Attentat in Köln vor 25 JahrenAuch bei Lafontaine waren es Rosen

Angriff auf den Spitzenkandidaten: Oskar Lafontaine wurde 1990 in der Stadthalle Mülheim niedergestochen. (Archiv-Foto: dpa)
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Köln – Rosen. Auch bei Lafontaine waren es Rosen, weiße. Und die Täterin trat ihrem Opfer im weißen Kleid entgegen. Die „Frau in Weiß“ nannten die Boulevardmedien sie deshalb später. Vor 25 Jahren griff Adelheid Streidel in der Stadthalle Mülheim Oskar Lafontaine, den Spitzenkandidaten der SPD für die Bundestagswahl, mit einem Messer an und verletzte ihn schwer.
Der Saarbrücker war am 25. April 1990 nach Köln gekommen, um Johannes Rau vor der Landtagswahl zu unterstützen. Die Veranstaltung lief gut für die Genossen, auch mit Blick auf die Bundestagswahl machte man sich Hoffnungen. Gegen 20.45 Uhr wollte Lafontaine die Veranstaltung verlassen, er wollte zügig abreisen. Die 42-jährige Streidel hielt ihm ein blau-grünes Poesie-Album entgegen. Und Rosen. Sie wolle ihm etwas schenken, weil sie ihn verehre, sagte sie. Schon während der Veranstaltung hatte die Frau versucht, auf das Podium zu gelangen. Ein Polizeibeamter hielt sie zurück. Nach Ende der Polit-Runde strömten die Zuschauer aus dem Saal, ein Teil drängte jedoch nach vorne. Dort drehte ein TV-Team einen Beitrag über Johannes Rau und seine Wahlkampftour. Die Journalisten witterten ein gutes Bild – aber keine Gefahr. Wieso auch? Eine Anhängerin, die Rosen überreicht, das machte sich gut. Adelheid Streidel ging auf Lafontaine zu, überreichte ihm Blumen, bat um ein Autogramm. Dann stach sie mit einem Fleischermesser zu.
Millimeter neben der Hauptschlagader
Alles ging ganz schnell. Der Stich traf den Kandidaten Millimeter neben der Hauptschlagader. Lafontaine sackte zusammen, das Blut strömte aus seinem Körper. Im Saal lähmte Entsetzen die Umstehenden. Zuerst hieß es, jemand habe geschossen. Leibwächter und die Sanitäter kümmerten sich um den Verletzten. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Lafontaine in die Klinik gefahren wurde. Im Uni-Klinikum begann für die Ärzte der Kampf um das Leben des Sozialdemokraten, der Blutverlust war hoch.
Die Operation gelang, und der Patient erholte sich schneller als gedacht. In Interviews erzählte der Politiker aber später immer wieder, wie sehr ihn der Schock des Anschlags verfolgt habe. Es war der bis dahin brutalste Angriff auf einen Berufspolitiker in Deutschland. Rund ein halbes Jahr später wurde im badischen Oppenau ein Attentat auf den CDU-Politiker Wolfgang Schäuble verübt. Er ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen.
Adelheid Streidel erklärte später vor Gericht, sie habe irgendeinen Politiker töten wollen. Die Tat wurde als versuchter Mord gewertet, die Täterin in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, da sie als schuldunfähig gilt. Bis zuletzt stritt sie vor Gericht jegliche Verantwortung für die Bluttat ab, das Urteil bezeichnete sie als „Unfug“.
Knapp 24 Jahre nach dem Attentat wurde sie 2013 unter „Führungsaufsicht“ gestellt und aus dem Maßregelvollzug entlassen. Sie lebt heute unter anderem Namen in einem Pflegeheim am Niederrhein.
Weil sie geplant habe, eine Reise nach Berlin zu unternehmen und dabei auch öffentliche Sitzungen des Bundestages zu besuchen, wurde ihr laut Innenministerium vor rund einem Jahr ausdrücklich verboten, Parlamentsgebäude zu besuchen.