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Von Klassik bis PopDie neuen Weihnachts-CDs der Saison

6 min

Eine Krippe à la Erdmöbel. (Foto: Sandmann)

Köln – Wenn es einen Preis für das coolste Album-Cover einer Weihnachts-CD gäbe, in diesem Jahr hätte ihn "The Christmas Album" (DG) von Herbert von Karajan verdient. Da stapft der Maestro, abgelichtet in Schwarz-weiß, im sportiven Outfit durch ein wahres Winterwunderland. Auch musikalisch steht diese Sammlung von Aufnahmen aus drei Jahrzehnten natürlich über den Dingen. Neben Instrumentalem von Bach oder Tschaikowsky liegt der Schwerpunkt bei Aufnahmen mit Leontyne Price, die 1961 geradezu engelsgleich "O holy night" oder "Hark! The herald angels sing" intonierte.

Klassik-Puristen werden bei Renée Flemings "Christmas in New York" (Decca) eher die Nase rümpfen, da die Sopranistin hier mit ihrer Jazzstimme singt. Aber das Resultat ist weit davon entfernt, auf Kasse getrimmtes Crossover zu bieten. Elegante Versionen amerikanischen Standards wie "Have yourself a merry little Christmas", mit exzellenten Gastbeiträgen von Wynton Marsalis oder Jazz-Shooting-Star Gregory Porter - hier sind Profis am Werk, die ein rundes, unaufgeregtes Werk abliefern.

Thomas Quasthoff hat sich ja 2012 vom Klassikgesang verabschiedet. Was ihn aber nicht daran hindert, sich im Jazz und in der Kleinkunst zu tummeln. Auf "Mein Weihnachten" (DG) kombiniert er die beiden Felder: Hauptsächlich trägt er Texte und Gedichte von Brecht, Rilke oder Trakl vor. Und singt dazu anspruchsvolle, von Frank Chastenier arrangierte Versionen von unter anderem "I'll be home for Christmas" und verpasst dem unverwüstlichen "White Christmas" ein paar grabestiefe Noten, die wohlig erschauern lassen.

Die Hits von Earth, Wind & Fire wie "Boogie Wonderland" füllen immer noch die Tanzflächen. Und ebenso tanzbar kommt ihr Album "Holiday" (Sony) daher: Peppig, mit den vertrauten Bläsersätzen und den noch vertrauteren Harmoniegesängen. Nun gut, aus ihrem Evergreen "September" hätten sie nicht unbedingt "December" machen müssen.

In den USA hat sich der "Christian-Pop" als ernstzunehmendes Marktsegment etabliert. Für deutsche Ohren ist die poppige Lobpreisung des Herrn vielleicht etwas befremdlich, die Weihnachtsalben der diversen Künstler haben aber immer diese Extra-Portion Seligkeit, der man sich nur schwer verschließen kann.

Einer der Stars des Genres ist Michael W. Smith. Er feiert "The Spirit Of Christmas" (Universal) zusammen mit einer ganzen Reihe Stars von Carrie Underwood über Lady Antebellum bis zu Bono, pendelt dabei zwischen gepflegtem Big Band Swing und Bombast-Pop.

Kollegin Kim Walker-Smith singt auf "When Christmas Comes" (Gerth Medien) 16 bekannte Lieder nach fast immer dem selben Schema: Ein sanfter Beginn und ein Ende mit Tschingderassabum. Auch wenn jede Nummer für sich betrachtet prima ist, auf Dauer strengt dieses auf die Tube drücken arg an.

Aaron Shust zeigt auf "Unto Us" (Gerth Medien), wie groß die Bandbreite des Christian-Pop ist: Das Titelstück kommt als eine (softe) Rocknummer daher, deren E-Gitarren nichts mit deutscher Besinnlichkeit zu tun haben. Und bei "Go tell it" wird man förmlich in einen mitreißende Gottesdienst irgendwo im Mittleren Westen katapultiert.

Eher in die weiten Ebenen der USA versetzt den Hörer der Sampler "An Americana Christmas" (Rykodisk/Warner), eine Mischung aus Country und Folk, alten Aufnahmen (Johnny Cash, Bob Dylan, Emmylou Harris) und neuen (unter anderem von den Common Linnets). Weihnachten am Lagerfeuer oder im Sattel.

