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Schlimme FolgenBienen sind vom Aussterben bedroht

Lesezeit 5 Minuten

Nicht nur Honigbienen bestäuben Blumen: Auch andere Bienenarten wie zum Beispiel die Hummeln übertragen Pollen.

Bienen haben es nicht leicht: Den meisten Menschen ist ihr nicht greifbares Summen unangenehm, es lässt uns nervös werden. Ihre Möglichkeit zu stechen, flößt vielen Angst oder zumindest Respekt ein, und trotz des sozio-kulturellen Beitrags einer Biene Maja gelten die Insekten als nervig. Was aber, wenn das Summen dauerhaft verstummt? Die Rote Liste der wirbellosen Tiere, vor zwei Wochen vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlicht, gibt Anlass, darüber nachzudenken: Sie beinhaltet 52 Prozent aller deutschen Bienenarten. Mehr als die Hälfte aller Bienen in Deutschland sind demnach vom Aussterben bedroht oder bereits aus unserem Ökosystem verschwunden. Solch ein Bienensterben hat empfindlichere Folgen für den Menschen, als man denkt.

Wobei das eigentlich ungenau ausgedrückt ist: Biene. "Der Begriff Biene ist leider etwas irreführend", sagt der Blütenökologe und Bienenforscher Paul Westrich, der die Wildbienen-Daten für die Rote Liste koordiniert hat. "Im deutschen Sprachgebrauch wird Biene fast immer als Synonym für die Honigbiene verwendet." Wer Biene sagt, muss aber auch Wildbiene meinen.

Denn in Deutschland gibt es neben der Apis mellifera, der westlichen Honigbiene, noch ganze 560 andere Bienenarten. Diese können es zwar an Popularität nicht mit der Honigbiene aufnehmen, sind aber teilweise wesentlich effizientere Blütenbestäuber. Westrich nennt als Beispiel die Blattschneiderbiene, die zur Blütenbestäubung der Nutzpflanze Luzerne eingesetzt wird. "Die Honigbiene ist hierfür vollkommen ungeeignet", sagt der Forscher. In den USA setzen spezialisierte Firmen die Blattschneiderbiene schon im industriellen Maßstab ein.

Doch auch dort registriert man einen Artenrückgang. Bereits im Frühjahr 2011 hatte ein Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) für Alarm gesorgt: In immer mehr Teilen der Welt grassiere ein massives Bienensterben. Japan, China, Ägypten sind betroffen, aber vor allem die USA, wo die Bienenpopulation um 30 Prozent zurückgegangen sei. Dort ist auch eigens ein Begriff für das Phänomen eingeführt worden: Völkerkollaps.

Ein globales Artensterben? Es wäre ein Alptraum für die Landwirtschaft. Denn die Blütenbestäuber zählen zu den wichtigsten Nutztieren überhaupt. Unep-Chef Achim Steiner schätzt, dass von den 100 wichtigsten Nutzpflanzen der Welt mehr als 70 Prozent durch Bienenarten bestäubt werden. Ohne sie, so warnte Steiner unlängst, käme es zu "massiven Nahrungsmittelengpässen".

Nicola Gallai vom französischen Landwirtschaftsinstitut Inra hat noch eindrucksvollere Zahlen. Für die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN hat er ausgerechnet, wie viel die Insektenbestäubung in der europäischen Landwirtschaft wert ist: 22 Milliarden Euro, jedes Jahr. Weltweit schätzt er ihren Wert sogar auf 153 Milliarden Euro. Bernd Grünewald, der Leiter des Bieneninstituts Oberursel bei Frankfurt, erklärt, wie man diese hohe Zahl einordnen muss: "Man stelle sich vor, dass auf einmal alle bestäubenden Insekten von der Welt verschwinden würden. Wenn wir aber trotzdem weiterhin die gleiche Menge an Nahrungsmitteln landwirtschaftlich produzieren wollten, müssten wir im Jahr 153 Milliarden Euro investieren, um die Arbeitsleistung der bestäubenden Insekten zu ersetzen."

Bienen produzieren nicht nur Honig

Das entspricht 9,5 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nahrungsproduktion - es wäre ein unersetzbarer Verlust.

Angesichts dieser beeindruckenden Fakten ist klar, dass Bienen nicht nur Honig produzieren. Sie bestäuben Äpfel, Tomaten, Nüsse, Spargel, Gurken, Broccoli, aber auch die Kaffee- und Kakaoproduktion ist auf die Insekten angewiesen. Sie waren schon immer wichtig, und haben in den vergangenen Jahrzehnten sogar noch an Bedeutung gewonnen: Zwischen 1961 und heute ist der Teil der Agrarproduktion, der auf Bestäubung durch Insekten angewiesen ist, um 300 Prozent gestiegen.

Aber warum drohen die fleißigen Helfer langsam auszusterben? Viele verschiedene Forschungsgruppen haben sich der Beantwortung dieser Frage gewidmet und sind zu unterschiedlichen Lösungstheorien gekommen. Elektrosmog und Gentechnisch veränderte Organismen sind mittlerweile als mögliche Ursachen widerlegt; aber der renommierte Bienenforscher Andrew Core von der San Francisco State University hat Anfang des Jahres herausgefunden, dass eine parasitäre Fliegenart mitverantwortlich ist für das Bienensterben. Die Fliegen würden ihre Eier in den Bienen ablegen und sie orientierungslos durch die Lüfte taumeln lassen. Core und seine Kollegen bezeichnen das manipulierte Verhalten der Bienen gar als zombiehaft. Studienleiter John Hafernik sagt zwar: "Honigbienen zählen zu den am besten untersuchten Insekten der Welt" - aber wie man den Fliegen-Parasit stoppen kann, das wissen er und seine Forscherkollegen noch nicht.

Ein anderer Grund für das Völkersterben stammt aus Asien, ist braunrot, kaum zwei Millimeter groß und wurde auf den Namen Varroa destructor getauft. Diese Milbenart schwächt die Bienen, indem sie sich an der Honigbiene festbeißt, von ihr zehrt und die Brut infiziert. Das wiederum zieht Bakterien und Viren an. Die Varroamilbe hat sich Mitte des 20. Jahrhunderts über China nach Osteuropa ausgebreitet, schließlich gelangte sie auch in den Westen bis nach Deutschland. Die asiatischen Bienen kommen mit der Milbe gut zurecht, sie haben über die Jahrzehnte eine problemlose Parasit-Wirt-Beziehung aufgebaut - für die hiesige Honigbiene ist sie hingegen tödlich.

Es gibt ein Zitat unbekannten Ursprungs, was oft fälschlicherweise Albert Einstein nachgesagt wird: "Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben." Der Spruch klingt zwar flott und auch dramatisch, er ist aber falsch: Pflanzen können auch nur mit Hilfe des Windes Früchte tragen - was allerdings wesentlich ertragsärmer ist.

Je weniger Arten es also gibt, desto schwieriger wird es für die Landwirtschaft. Paul Westrich, der Bienen-Koordinator der Roten Liste, warnt deshalb: "Derzeit tun wir leider alles dafür, die Artenvielfalt massiv zu zerstören."