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Altlasten in Kölner KleingartenWie gefährlich sind die Stoffe auf dem Gelände?

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  1. Blei und krebserregender Wasserstoff wurden als Altlasten auf dem Gelände des Kleingartenvereins Flora gefunden.
  2. Eine Sperrung ist nicht nötig, jedoch gibt es dort einiges zu beachten.
  3. Wir geben einen Überblick über die Gefahren und Risiken.

Köln – Ein Teil des Geländes des Kleingartenvereins Flora in Nippes muss möglicherweise saniert werden, weil die Experten der Stadt dort Blei und das sogenannte Benzo (a) pyren (siehe Info-Kasten) gefunden haben. Der Stoff gilt als krebserregend. Die Entscheidung über die Sanierung fällt in den nächsten Monaten, wenn die Ergebnisse der detaillierten Untersuchung vorliegen.

Bis dahin soll wegen des Benzo (a) pyren laut Stadt auf sechs betroffenen Parzellen die Gartenarbeit ruhen. Laut einer Sprecherin ist diese Aussage als „ernst gemeinte Empfehlung und gesundheitliche Vorsichtsmaßnahme zu verstehen“. In zwei der Parzellen waren die Grenzwerte deutlich überschritten, in vier Fällen „nur“ überschritten.

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Gibt es nun mehr Krebserkrankungen?

Auf die Frage, ob es schlimmstenfalls in dem Gebiet vermehrt Krebserkrankungen gibt, sagte die Sprecherin: „Ein Zusammenhang mit Krebserkrankungen kann nicht hergestellt werden.“ Vergleichbare Fälle wie an der Flora sind dem Umweltamt bei anderen städtischen Kleingartenanlagen nicht bekannt.

Zusätzlich hat die Stadt weitere Nutzungseinschränkungen für die sechs Parzellen ausgesprochen. Erstens: Der Anbau etwa von Gemüse oder Gartenarbeit allgemein soll nur in nach unten geschlossenen Hochbeeten erfolgen. Zweitens: Hautkontakt sollten die Gärtner vermeiden. Drittens: Kinder sollen in den Gärten nicht unbeaufsichtigt spielen, und wenn nur auf versiegelten Flächen.

Die Stadt weist aber darauf hin, dass es sich um vorsorgliche Maßnahme behandelt, keine der Parzellen des Kleingartenvereins komplett gesperrt wurde. „Wir bewegen uns im Bereich der gesundheitlichen Vorsorge und nicht im Bereich der Abwehr gesundheitlicher Risiken“, teilte eine Sprecherin mit. Die Prüfwerte bei Kinderspielflächen sind für den anderen gefundenen Stoff, das Blei, bei fast allen Proben leicht überschritten, für Park- und Freizeitflächen nicht.

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Der Vorsitzende des Vereins, Daniel Grothe, sagte der Rundschau: „Ich bin absolut dankbar über die Maßnahmen.“ Auf seiner Internetseite schreibt der Verein: „Die identifizierten Stoffe im Boden sind nicht toxisch und gehen, da sie schlecht wasserlöslich sind, kaum in die Pflanzen und Früchte über. Allerdings kann es zu Bodenanhaftungen an Wurzelgemüse oder an auf dem Boden liegenden Gemüse kommen. Dieses Gemüse sollte nicht verzehrt werden.“ Bis Sommer soll en detail vorliegen, wie die Belastungen konkret sind, dann entscheidet die Stadt über die Sanierung. Ob die Hütten stehen bleiben oder nicht, ist laut Grothe noch offen. Vermutlich muss aber der belastete Boden entfernt werden.

Fußballfeldgroße Fläche betroffen

Betroffen sind insgesamt rund 7000 der insgesamt 70.000 Quadratmeter großen Fläche des Vereins an der Inneren Kanalstraße, also eine Fläche etwa so groß wie ein Fußballfeld. Das Areal liegt am Eingang an der Nohlstraße. Darin enthalten sind die sechs Parzellen, für sie gelten die Einschränkungen, für die verbleibende Fläche empfiehlt die Verwaltung sie zumindest. Im April lagen die Ergebnisse vor, danach informierte die Stadt die Kleingärtner auf einer Infoveranstaltung. Ob die Anwohner an der angrenzenden Krüthstraße betroffen sind, untersuchen die Experten aktuell noch.

