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MakuladegenerationBlindheit im Alter kann jeden treffen

4 min

Rund 3,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Zerstörung der Makula.

Die Katastrophe kommt auf leisen Sohlen. Der Türrahmen scheint plötzlich schief zu sein. Die Kacheln im Bad verlaufen nicht länger gerade, sondern wellenförmig. Beim Lesen taucht mitten im Blickfeld auf einmal ein grauer Schatten auf. All dies sind die Vorboten einer Krankheit, die den meist älteren Patienten nach und nach das Augenlicht und somit ihre Selbstständigkeit rauben kann.

Die Rede ist von der Altersbedingten Makuladegeneration, kurz AMD, der häufigsten Ursache einer Erblindung im Alter. Rund 3,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an der fortschreitenden Zerstörung der Makula, dem Bereich des schärfsten Sehens auf der Netzhaut. Bei den Über-75-Jährigen ist bereits jeder Vierte von dem schleichenden Verlust der Sehkraft betroffen.

Bis vor wenigen Jahren standen Ärzte der Erkrankung noch machtlos gegenüber. Inzwischen lässt sich zumindest die feuchte AMD (siehe Infobox) behandeln. Zwar gibt es hierzulande nur rund 500 000 Patienten, bei denen diese Variante der Krankheit diagnostiziert worden ist. Doch dafür schreitet die feuchte AMD sehr viel schneller voran als eine trockene. Die feuchte AMD wird in Einzelfällen mit Laserstrahlen, in der Regel aber durch Medikamente, die ins Auge gespritzt werden, behandelt. Die Medikamente müssen meist im Abstand von wenigen Wochen injiziert werden. Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Patienten schlagen diese Mittel allerdings nicht an. Einige von ihnen setzen ihre Hoffnung auf eine noch junge Behandlungsmethode, die Anfang 2011 eingeführt wurde: eine Art Mini-Strahlentherapie. "Bei diesem Verfahren führt ein Augenchirurg während eines kleinen operativen Eingriffs eine 0,9 Millimeter dünne Kanüle in das betäubte Auge ein", erläutert der Armin Scharrer von der Euro-Augenlaserklinik Nürnberg-Fürth und Präsident des Deutschen Ophthalmochirurgen Kongress (DOC). Durch diese Kanüle kann ein dünner Strahlenstift bis knapp über die Netzhaut geschoben werden. Der Stift ist an eine Strontium-90-Strahlenquelle angeschlossen und gibt radioaktive Beta-Strahlung ab. "Diese dringt nur wenige Millimeter tief in das erkrankte Gewebe ein und schont so die gesunden Teile der Netzhaut", sagt Armin Scharrer vom DOC. Zuvor musste eine solche Bestrahlung von außen vorgenommen werden.

"Die Schwierigkeit besteht darin, die Strahlen gezielt an die richtige Stelle zu leiten", erklärt Scharrer. Bei der Makula seien das nur wenige Quadratmillimeter. "Das ist von außen ohne Kollateralschäden nicht zu schaffen." Mit einer Bestrahlung von innen gelingt die zielgenaue Verabreichung offenbar besser: "Durch den ins Auge eingeführten Stift wird die radioaktive Dosis erst zwei Millimeter über der Makula freigesetzt", sagt Armin Scharrer. Diese sogenannte epimakuläre Brachytherapie habe ihre Wirksamkeit bisher aber nicht nachweisen können, sagt Nils Alteheld, Oberarzt der Augenklinik am St. Elisabeth Krankenhaus Hohenlind. Es gebe eine eindeutige Stellungnahme der augenärztlichen Fachgesellschaften, diese Therapie nur experimentell im Rahmen von Studien durchzuführen. Inwieweit das Verfahren die feuchte AMD aufhalten oder gar heilen kann, ist derzeit unter Medizinern umstritten. Außerdem ist sie sehr teuer - und ganz ohne Nebenwirkungen ist die Strahlentherapie von innen auch nicht. So wurden bei einem Teil der Patienten Blutungen der Netzhaut beobachtet, die aber auch natürlicherweise bei einer feuchten AMD auftreten. Darüber hinaus kann der Eingriff die Entstehung oder das Voranschreiten eines Grauen Stars, also eine Trübung der Augenlinse, begünstigen.

Ein Grauer Star lässt sich heutzutage allerdings gut operativ behandeln und erscheint schon deswegen als das kleinere Übel. Denn bei der AMD es entsteht mitten im Gesichtsfeld ein blinder Fleck. Blicken die Patienten auf eine Uhr, erkennen sie nur noch deren Rand, nicht aber mehr das Zifferblatt. Sie sehen noch die Umrisse eines anderen Menschen, aber nicht mehr dessen Gesicht. Lesen oder Fernsehen werden nahezu unmöglich, das Überqueren einer Straße oder Autofahren lebensgefährlich.

Ähnlich schlimme Folgen für die Sehkraft können aber auch andere Netzhauterkrankungen haben: "Davon gibt es eine Vielzahl - und im Gegensatz zur AMD können Erkrankungen wie Retinitis pigmentosa, Usher oder krankhafte Kurzsichtigkeit Menschen jeden Alters treffen", sagt Ute Palm, Regionalgruppenleitern Köln der Selbsthilfevereinigung Pro Retina.