PleistalUnter dem Wanderweg saust der ICE

Das Schloss Birlinghoven im Schnee. (Bild: Wagner)
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Wehrhaft reckt sich der Turm der mittelalterlichen Kirche St. Martinus in den Winterhimmel. Kaum zu glauben, dass nur wenige Meter unter ihren Fundamenten gerade Reisende mit Tempo 250 von Köln nach Frankfurt brausen. Anderenorts baut die Moderne auf dem Mittelalter auf, in Niederpleis ist's umgekehrt. In dem beschaulichen Ort zwischen Siegburg und Siebengebirge, unter dem vor zehn Jahren der 2502 Meter lange Siegauen-Tunnel der ICE-Strecke Köln-Frankfurt gebaut wurde, beginnt unsere heutige Wanderung.
Als die in ihren ältesten Bestandteilen wohl aus dem 12. Jahrhundert stammende Kirche errichtet wurde, träumte man nicht mal von Reisen mit 250 Sachen. Eher war man mit überschaubarer PS-Anzahl unterwegs - oder zu Fuß, wie wir. Durch eine Wohnsiedlung geht's auf der Oelgartenstraße ortsauswärts, rechts am Horizont ist bereits der Ölberg, die höchste Erhebung des Siebengebirges, zu sehen. Ein Blick auf einschlägige Wanderkarten weist die Gegend rund um das Pleistal als mit zahlreichen Wanderwegen markiertes Dorado aus, im Gelände jedoch lassen sich bis auf das "S" des Sieghöhenwegs so gut wie keine Markierungen finden, so dass wir auf unsere Wegbeschreibung angewiesen sind.
Vorbei an einem Teich und einem Hochseilgarten vernehmen wir bald ein Rauschen im Wäldchen vor uns auf der Kuppe. Nicht weit von hier verläuft die Autobahn 3, die in weiten Teilen von der 2002 eröffneten ICE-Strecke auf dem Weg Richtung Frankfurt begleitet wird. Ins Rauschen mischt sich plötzlich ein Zischen, als wir um das aufwendig gesicherte Tunnelportal des Siegauen-Tunnels herumwandern. Im nächsten Augenblick braust ein Schnellzug von den Höhen des Siebengebirges herab in die Röhre, die ihn bis zum Bahnhof Siegburg führt. Wir lassen's gemütlicher angehen und wandern ins breite Pleistal hinab.
Am Wanderstübchen vorbei, das auch im späteren Verlauf unserer Tour noch einmal zur Einkehr einlädt, überqueren wir bald die Landstraße 143 und sehen vom "Viehtrift", der uns bergauf führt, linker Hand die Ruinen des ehemaligen Platowerks. Die alte Ziegelei, in der bis 1972 zuletzt Tonröhren hergestellt wurden, erinnert an die frühere Tongewinnung in der Region.
Zwischen den akkurat geschnittenen Greens eines Golfplatzes hindurch geht's hinaus zur Kuppe, auf der Anfang des 20. Jahrhunderts der Kölner Kaufmann und Kunstmäzen Theodor Damian Rautenstrauch ein Schloss errichten ließ, das an den Palazzo Pitti in Florenz erinnert, einen der ersten bürgerlichen Repräsentationsbauten. Das Pendant in Birlinghoven ist heute in Bundesbesitz und nicht zugänglich. Auf dem Gelände hat das "Fraunhofer Institutszentrum Schloss Birlinghoven" seinen Sitz. Mit seinen Instituten und Forschungseinrichtungen ist es nach eigenen Angaben eines der größten auf den Gebieten der Mathematik und Informationstechnik in Deutschland. In den gut gesicherten Gebäuden wird unter anderem an der "automatisierten Extraktion von Wissen aus Daten" gearbeitet. Auch die Grundlage für das virtuelle Beethovenhaus in Bonn entstand hier.
Der südliche Sieghöhenweg (S) führt uns vorbei am "Haus der Sonnenuhr" auf schmalem Pfad zum Zaun an der Südseite des Schlosses, bevor wir zurück ins Pleisbachtal wandern und erneut das Wanderstübchen erreichen. Mit Blick auf den Siegburger Michaelsberg wandern wir talabwärts. Unterwegs weist eine Infotafel am Weg auf eine mittelalterliche Hügelburg (Motte) hin, von der auf der Weide noch ein Hügel zu erahnen ist. Burg Niederpleis kurz vor unserem Ausgangspunkt entstand zwar in der heutigen Anlage erst 1872, markiert aber den Standort eines alten Rittersitzes.