Wie berichtet, hatte die Stadt Ende März auch am Rathenauplatz in der Innenstadt auf zwei Spielplätzen ebenfalls Blei gefunden, sie hat beide bis voraussichtlich 2020 geschlossen und saniert sie nun beide komplett. Seit 1985 führt die Stadt ein Altlastenkataster, darin sind laut Sprecherin rund 360 sogenannter Verdachtsflächen aufgeführt, auf 16 davon liegen Kleingärten. Laut Stadt untersuchen die Experten sie nach einer Prioritätenliste, sie orientiert sich an der Flächenversiegelung und der Nutzung.

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Insgesamt gibt es 72 sogenannter städtische Altdeponien wie an der Flora, ab 2002 hat die Stadt sie analysiert, bei zwei Kleingartenanlagen saugten Firmen Deponiegas ab. „Weitere Gefährdungen wurden für die zulässigen Kleingartennutzungen nicht festgestellt“, teilt eine Stadtsprecherin mit.

Was ist Benzo (a) pyren?

Benzo (a) pyren gehört laut Umweltbundesamt zur Stoffgruppe der sogenannten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK). Über die Atemluft aufgenommen wirkt es demnach krebserregend.

PAK gehören zum Alltag, zum Beispiel über den Ruß von Dieselmotorabgasen. Tabakrauch ist ebenfalls eine Quelle. Und: In Badeschuhen können sie laut einer Studie auch enthalten sein.

Laut Umweltbundesamt können bei der Verarbeitung von Kohle in Kokereien PAK durch Abgase und Abwässer aus den Prozessen in die Umwelt gelangen. Beispielsweise auf den Geländen ehemaliger Gaswerke und Kokereien sind die Böden und das Grundwasser zumeist stark mit PAK belastet, insbesondere im Bereich von Teergruben sowie den Lagerflächen der Kohle und Abfallprodukte. Und: „Dort wo PAK Boden und Grundwasser verschmutzen, sind umfangreiche Sofortmaßnahmen oder eine aufwendige

Altlastensanierung erforderlich.“ Auf Nachfrage sagte eine Sprecherin, die örtliche Behörde vor Ort wisse am besten, was zu tun sei – in dem Fall die Stadt.

Der Kleingartenverein Flora hatte 2016 im Fokus gestanden, weil sich damals die Bürgerinitiative „Grüne Lunge Köln erfolgreich dagegen gewehrt, dass die Fläche des Vereins in das sogenannte Stadtentwicklungskonzept Wohnen aufgenommen wird. Die Initiative sammelte 20 000 Unterschriften, der Stadtrat verzichtete letztlich auf die Fläche , als er das Konzept im Dezember 2016 mit rund 70 Arealen verabschiedete. Zunächst war es für neue Wohnhäuser vorgesehen, doch die Ratsfraktionen strichen auf den letzten Metern noch einige, andere nahmen sie neu dazu.

Es geht dabei auch um die Frage, wo in den wachsenden Großstädten noch Flächen für Wohnen, Industrie, Büros, Schulen, Kitas, Kultur aufgetan werden können. Dabei kommen immer öfter die Kleingärten ins Spiel. In Köln belegen die etwa 120 Kleingartenvereine rund 625 Hektar, also 1,5 Prozent des Stadtgebietes. Insgesamt gibt es rund 15 800 Kleingärtner.

Jetzt fürchten einzelne Vereinsmitglieder der Flora, dass die Stadt über die Schadstoffsanierung an die Fläche herankommen will, doch der Vorsitzende Daniel Grothe sagte der Rundschau: „Wir haben eigentlich keine Angst, dass wir Bebauungsplänen ausgesetzt sind.“ Zunächst geht es nun um die mögliche Sanierung.