Outdoor-BekleidungsbrancheBergläufer als neue Zielgruppe

Schnell im Gebirge unterwegs sein - für diesen Zweck setzen die Outdoor-Hersteller auf ultraleichte Funktionskleidung.
Copyright: dpa-tmn Lizenz
Laufschuhe mit Profilsohle, eine hauchdünne Jacke und ein Minirucksack: Mehr braucht es nicht, um vor dem schönsten Gipfelpanorama leichtfüßig über Stock und Stein zu rennen. Das Laufen in den Bergen ist der neue Trend, den die Hersteller in diesem Jahr auf ihrer Branchenmesse "Outdoor" in Friedrichshafen ausgerufen haben. Was als Geländelauf eine lange Tradition hat, heißt jetzt Trail-Running.
Die Schuhfachleute etwa von Salomon Asics setzen schon lange auf diesen Trend und bieten unzählige Modelle für jede Fußform an. Nun zieht die Outdoor-Branche nach und setzt dabei verstärkt auch auf Shirts, Jacken und Rucksäcke.
Die Ausrüster sprechen mit der neuen Produktgeneration nicht nur den klassischen Läufer an. "Es geht insgesamt darum, schnell in den Bergen unterwegs zu sein", sagt der Outdoor-Trendexperte Ralf Stefan Beppler. Das gelingt nur mit wenig Gewicht. Die magische Formel lautet also: schneller und leichter.
Fast jeder große Hersteller hat für das Frühjahr 2013 eine entsprechende Kollektion im Sortiment. Mammut aus der Schweiz legt zum ersten Mal in seiner 150-jährigen Geschichte eine spezielle Trail-Reihe auf. Jack Wolfskin baut seine Serie aus, weil sie bisher "kommerziell sehr erfolgreich war", wie ein Sprecher auf der Messe sagte. Bei den Textilien zählt Leichtigkeit: Das Gewebe der Softshell-Jacke "Flyweight" wiegt laut dem Unternehmen nur halb so viel wie ein Blatt Papier.
Ultraleicht-Kleidung auch für Langläufer
Haglöfs streicht seine Trail-Schuhe neuerdings hellblau und pink. Die Kollektion "Intense" ist für "Aktivitäten im hohen Pulsbereich" gemacht. Der Hersteller will die Produkte aber nicht als Erweiterung der Laufsparte sehen. Denn möglichst leichte, funktionale Kleidung - so die Argumentation - bietet sich genauso für Skitourengeher, Langläufer und Mountainbiker an.
Die Unternehmen wittern Morgenluft. Der Bedarf der breiten Masse an Outdoor-Kleidung sei befriedigt, heißt es bei den Schweden. Man könnte auch sagen: Irgendwann hat jeder normale Wanderer eine solide Funktionsjacke, die so bald nicht kaputtgeht. Geschwindigkeit und Leichtigkeit aber lassen sich neu vermarkten. Ob Northface, Berghaus, Jack Wolfskin oder Montbell - alle versuchen, sich bei ihren Funktionsjacken in Sachen Gewicht zu unterbieten. Das Reduzieren der Grammzahl wird fast schon zum Fetisch, der vor allem von den Profi-Ausrüstern für den Bergsport inspiriert ist. Mountain Hardwear etwa wirbt schon länger mit dem Ausnahme-Bergsteiger Ueli Steck, der regelmäßig Geschwindigkeitsrekorde aufstellt und dafür auf betont leichte Kleidung seines Sponsors zurückgreift.
Ist Trail-Running überhaupt ein Trend für die Masse? Bei einer Mitgliederbefragung des Deutschen Alpenvereins (DAV) aus dem Jahr 2009 gab nur jeder Zwanzigste an, in seiner Freizeit auch Bergläufe zu machen. Bei rund 900 000 DAV-Mitgliedern sind das allerdings immer noch etwa 45 000 Menschen. Hinzukommen die ungezählten nicht organisierten Sportler. "Einem aktiven, sportlichen 60-Jährigen brauchen Sie keinen Trail-Schuh verkaufen", sagt Beppler. "Aber es wird auch immer ambitionierter gewandert." Und besonders leichte Materialien kämen schließlich allen Wanderern zugute. Für Stefan Winter vom DAV ist Trail-Running nichts für die breite Masse. "Aber es ist mehr als Exotentum. Es passt zum Trend unserer Zeit, zu der "Versportlichung der Freizeit." Gerade für die Altersgruppe zwischen 20 und 40 stehe der Leistungsgedanke mehr im Vordergrund.
Auch die Hersteller wollen mit ihren Produkten den klassischen Wanderer abholen. Deshalb sind die Farben der Trail-Kollektionen oft ansprechend bunt und die Schnitte körperbetont. "Jacken, die hängen wie ein Sack, will keiner mehr anziehen", sagt Beppler.
Die Farben der kommenden Saison taugen für den Alltag: Blasses Mintgrün oder Lila dürfte auch modebewussten Großstadtmenschen gefallen. Funktionalität bleibt aber der oberste Anspruch. Outdoor werde nie in erster Linie Mode sein, auch wenn Firmenchefs dieses Wort gerne benutzten, sagt Beppler. "Modisch ja, Mode nein."
Das ist nicht nur eine Frage der Philosophie: Nur mit wenig Gepäck in extremes Gelände zu gehen, birgt ein echtes Risiko. "Man verzichtet auf notwendige Ausrüstung für Notlagen", kritisiert Winter. "Wir warnen vor Selbstüberschätzung und Leichtsinn." Im Jahr 2008 gab es große Bestürzung, als beim Lauf auf die Zugspitze zwei Sportler nach einem Wettersturz bei Minustemperaturen ums Leben kamen. Andere Teilnehmer kamen unterkühlt ins Krankenhaus.
Echtes Trail-Running sei nur etwas für geübte Bergwanderer, die sonst auch laufen und körperlich wirklich fit sind, sagt Winter. "Als Untrainierter macht das keinen Sinn. Da wird man sein persönliches Waterloo erleben." Mit der nötigen Kondition und Geschicklichkeit sei das Laufen im Gebirge aber pures Vergnügen: "Man spürt die Leistung noch deutlicher." Und zur Not könne man mit der Seilbahn auf den Berg fahren und dort zum Beispiel einen Panorama-Trail laufen.
Ansonsten müssen es nicht gleich die Alpen sein: Wer lieber auf steinigen Pfaden als auf Asphalt unterwegs ist, kann auch zuerst die heimischen Wanderwege ausprobieren. Dann muss es vielleicht auch keine Windstopper-Jacke für 300 Euro sein. "Jedes Gramm weniger macht auch das Portemonnaie leichter", sagt Beppler. (dpa)