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WM-KochDie Lieblingsrezepte der Nationalspieler

Lesezeit 6 Minuten

Lukas Podolski assistiert Holger Stromberg in der Küche. Hochkonzentriert wetzt er die Messer des Meisterkochs.

Herr Stromberg, Hansi Flick schreibt im Vorwort zu Ihrem Buch "Iss' einfach gut", dass keiner der Spieler auch nur annähernd so schlecht koche, wie Sie Fußball spielten. Stimmt das?

Wenn das da steht . . . Mein Talent liegt definitiv nicht im Fußballspielen, sondern darin, die Spieler durch richtige Ernährung leistungsfähiger zu machen.

Wie wichtig ist gutes Essen für gute Leistung?

Eine gute und gesunde Ernährung ist nicht nur für Leistungssportler von Bedeutung, sondern für uns alle, weil unsere Gesundheit die Basis für alles ist. Nahrung ist eine der Stellschrauben von Erfolg. Natürlich wird gute Ernährung allein kein Spiel, kein Match und auch keine Meisterschaft gewinnen, aber sie steigert die Leistung eines jeden Sportlers.

Mit welchem Essen kommt man dem Sieg denn am nächsten?

Die Spieler sind sich absolut bewusst, wie wichtig Ernährung für sie ist und wissen, dass Kohlenhydrate wie Kartoffeln, Reis, Quinoa oder Hirsesalat die Leistungsspeicher füllen und ihnen die nötigen Zuckerreserven für die letzten Minuten liefern. Dass Eiweiße im Steak oder Fisch Muskelaufbau und -energie fördern, und dass Fett der größte Energielieferant und zugleich auch ein Schutzfaktor ist. Dabei sind das A und O für mich die Qualität und die Natürlichkeit der Lebensmittel.

Inwieweit bringen sich die Spieler beim Kochen mit ein?

Es gibt durchaus einige, die Ideen einbringen oder einen Wunsch äußern - hierfür bin ich immer offen, weil es auch ein Zeichen dafür ist, dass sich die Spieler für Essen und Ernährung interessieren. Aber am Ende des Tages ist es mein Job, ein Buffet auf die Beine zu stellen, das Energie liefert und schmeckt.

Geben die Trainer Vorgaben?

Nein. Ich schreibe die Menüpläne eigenständig.

Gilt das Motto: "Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt?" Oder gehen Sie auf die Vorlieben der einzelnen Spieler ein?

Ich koche bei der WM für insgesamt 65 Personen - bei 23 Spielern und über 40 Betreuern wären das in der Regel ziemlich viele Lieblingsgerichte, und ich kann natürlich nicht auf alle Wünsche individuell eingehen. Wichtig ist, dass die Gerichte auf die Bedürfnisse der Mannschaft abgestimmt sind. Vor diesem Hintergrund stelle ich immer ein Buffet zusammen, das möglichst vielseitig ist, die unterschiedlichen ernährungsphysiologischen Optionen berücksichtigt und achte darauf, dass bei der Zusammenstellung das ausgewogene Verhältnis zwischen Kohlenhydraten, Eiweiß und gesunden Fetten besteht. Aber wenn kein Spiel ansteht oder wir nicht in der heißen Trainingsphase sind und es zeitlich passt, dann koche ich zwischendurch auch Lieblingsgerichte der Spieler.

Sind das noch Grießpudding und Tomatensuppe?

Es ist zwar mittlerweile noch der ein oder andere Favorit dazugekommen, aber ja, Grießpudding und Tomatensuppe stehen ganz weit oben.

Wenn es die nicht gibt: Essen die Spieler dann alles, was Sie kochen? Wenn nicht: Wie bringen Sie sie dazu, etwas zu essen, was gesund, aber für sie nicht lecker ist?

Diese Frage stellt sich bei uns nicht: Ich mache Gesundes lecker!

Sie sind bekannt dafür, regionale Zutaten zu verwenden. Was kommt in Brasilien auf den Tisch?

Das ist diesmal gar nicht so einfach, denn die brasilianische Küche ist nicht sehr sportlergerecht und gibt längst nicht so viel her, wie man das als Westeuropäer vielleicht vermutet. Ich werde bestimmt den einen oder anderen landestypischen Klassiker einmal adaptieren, wie den brasilianischen Bohneneintopf mit Fleisch, aber dann eben nicht schwer und mächtig, sondern eher in einer ernährungstechnisch wertvolleren Bohnenragout-Variante. Auch ein abgewandelter Grillabend ist für mich prinzipiell vorstellbar. Aber höchste Priorität hat für mich bei der Zubereitung der Spielerspeisen die Natürlichkeit und Qualität der Produkte.

