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WandertourVon Bröl aus ging die Idee um die Welt

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Wanderer im Grünen. (Bild: dpa)

Es war ein heißer Tag in jenem Sommer vor hundert Jahren, doch am Nachmittag zogen dunkle Wolken auf. Lehrer Richard Schirrmann war mit seiner Klasse auf der Wanderung von Altena im Sauerland nach Aachen schon einige Tage unterwegs gewesen, hatte bis dahin abends mit seinen Schützlingen stets bei Bauern im Stroh übernachtet. Doch an diesem Nachmittag des 26. August 1909 im Bröltal schien es wie verhext: Kein Landwirt wollte die wanderlustige Gruppe aufnehmen - und da öffnete auch noch der Himmel seine Schleusen.

Lehrer Schirrmann änderte die Route, ging geradewegs in das Örtchen Bröl hinein und läutete beim Schulmeister. Er hatte Glück: Seine Gruppe durfte in einem Klassenzimmer die Schulbänke beiseite räumen und das Lager aufschlagen. In dieser Gewitternacht soll dem Volksschullehrer die Idee gekommen sein, es müsse ein reichsweites Netz von Übernachtungsmöglichkeiten für wandernde Schüler geschaffen werden, jeweils im Abstand einer Tageswanderung. Die Idee aus der Gewitternacht legte - so jedenfalls die von Schirrmann kräftig mitgestrickte Legende - den Grundstein für das Deutsche und später das Internationale Jugendherbergswerk.

Die Schule, in der Schirrmann damals mit seinen Schülern unterkam und die heute seinen Namen trägt, werden wir im letzten Teil unserer heutigen Sommertour sehen, zunächst führt unser Weg von Bödingen durch angenehm kühlen Wald leicht bergan und dann steil bergab ins Tal des Derenbachs. Beim Abstieg sehen wir durch den lichten Fichtenwald bereits Winterscheid mit seiner Servatius-Kirche auf dem gegenüberliegenden Höhenrücken. Im Tal passieren wir die Winterscheider Mühle, die einst vor allem wegen ihrer Gastronomie Gäste von weither anlockte. Zurzeit wartet sie mit einigem Sanierungsbedarf auf einen neuen Mieter. Eine Einkehr ist für uns also frühestens oben in Winterscheid zu finden.

Der Weg hinauf ist steil, aber lohnend: Schmucke Fachwerkhäuser rund um die Pfarrkirche aus dem 12. Jahrhundert entschädigen für die Mühen des Aufstiegs. Nicht umsonst war Winterscheid bereits mehrfach Preisträger bei „Unser Dorf soll schöner werden“. Einige Straßennamen wie „Im Wingert“ oder „Am Südhang“ erinnern noch an den Wein, der hier einst angebaut wurde.

Uns reicht eine kühle Apfelschorle, bevor wir zwischen Weiden und vereinzelten Streuobstwiesen nach Schreckenberg weiterwandern. Durch Wald geht s wieder ins Tal, vorbei an einem Wegekreuz von 1788, das die Wunden des Gekreuzigten hervorhebt. Dort, wo wir die Straße erreichen, erhebt sich zur Rechten ein Geländesporn, auf dessen Kuppe Reste einer Ringwallanlage (Rennenburg) aus dem 9. bis 10. Jahrhundert gefunden wurden.

Dem Derenbach folgend gelangen wir ins Bröltal, durch das bis 1953 / 54 die Bröltalbahn von Hennef bis hinauf nach Waldbröl schnaufte. In den engen Gassen des Örtchens Bröl fuhr sie so nah an den Häusern vorbei, dass vor einer Haustür sogar eine eigene Schranke angebracht war - einer der kleinsten Bahnübergänge der Welt.

Heute rauscht der Autoverkehr auf der Bundesstraße durch den Ort, doch unser Weg führt meist abseits der Hauptverkehrsader am Wald entlang, bevor wir das Schulgebäude erreichen, an dem heute eine Gedenktafel an jene Gewitternacht von 1909 erinnert - und an Maria Gerling, die Ehefrau des damaligen Schulleiters, die als „erste Herbergsmutter der Welt“ gewürdigt wird. Wir hoffen, dass wir ohne Gewitter unser Ziel erreichen und genießen noch die Nachmittagssonne in der Brölaue, bevor s durch Wald wieder steil bergauf nach Bödingen geht. Dort lohnt vor der Heimfahrt ein Abstecher in die spätgotische Pfarr- und Wallfahrtskirche mit ihrem Gnadenbild der „Schmerzhaften Mutter“.