Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Ausstellung „Scherbenwesen“ in KölnWie aus Kölner Kriegsschutt Kunst entsteht

3 min
Scherbenkunst 1

Macht aus Kriegsschutt Kunst: Sanna Nübold

Köln – Die Kaninchen hatten Anteil an dieser Kunst. Und: Ein Hund, ein gerührtes Herz und intuitiv freigelassene Hände. Ohne sie wären die Scherben im Dunkeln geblieben. Reste einer Vergangenheit, an die wir nicht gerne rühren. Reste des Kriegs, der Zerstörung. Nun sind sie wieder auferstanden. Und nicht nur das: Sie haben neue Formen gefunden. Ihre Zerstörung transzendiert. Sie sind wesenhaft geworden: Scherbenwesen. So nennt Sanna Nübold sie.

Ihre Ausstellung ist den Januar über im Galerieraum „Communication meets arts“ in der Blankenheimer Straße 59 in Sülz zu sehen sein. Für jeden durch das Fenster. Und mit Anmeldung persönlich gezeigt von der Künstlerin.

„Ich habe das Gefühl, die Ausstellung muss jetzt sein. Gerade auch in dieser Corona-Zeit“, sagt Sanna Nübold. Die 62-Jährige, die sich bisher als Grafik-Designerin und Fotografin einen Namen gemacht hat, stellt erstmals ihre Kunst aus. Ein Projekt, das sich organisch entwickelt hat. Ungeplant ist es gewachsen. Zuerst einmal ist Sanna Nübold, die in Bonn aufgewachsen ist und in Sülz lebt, einfach nur mit ihrem Hund spazieren gegangen. Im Beethovenpark.

Kriegsschutt in die Kölner Parks gekarrt

Dort fielen ihr die vielen Scherben auf, die Kaninchen beim Tunnelbauen an die Oberfläche gescharrt hatten: Porzellan- und Glasstücke, Teile von Geschirr und Nippesfiguren. Kriegsschutt. Nach dem Ende des Krieges karrten die Kölner den Schutt der zerbombten Häuser in Parks. „So wurde zerstörtes Alltagsleben zum Untergrund von Parkanlagen“, schreibt Sanna Nübold im sehr gelungenen Katalog zur Ausstellung. „Die Bruchstücke rührten mich. Ich stellte mir ihre Geschichten vor. Geschätzt, geliebt, gebraucht.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Sanna Nübold begann die stummen Zeugen des Lebens und der Zerstörung zu sammeln und die Fragmente nach Hause zu tragen. Dort lagen sie eine Weile. Bis die Künstlerin begann, mit den Scherben und einfacher weißgrauer Knetmasse Wesen zu formen. Wundersame Wesen. Wesen, über die sie sich selbst wunderte. Es gab kein Konzept.

Scherbebnkunst

Die Skulptur „Zweifel“

Sie ließ ihren Händen freien Lauf, zufällig und assoziativ fanden sich Teile von Tassen, Vasen, Tellern, farbige Glasstücke, Figurenfragmente zusammen. Eigenwillige surreale Skulpturen entstanden – Wesen mit einer eigentümlich intensiven Aura. Man sieht Zerstörtes, ahnt Geschätztes und staunt über die neue Komposition. „Die Scherben mit Brüchen und Kanten strahlen eine Melancholie aus, die durch den künstlerischen Eingriff eine positive Verwandlung erfährt“, stellt Parthena Trellopoulou-Pauli treffend in ihrer Besprechung im Katalog fest.

Kurzfilm

In einem sehenswerten Kurzfilm stellt Sanna Nübold selbst ihre Scherbenwesen vor. Scannen Sie dafür einfach den QR-Code mit ihrem Smartphone. Per Mail können Sie sich für die Ausstellung anmelden .

mail@sanna-nuebold.de

So assoziativ wie der Schaffensprozess ist auch die Namensgebung der Figuren: Glück, Fühlmal, Streit, Erinnerung oder Vertrauen heißen einige. Aber auch der „Gesunde Menschenverstand“ ist materialisiert. „Den Ausdruck hat eine Verwandte von mir immer gerne genutzt“, sagt Sanna Nübold. Sie hat persönliche, aber kollektive Erinnerungen Gestalt werden lassen. Die Scherbenwesen vereinen Vergangenes und Unvergängliches. Sie bestechen durch ihre fast archaische Ungeschliffenheit, die ihnen eine Unmittelbarkeit verleiht, der man sich schwerlich entziehen kann.

Mehrdeutig sind sie. Sie lassen Platz für eigene Assoziationen. Der Interpretationsspielraum wird erweitert durch kurze haikuhafte Texte, die Sanna Nübold ihren Scherbenwesen zur Seite gestellt hat. So zum Beispiel dem Wesen „Erinnerung“: „Erinnerung. Sie taucht unfassbar auf. Stark und scheu.“ Die Scherbenwesen machen Erinnerung fassbar – und das stark.