshalb auch für unproblematisch hielt. Irgendwann hat man dann aber festgestellt, dass sich Aluminium doch auch im Körper anreichert und dass das nicht mal eine Prozent, das nicht ausgeschieden wird, vielleicht doch nicht so egal ist.