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Befreiung nach dem 2. WeltkriegDie Stunde Null für das linksrheinische Köln

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Der Beginn des Vormarsches: Soldaten stoßen über die Venloer Straße in die Innenstadt vor.

Köln – Motoren dröhnen. Ketten rasseln. „Wir haben die Panzer schon von Weitem gehört“, erinnert sich Gisela Schäfer. Und sie war vorbereitet. Aus den zerbombten Geschossen des St.-Franziskus-Hospitals an der Schönsteinstraße in Ehrenfeld wehten weiße Bettlaken. Gisela Schäfer, damals 21 Jahre jung, wartete mit dem Chefarzt und den verbliebenen Patienten im Keller des Hauses auf das Eintreffen der Amerikaner. Da ahnte sie noch nicht, dass ihr eine ganz besondere Aufgabe bevorsteht. Für die junge Frau war der 6. März 1945, an dem amerikanische Soldaten in die Kölner Innenstadt vordrangen, ein nahezu friedlicher Tag, an dem sie nicht dem Feind gegenüber trat, sondern „jungen Kerlen, die locker waren“.

„Angst? In diesem Alter hat man keine Angst“, erklärt die heute 90-jährige Gisela Schäfer im Gespräch mit der Rundschau ihre damalige Unbedarftheit. Von Häuserkämpfen, die sich in den Straßen Kölns abspielen, bekam sie im Keller des Hospitals so gut wie nichts mit. Für die junge Frau sollte sich alles schlagartig zum Guten wenden – und das hatte mit ihren Sprachkenntnissen zutun. „Mein Chef konnte als Fremdsprache nur Französisch. Ich hingegen hatte in der Schule Englisch gelernt.“ Die Frage, wer den ersten Kontakt aufnimmt, war damit geklärt. Die ersten Worte, die sie an den jungen Amerikaner richtete, der wenig später vor ihr stand? „Good morning.“

Die Frage Freund oder Feind stellte sich hingegen nach der ersten Kontaktaufnahme nicht mehr. „Die Amerikaner hatten Verwundete, die versorgt werden mussten“, sagt Gisela Schäfer. Im Gegenzug gab es Proviant für das St.-Franziskus-Hospital. „Die hatten solche Sachen wie Bananen dabei.“ Noch heute schwingt in Gisela Schäfers Stimme das Staunen von einst mit. Südfrüchte nach unzähligen Monaten, in den höchstens Brotersatz den Hunger notdürftig stillen konnte.

Die Amerikaner wollten die weiteren noch intakten Krankenhäuser in Köln inspizieren. Sie nahmen Gisela Schäfer mit, als Dolmetscherin. „Ich habe die jungen Soldaten nur als hilfsbereit kennengelernt, die spielten sich nicht auf.“ Mit einem von ihnen hatte sich kurzfristig ein Briefwechsel ergeben. „Kenneth hieß er, mehr weiß ich nicht mehr.“

Als die Amerikaner bei Gisela Schäfer in Ehrenfeld ankamen, da hatten sie ihr Ziel schon vor Augen. Sie wollten zum Dom, ins Herz der Stadt. Zwei Tage zuvor hatten sie sich an den Stadtrand herangekämpft. Nun wollten die Truppen die linksrheinische Seite der ersten deutschen Großstadt einnehmen, auf die sie gestoßen sind.

Zu diesem Zweck hatten die Alliierten Köln am 2. März sturmreif bombardiert. Kaum ein Stein blieb auf dem anderen. Eigentlich stand nur noch der Dom. Ein Zustand, der auch bei manch einem Amerikaner den Atem stocken ließ. Francis H. Wilber war damals mit einem Bataillon in der Stadt. Er sagte dem Autor und Filmemacher Hermann Rheindorf: „Da gab es kein Durchkommen. Köln war so schrecklich zugerichtet, es war das reinste Chaos, komplett verwüstet. Was wir der Stadt angetan haben, war wirklich schrecklich, aber es war Krieg.“

Diese Trümmerwüste hatten die meisten Kölner am 6. März 1945 längst verlassen. 20 000 Menschen sollen in den Ruinen noch gelebt haben. Der Widerstand war nicht mehr groß, aber unberechenbar. So stießen die Amerikaner beispielsweise zwischen Aachener und Luxemburger Straße auf Volkssturmeinheiten, Polizisten und Überbleibsel der Wehrmacht. Gefahr ging besonders von Scharfschützen aus, die sich in den Ruinen versteckt hatten.

„Es war ein langsames Vortasten von Haus zu Haus, immer und immer wieder“, berichtet Leon Rosenmann, der als Fotograf die amerikanischen Truppen begleitete.

Kurz bevor sie unter diesen Bedingungen ihr Ziel erreichten, kam es zu einem Gefecht, das als das „Panzerduell vom Dom“ in die Geschichte einging. