PflanzenschnittKunst im Blumenbeet

150 000 Buchsbäume sind im französischen Marqueyssac in Form geschnitten.
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In Bauerngärten umgeben kleine Buchsbaumhecken die Beete. In Knotengärten werden Heckchen zu kunstvoll verschlungenen Figuren gestutzt. Und in alten englischen Parks erheben sich bizarre Formen aus Eiben in den Himmel.
Pflanzenschnitt ist eine uralte Kunst. Schon in der Antike war sie bekannt - Plinius der Ältere erwähnt in seinen Schriften Pflanzen in Form von Tieren oder Obelisken. In der Renaissance wurde die Kunst an königlichen Höfen wiederbelebt. In den flach bepflanzten Parterregärten trennten niedrige Buchsbaumhecken einzelne Pflanzfelder voneinander ab.
Dort blühte die Leidenschaft für den scharfen Schnitt - der alte Garten des Herrenhauses Levens Hall in Nordengland ist noch heute ein Wunderland an uralten, amorphen Formen. Die Zeit der Topiari - der Begriff leitet sich ab von Lateinisch ars topiaria, Kunstgärtnerei - endete allerdings im 18. Jahrhundert mit dem Aufkommen der informell gestalteten englischen Landschaftsgärten.
Buchsbaum (Buxus) ist das klassische Formschnittgehölz, er wächst besonders dicht und lässt sich in jede beliebige Form bringen.
Eibe (Taxus baccata) eignet sich hervorragend und kann auch radikal beschnitten werden. Bei der Anschaffung auf die Wuchsform - säulen- oder kegelförmig - achten.
Hainbuche (Carpinus) wächst rund 30 Zentimeter pro Jahr und muss regelmäßig nachgeschnitten werden. Im Winter wirft sie das Laub ab.
Liguster (Ligustrum vulgare) ist die typische Heckenpflanze und wächst sehr schnell. Sie empfiehlt sich für größere Figuren.
Zypressen (Cupressus) und Scheinzypressen (Chamaecyparis) eignen sich besonders gut für den Wolkenbaumschnitt. Werden sie einmal pro Jahr geschnitten, entwickeln sie ein dichtes Nadelkleid.
Scheren, die gut in der Hand liegen: eine kleine "Buchsschere" oder eine andere Gartenschere, möglichst scharf für einen glatten Schnitt. Mit einer Heckenschere werden große Flächen bewältigt. Die Schneideblätter werden am besten mit einem Wetzstab geschärft. Mit einer Elektro-Heckenschere lässt sich der Schnitt nicht so gut kontrollieren und es besteht die Gefahr, dass Löcher geschnitten werden. Sie eignet sich nur für große Flächen, rät Hellendahl.
Draht und Zangen, um Ringe für Kugel- oder Kegelformen zu biegen.
Folie oder eine Gardine, die beim Schneiden untergelegt wird - das erleichtert das Aufsammeln des Schnittguts.
Stäbe, Latten oder Bretter helfen, Kanten wirklich gerade zu schneiden.
Handschuhe sind bei stacheligen Pflanzen ratsam.
Leitern sind bei hohen Formen unverzichtbar.
Astschere und Greifschneider sind hilfreich, wenn stärkere und schwer zu erreichende Äste geschnitten werden sollen.
Erst im frühen 20. Jahrhundert kamen sie wieder auf, in Großbritannien etwa mit der Arts-and-Crafts-Bewegung: Im südenglischen Great Dixter gibt es Pfauen und sogar Kaffeekannen - oder Senftöpfe, je nach Auslegung - aus Eiben. In Frankreich wurden in den 1990er Jahren die Gärten von Marqueyssac restauriert, dort wachsen heute 150 000 Buchsbäume - in kugelige Formen geschnitten. Mittlerweile setzen auch internationale Gartendesigner Topiari wieder vermehrt ein.
Auch aus modernen deutschen Gärten ist der Formschnitt kaum wegzudenken. Buchskugeln gehören längst zum Standard-Repertoire der Gartencenter. Dabei ist es gar nicht so schwer, selber Pflanzen in Form zu schneiden. Natürlich erfordert es Geschick, etwa einen Pfau aus einer Eibe zu stutzen, doch einfache Formen lassen sich auch von Anfängern bewältigen.
Der Kölner Werner Hellendahl widmet sich seit fast 40 Jahren dem kunstvollen Schneiden. In seinem Kleingarten in Lindweiler gibt es kaum ein Gehölz, das nicht in Form gebracht ist - sogar Ginkgo und Cotoneaster sind getrimmt. Die Hecke am Eingang besteht aus zwei Liguster-Drachen, direkt an der Laube wächst ein Affenkopf aus Hainbuche. Aber auch Gotteshäuser hat Hellendahls Garten zu bieten: Eine Liguster-Moschee samt Halbmond auf der Kuppel und Minarett - gestützt durch eine verborgene Stange - steht nur wenige Meter vom Kölner Dom entfernt.
Der ist aus Säulen-Eiben. „Die wachsen nämlich senkrecht, damit kann man gut die baulichen Elemente des Doms imitieren“, sagt Hellendahl, der sich die Geheimnisse des Formschnitts selber beigebracht hat. Ein künstlerisches Händchen hatte der Schauwerbegestalter sowieso, alles andere war Learning by Doing.
„Man braucht Vorstellungskraft“, sagt Hellendahl. Der gut drei Meter hohe Affenkopf etwa hat als Keimling im Blumenbeet begonnen. Hellendahl ließ ihn wachsen und begann nach Jahren, die Figur daraus zu schneiden. „Man muss die Form in der Pflanze sehen“, sagt er. „Das ist ähnlich, als wenn man in die Wolken guckt - da sieht man mit Fantasie auch Figuren.“ Anfängern rät Hellendahl zu einfachen Formen wie Kugeln, Pyramiden und Kegeln.
Dazu hat er eine simple Technik mit Drahtringen entwickelt. „Denn fertig gekaufte Formen können Sie nicht variieren.“ Bei seiner Technik wird stabiler Draht zu Ringen geformt, zum Beispiel mit 40 Zentimetern Durchmesser. An den Enden werden kleine Haken gebogen, mit denen der Ring unten in der Pflanze festgemacht werden kann. Werden mehrere dieser Ringe über Kreuz in der Pflanze angebracht, entsteht eine Kugelform, die nur noch nachgeschnitten zu werden braucht. Ganz wichtig: von oben beginnen. „Sonst besteht die Gefahr, dass ich unten einen Zweig wegschneide, den ich oben brauche“, sagt Hellendahl.
Sein Tipp: Einen Schritt zurücktreten und das Machwerk betrachten. Erst dann fallen Unebenheiten auf. Die fertige Kugel - übrigens auch, wenn sie aus dem Gartencenter stammt - so lange wachsen gelassen, bis sie aus der Form gerät. Soll sie an Umfang gewinnen, muss beim nächsten Schnitt die Größe der Drahtringe anpasst werden.
„Wo geschnitten wird, verzweigt sich die Pflanze, an der Blattgabel entstehen neue Triebe“, so der Experte. Das sei bei der Planung zu bedenken, wenn eine Figur größer werden soll. Seinen Buchs schneidet Hellendahl dreimal pro Jahr: Ende Mai/Anfang Juni, wenn der erste Haupttrieb vorbei ist.
Dann vier Wochen später, und noch einmal Ende August, damit sich die Pflanze auf den Winter vorbereiten kann. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, beim Buchs die Schere anzusetzen. Allerdings möglichst an einem bedeckten Tag.