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Deutschkenntnisse pflichtBäckerei Merzenich bildet Asylsuchende und Flüchtlinge aus

Lesezeit 4 Minuten

Erste Einführung in den Job: Irma Pelivani zeigt dem neuen Auszubildenden Elvis Furtuna die Angebote in der Vitrine.

Köln – „Ich wünsche mir, dass alles gut verläuft und ich die Chance nutzen kann, die mir hier gegeben wurde.“ Elvis Furtuna (37) schaut, während er diese Wünsche äußert, dankbar zu Merzenich-Bereichsleiterin Iris Braek hinüber. Furtuna ist Albaner und 2014 mit seiner Frau und seinen Kindern nach Deutschland gekommen. „Ich habe mich von Anfang an um die Sprache bemüht, weil ich weiß, dass das der Schlüssel ist, um hier etwas zu erreichen“, äußert er in gut verständlichem Deutsch.

Für Neuanfang einiges aufgegeben

Er hat einiges aufgegeben in seinem Heimatland. Er war in Albanien freier Komponist und Musikproduzent. Jetzt soll er zum 1. August bei Merzenich eine Ausbildung zum Fachverkäufer im Lebensmittelbereich beginnen. Voraussetzung ist allerdings, dass eine so genannte Ausbildungsduldung der Ausländerbehörde rechtzeitig vorliegt. „Ich weiß, dass ich einen Schritt zurück machen muss in einem neuen Land. Aber ich denke dabei vor allem an meine Kinder. Sie sollen es mal besser haben“, sagt er.

Ähnliche Ambitionen hat auch Irma Pelivani (31). Sie kommt ebenfalls aus Albanien und ist seit 2013 in Deutschland. Wie Elvis Fortuna lebt sie in dem Flüchtlingswohnheim an der Boltensternstraße in Riehl. Im April 2016 hat sie zunächst als Reinigungskraft für Merzenich gearbeitet. Seit Ende 2016 ist sie als Teilzeitkraft im Verkauf beschäftigt. „Ich bin froh, dass mir die Leitung dieses Angebot gemacht hat. Viele andere würden sich das wünschen“, ist Pelivani sichtlich zufrieden. Ihr großes Ziel ist, auch eine Ausbildung bei Merzenich zu beginnen. Bisher jedoch erlaube das ihre private Situation in dem Wohnheim, zusammen mit ihrem Mann und drei Kindern, nicht. „Lernen ist da im Grunde nicht möglich“, bedauert sie. Dennoch sei sie aktuell mit ihrer Arbeit sehr zufrieden und genieße den täglichen Kontakt mit den Kunden, so Pelivani abschließend.

Den Kontakt zu Merzenich hat die Willkommensinitiative „Runder Tisch Riehl“ in Zusammenarbeit mit dem Kölner Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger „Zug um Zug“ hergestellt. „Walter Eumann vom ,Runden Tisch Riehl“ ist auf uns zugekommen, ob wir nicht mithelfen können, Geflüchtete vom Wohnheim an der Boltensternstraße in Arbeit zu vermitteln“, blickt Kirsten Schröer-Jacobs von „Zug um Zug“ zurück. Über Fördergelder der evangelischen Kirche habe man daraufhin das Beratungskonzept „KontAkt“ entwickelt, mit dem man unabhängig von behördlichen Maßnahmen agieren könne. „Wir bieten Unterstützung für Geflüchtete und Unternehmen an und führen beide zusammen. Denn beide Seiten sind mit dem komplizierten behördlichen Verfahren bei einer Anstellung von Menschen ohne rechtskräftigen Aufenthalts- oder Asylbescheid oft überfordert“, erläutert die Integrationsbegleiterin von „Zug um Zug“, Laura Ledda.

Unternehmen fühlen sich oft alleine gelassen

Merzenich-Bereichsleiterin Braek beklagt in dem Zusammenhang, dass „man sich als Unternehmen ein Stück weit alleine gelassen fühlt, wie es zum Beispiel nach einem Praktikum mit einem Flüchtling weitergehen kann“. Es bleibe dann zumeist dabei, weil keiner weiß, wie der nächste Schritt funktioniere. Zum einen müsse den geflüchteten Neubürgern mehr Orientierung zum Thema „Wie funktioniert eigentlich Ausbildung in Deutschland?“ gegeben werden. Und zum anderen sollten sie auch leichter in einen Job vermittelt werden können, fügt die Bereichsleiterin hinzu. Zudem benötigen die Unternehmen eine professionelle Unterstützung, um die behördlichen Hürden zu bewältigen, wenn man einen Flüchtling oder geduldeten Einwanderer einstellen möchte – „eben so, wie es ,Zug um Zug’ aktuell für uns leistet“, so Braek. Dabei weist sie auch auf die Chancen für die Unternehmen hin: „Es ist ja kein Geheimnis, dass in der Bäckereibranche Fachkräftemangel herrscht. Die Einstellung von geeigneten Flüchtlingen und sonstigen Einwanderern könnte dabei zumindest ein Teil der Lösung sein.“

Das wäre dann gut für beide Seiten. Denn für Elvis Furtuna hat sich das Warten und Lernen seit 2014 zunächst einmal gelohnt. Ab August will er nun seine dreijährige Ausbildung beginnen und in verschiedenen Filialen von Merzenich sowie ein bis zwei Tage pro Woche in der Berufsschule sein neues Handwerk als Bäckerei-Fachverkäufer erlernen. Und Irma Pelivani hofft darauf, dass sie ihr eigenes großes Ziel, nämlich ebenfalls ihre Ausbildung zu beginnen, in naher Zukunft auch verwirklichen kann.

Projekt „KontAkt“

Dieses Modellprojekt des Beschäftigungs- und Qualifizierungsträgers „Zug um Zug“ vermittelt Asylsuchende/-bewerber, geduldete Einwanderer und anerkannte Flüchtlinge, die mindestens Basiskenntnisse der deutschen Sprache nachweisen können, an Merzenich.

Dazu bietet der Träger über den gesamten Projektzeitraum eine Integrationsbegleitung für den Auszubildenden und das Unternehmen an. 30 Menschen aus Syrien, Eritrea, Afghanistan, Somalia, Nigeria, Albanien und Serbien sind aktuell im Bewerbungsprozess oder bereits vermittelt worden.

www.zugumzug.org