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Blick eines jungen NationalsozialistenSonderausstellung im EL-DE-Haus zu Theo Beckers

Lesezeit 3 Minuten
Theo Beckers Hitlerjungen

 Von Theo Beckers betreute Hitlerjungen bei einem Propagandamarsch um den Kölner Dom, 1935.  

Köln – Fast beiläufig der Hitlergruß, junge Männer gut gelaunt in Uniform: Private, bedrückend nahe Einblicke bietet die neue Sonderausstellung im NS-Dokumentationszentrum. Durch die Augen eines junge Nationalsozialisten können Besucherinnen und Besucher auf Köln und den Alltag in den 30er Jahren blicken.

„Theo Beckers. Ein junger Nationalsozialist fotografiert Köln“, heißt die Schau. 300 Fotografien stellt das EL-DE-Haus aus, die Beckers zwischen Weihnachten 1933 und Frühjahr 1937 schoss. Die stellvertretende Direktorin des NS-Dokumentationszentrums, Annemone Christians-Bernsee, sagt: „Es ging uns darum, das Private im Politischen zu zeigen.“

Theo Beckers

Fronleichnamsprozession in Deutz, aufgenommen aus dem Wohnzimmer der Familie Beckers, 1936.

Theo Beckers trat 1933 in die Hitlerjugend ein

Theo Beckers wurde 1914 in eine bürgerlichen Familie geboren. Er lebte mit seinen Eltern und seiner Schwester in Deutz, als er 1933 seine erste Kamera geschenkt bekam. Im selben Jahr trat der 19-Jährige in die Hitlerjugend ein und übernahm nur kurze Zeit später auch Ämter. 1936 begann er eine Ausbildung zum Zahntechniker, da ihn die Hochschule für Lehrerbildung in Bonn abgelehnt hatte.1939 wurde er zum Militär eingezogen. Der NSDAP trat er nie bei. Nach Ende des Krieges kehrte er nach Köln zurück und verblieb unverheiratet und kinderlos. In den 90er Jahren adoptierte er einen Sohn. 2003 starb er in Köln.

Beckers’ Fotografien zeigen Familienfeste, Ausflüge, HJ-Fahrten, Haustiere, sein Zimmer, Aufmärsche, Karnevalsumzüge, Kirchenfeste und vieles mehr. Die Bilder seien in ihrer Gewöhnlichkeit außergewöhnlich, sagt Hanne Leßau, Kuratorin der Ausstellung. Sie gewähren Einblicke in die Welt eines kleinen Funktionärs, wie es sie zahlreich zu der Zeit gegeben hat. Es ginge nicht um eine spektakuläre Darstellung von Verfolgung oder Gewalt, sondern um den Alltag eines jungen Mannes.

Theo Beckers am Dom

Ungezwungen: Theo Beckers (Mitte) mit zwei englischen Pfadfindern vor dem Kölner Dom, 1934.

Einblick in das Leben eines jungen Nationalsozialisten

„Wir sehen über die Bilder wie ein junger Nationalsozialist auf sein eigenes Leben und auf die Welt um ihn herum schaut“, sagt Leßau. Beobachtende könnten auf einigen Aufnahmen ein nebeneinander von Dingen finden, „die unserer Wahrnehmung nach als ausschließend oder konkurrierend interpretiert werden“ so Leßau. Die Besucherinnen und Besucher seien eingeladen, durch die Fotos wie durch ein Fotoalbum zu blättern, ergänzt Christians-Bernsee.

Theo Beckers Strassenkonzert

Straßenkonzert vor dem Café Janssens in Deutz aus dem Fenster auf die Straße fotografiert, 1936.

Daher sind keine Einzelaufnahmen hervor gehoben, sondern die Bilderwelt im Ganzen stünde im Mittelpunkt. Mit Begriffen und Überschriften ist die Ausstellung minimal gegliedert. Sie sollen Denkanstöße geben und die ein oder andere Frage aufwerfen: Wie passen Alltagssituationen wie diese zu den eigenen Vorstellungen der NS-Diktatur?

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Insgesamt liegen dem Museum etwa 80 000 Fotografien Beckers vor, 8000 davon stammen aus den Jahren des Nationalsozialismus. Die Bilder sind bisher nicht gezeigt worden. 2018 erwarb das Dokumentationszentrum den umfassenden Bestand von Beckers Adoptivsohn. Dabei handelt es sich um die Negative, keine Originalabzüge.

Das NS-Dokumentationszentrum zeigt die Sonderausstellung bis zum 18. September. Der Eintritt kostet 4,50, ermäßigt 2 Euro. Jeden ersten Donnerstag im Monat ist freier Eintritt. Vier Führungen bietet die Kuratorin Leßau an: am 5. Juni um 16 Uhr, 3. Juli um 11 Uhr, 4. August um 20 Uhr und 18. September um 15 Uhr.