Idina Menzel und ihre ganz leicht kratzige Stimme kennt man hierzulande vor allem durch die Serie "Glee". Die "Holiday Wishes" (Warner) des Broadway-Stars reihen sich nahtlos in die Phalanx der Alben ihrer zahlreichen Kolleginnen vom Great White Way ein: ein Hauch Pomp, viel Gefühl und die nötige Portion Schmackes - wie in der Big Band Version von Mariah Careys mittlerweile 20 Jahre altem Heuler "All I want for Christmas is you" oder "Baby, it's cold outside" mit Michael Bublé als Duettpartner.

Nils Landgren feiert bereits zum vierten Mal "Christmas With My Friends" (ACT), wobei es sich da vor allem um stimmgewaltige Freundinnen handelt, die je nach Veranlagung Jazz, Gospel, Pop oder schwedischem Volksgut huldigen. Auf die von ihm gesungene Fassung von "Last Christmas" hätte man allerdings gut verzichten können.

Ebenfalls aus Schweden kommt die schönste CD der Saison: "Vinterland" von Sarah Dawn Finer. Und auch wenn man des Schwedischen nicht mächtig ist, kann man mitempfinden, wie trefflich sie die melancholischen und dunklen Seiten dieser Jahreszeit im "Land des Winters" erforscht und beschwört - und die ist ja im Hohen Norden um einiges dunkler als in unseren Regionen (Roxy Recordings - in Deutschland nur als Import oder Download erhältlich).

Die schönste CD aus dem letzten Jahr gibt es heuer noch einmal - mit Bonustracks. Für "Ne Prise Zimt und mehr...!" (Edel) hat Pe Werner Joni Mitchells "River" einen sensiblen deutschen Text verpasst, das von ihr auch komponierte "Wie kommst du übern Winter" besticht durch nachdenkliche Tristesse.

Das Label Audite hat unter dem Titel "Stille Nacht... Christmas Choir Music" eine Sammlung von Aufnahmen des RIAS Kammerchors zusammengestellt, die das Ensemble zwischen 1972 und 1986 unter der Leitung von Uwe Gronostay eingespielt hat. Fast überirdisch schön, wie sie etwa "Maria durch ein Dornwald ging" oder "In dulce jubilo" singen.

Seit ein paar Jahren veröffentlicht die Kölner Band Erdmöbel zu jedem Fest ein weihnachtliches Lied, meist mit sehr schrägen Videos. Nun gibt es diese sieben Nummern endlich auf dem Album "Geschenk" (Rough Trade) zu kaufen - und eine Handvoll neuer dazu. Das legt man nicht unbedingt auf, wenn Oma oder Patentante sich angemeldet haben. Aber dem herben Charme und den klugen Texten von "Goldener Stern" oder "Der letzte deutsche Schnee" kann man sich doch auf Dauer nur schwer entziehen.

Die Verwandtschaft hätte sicherlich mehr Freude an den Disco-foxigen Arrangements, die das Duo Fantasy (Ariola) "Alle Jahre wieder" oder "Feliz Navidad" verpasst.

Ein wesentlich anständigeres Album liefert da Volksmusik-Star Stefanie Hertel ab, ihr nimmt man das "Dezembergefühl" (Telamo) gerne ab. Das Titelstück oder "Küss mich" hätten sich auch genauso gut in englischen Versionen auf CDs amerikanischer Kolleginnen finden können. Und ihre deutsche Fassung von "Have yourself a merry little Christmas" gerät mehr als ordentlich. Zünftig: Im Duett mit dem Papa singt sie auf Bayrisch übers Rauchmännchen.

Allein, man hätte dieser überraschend sympathischen Produktion dann doch ein ganzes Orchester statt billiger Synthesizer gewünscht. Genauso wie den Verzicht auf Cross-Promotion in Form eines Duetts mit dem eher atemlosen Ross Anthony, der bei der gleichen Plattenfirma unter Vertrag ist. Wo er zu allem Überfluss mit seinem Mann Paul Reeves auch noch ein ganzes Weihnachtsalbum ("Winterwunderland", Telamo) herausgebracht. Schön, wenn die beiden privat harmonieren, musikalisch tun sie das nicht. Wo Ross Anthony neben Stefanie Hertel noch matt klingt, wird er von seinem Klassik-geschulten Angetrauten in Grund und Boden gesungen.

Den Rausschmeißer trägt in dieser Saison Mambo Kurt bei: schlicht betitelt ("Weihnachten"), schlicht fürchterlich. Nicht mehr und nicht weniger.