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Regeln in TierhandlungKleine Mäuse mit Beipackzettel

Lesezeit 5 Minuten

Ob die Informationen an den Käfigen von den Kunden auch beherzigt werden, scheint manchem Händler ungewiss.

Ein Beipackzettel für Tiere? Was skurril klingt, ist seit Anfang August Pflicht für deutsche Zoohändler. Neben trällernden Kanarienvögeln und Hundespielzeug stehen in Stephanie Fox-Bluhmes Zoohandlung seither einige dicke Ordner mehr im Regal. Darin hat die 41-Jährige die Merkblätter abgeheftet, die sie neuen Kunden jetzt beim Haustier-Kauf übergibt. Kaninchen, Wellensittich, Meerschweinchen - jede Art, die sie führt, hat ihr eigenes Merkblatt.

Darauf ist kurz aufgelistet, woher das Tier ursprünglich kommt, wie groß sein Käfig mindestens sein soll, was es frisst und ob es lieber alleine oder in Gesellschaft lebt. Bestellt hat Fox-Bluhme die Unterlagen online, bei einem Spezialisten in Österreich. Dort ist der Beipackzettel zum Tier schon seit einiger Zeit Pflicht.

Fox-Bluhmes Familie verkauft seit 120 Jahren im Kölner Süden Tiere und Futter. Zur Eröffnung des Ladens war das Gesetz zum Tierschutz in Deutschland noch nicht erfunden. Seit seiner Einführung 1972 wurde es einige Male überarbeitet. Eine notwendige und wichtige Entwicklung - das findet auch Zoohändlerin Fox-Bluhme. Allerdings hält sich ihre Begeisterung für die jüngste Änderung spürbar in Grenzen: "Ich finde jedes Gesetz gut, das zum Tierschutz beiträgt", sagt sie. "Aber ich bezweifle, dass ein einziges Tier durch diese Zettel vor dem Tierheim gerettet wird."

Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, ein Tier zu kaufen, sollten Sie sich folgende Fragen stellen:

1. Habe ich genug Zeit, um mich mit dem Tier zu beschäftigen? 2. Kann ich dem Tier in den nächsten Jahren eine sichere Versorgung garantieren? 3. Kann ich die Geduld für eine gute Erziehung aufbringen? 4. Kann ich die Anschaffungs-, Lebenshaltungs-, und Tierarztkosten tragen? 5. Darf ich in der Mietwohnung ein Tier halten? 6. Bin ich in der Lage, ein krankes Tier zu pflegen? 7. Wo will ich das Haustier kaufen? Bei Züchtern und Tierhändlern sollte man unbedingt auf eine gute, ausführliche Beratung und Unterstützung bei auftretenden Schwierigkeiten achten.

Quelle: Deutscher Tierschutzbund e.V.

Tiere leben lang - und kosten auch nach der Anschaffung Geld.

Hund: Für einen 14-jährigen Hund werden insgesamt mindestens 11 000 Euro fällig.

Katze: Mindestens 9000 Euro für eine Katze mit 16-jähriger Lebenserwartung.

Meerschweinchen/Kaninchen: Für zwei zehnjährige Tiere entstehen Kosten von 1600 Euro.

Goldhamster: Die Nager werden im Schnitt drei Jahre alt - und kosten insgesamt 600 Euro.

Wellensittich: In zwölf Jahren Vogelhaltung fallen mindestens 1000 Euro an.

Zierfische: Meist hohe Kosten aufgrund des Aquariums. Variiert aber je nach Größe und Anzahl der darin gehaltenen Fische.

Eine Seite Papier könne eine intensive Beratung nicht ersetzen - die Bluhmes sind gewissenhaft, bei ihnen dauert das Gespräch mit Neukunden bis zu einer Stunde. Dabei erläutern die Mitarbeiter den zukünftigen Tierhaltern nicht nur, welches Futter und Gehege das Tier braucht, sondern empfehlen auch Tierärzte in der Region und Unterkünfte für die Urlaubszeit. Sollte ein Händler zu hastig zur Kasse streben, rät Fox-Bluhme Kunden gleich wieder zu gehen. "Jeder seriöse Anbieter nimmt sich die Zeit."

So viel Geduld müsse aber auch der Kunde aufbringen. Was selbstverständlich klingt, ist von der Realität oft weit entfernt: Fox-Bluhme hat Mütter erlebt, die ihre Kinder erst im Laden vor die Gewissensfrage "Hamster oder Nintendo?" stellten. Und Männer, die nach einem Fisch fragten - und in Sekunden zum Kaninchen wechselten. Leichtfertigkeit, die kein Papier stoppt.

Tierärztin Monika Morlak lehnt Tierkäufe in Zoohandlungen ganz ab. Sie fordert ein Verkaufsverbot im Einzelhandel: "Viele Händler verfügen über zu wenig Fachwissen und die Tiere werden nicht artgerecht in den Geschäften gehalten." Die Beipackzettel bleiben für die Tierärztin deswegen ein Tropfen auf den heißen Stein. "Das Infoblatt ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber leider kein Durchbruch für den Tierschutz", kritisiert Morlak. "Beispielsweise werden nur Mindestgrößen für Käfige angegeben, obwohl die Ansprüche von Tieren zu unterschiedlich sind, um sie verallgemeinern zu können." Auch Jörg Turk vom Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe beobachtet die neue Beipackzettel-Regelung mit gemischten Gefühlen. Vielleicht, hoffentlich bewirke sie etwas, das müsse sich noch zeigen. Doch der Aufwand für den Fachhandel sei gewaltig, die Kosten groß.

Inhalte der Zettel jedem selbst überlassen

Das eigentliche Problem aber wurzelt tiefer: "Das ist wie so oft im Tierschutzrecht: Es wird vorgeschrieben, etwas zu tun - ohne konkret zu werden", sagt Turk. Im Fall der neuen Beipackzettel bedeutet das: Es wird vorgeschrieben, bei jedem Erstkauf einen Info-Zettel auszuhändigen. Was aber darauf stehen soll, bleibt jedem Händler selbst überlassen. Wer nicht wie Fox-Bluhme bei einem der verschiedenen gewerblichen Anbieter bestellt, der kann seine eigenen Info-Blätter entwerfen. Nur die Amtstierärzte vor Ort können die Inhalte kontrollieren. Aber die sind erfahrungsgemäß mit anderen Aufgaben so ausgelastet, dass es selten dazu kommen dürfte. Für die Tier-Beipackzettel gilt also: Alle Angaben ohne Gewähr.

Zoohändlerin Fox-Bluhme verteilt also die Zettel, verlässt sich aber weiterhin auf ihre ausführliche Beratung. Sie hat auf den Merkblättern, die vom Experten stammen, die eine oder andere Angabe entdeckt, die bereits überholt ist. Auch über die Auswahl der Informationen kann sie nur milde lächeln: Der Käufer kennt nach dem Studium des Zettels zwar den lateinischen Namen seines neuen Haustiers - hat aber keine Ahnung, wie alt sein neuer Mitbewohner im Schnitt eigentlich werden kann.