Spielt das Herkunftsland des Gegners bei der Wahl der Gerichte eigentlich eine Rolle?

Nein, überhaupt nicht.

Was sollte man generell vor einem sportlichen Wettkampf essen?

Am Spieltag werden keine Experimente gemacht, obwohl wir sonst sehr abwechslungsreich kochen. Da verlassen sich die Spieler und auch ich auf Gerichte, mit denen wir gute Erfahrungen gesammelt haben. Zum Beispiel: Vollkornpasta, Kartoffelpüree, Reis, Gemüse, Salat, Filetsteaks und leichter Fisch. Als Dessert gibt es Grießbrei oder Milchreis. Das ist für die Mannschaft das absolute "Soulfood" (dt.: Seelennahrung), das brauchen die meisten vor dem Spiel, um sich gut zu fühlen.

Und was ist tabu vor dem Spiel?

Ganz wichtig: Keine Lebensmittel verwenden, die Durstgefühle, Sodbrennen oder gar Magenverstimmungen verursachen, wie Knoblauch, Zwiebellauch, Sardellen oder Paprika. Auch rohes Gemüse, Zwiebeln, Melone und Gurke sind vor dem Spiel tabu.

Warum?

Zwiebeln und Paprika können immer wieder aufstoßen. Roher Knoblauch führt häufig zu Magenverstimmungen und Gurke und Melone liegen schwer im Bauch.

Müssen Stürmer, Abwehrspieler und Torwart eigentlich unterschiedlich essen?

Das ist durchaus sinnvoll, betrifft aber nur den Torwart und die Feldspieler. Heute ist ein Stürmer ja nicht mehr der Typus von früher, der hauptsächlich auf die Flanke wartet. Ein moderner Stürmer ist mit in die Verteidigung involviert und bewegt sich sehr viel. Von daher nehmen die Spieler mehr Kohlenhydrate zu sich, während der Torwart Eiweißkost braucht und die Kohlenhydrate eher vernachlässigen kann.

Gibt es bei Ihnen Rituale vor wichtigen Spielen?

An einem Spieltag kommt dem sogenannten Pre-Match-Snack eine wichtige Bedeutung zu: Dreieinhalb Stunden vor dem Spiel gibt es eine leichte kohlenhydratbasierte Kost, damit für die anstrengende Spieldauer auch die Energiereserven aufgetankt sind. Vollkornpasta und Bolognese oder Kartoffelpüree mit geschwenktem Gemüse stehen auf dem Speiseplan, zusammen wie schon gesagt mit Milchreis und Grießbrei. Getrunken werden über den Tag verteilt zwei bis drei Liter stilles Wasser, zudem empfehle ich stoffwechselfördernde Tees mit Ginkgo und Ingwer, um den Blutfluss im Gehirn anzuregen.

Sie haben mal gesagt: "Ich möchte die Menschen über die Nationalmannschaft zur richtigen Ernährung hinführen". Ein hoch gestecktes Ziel, vor allem, wenn man nur im Hintergrund arbeitet. Erreichen Sie es?

Das ist kein Ziel, das man über Nacht erreicht, aber durch meine Arbeit mit der Nationalmannschaft habe ich eine sehr prominente Plattform. Wir drehen und produzieren mit der Mannschaft regelmäßig Ernährungsvideos, verfassen Bücher. Sobald die Podcasts im Netz stehen, gehen sie auf Platz 1, sprich, das Thema Sport-Fußball-Ernährung färbt ab und regt auch zum Nachdenken über eigene Essgewohnheiten an.

Gerade ist Ihr "Kochbuch der Nationalmannschaft" erschienen. Was sollten die Fans während der WM vor dem Fernseher essen?

Natürlich müssen Würstchen auf den Grill. Das macht Spaß und ist wahnsinnig lecker. Aber jeder sollte sich fragen, wie das Schweinchen vorher gelebt hat. Ansonsten sind zum Beispiel Gemüsesticks gesund und lecker oder Paprikastreifen mit Curry-Dip, Kräuterquark mit Kartoffeln oder Gebäck, Bananenbrot oder Vollkorn-Nuss-Cookies.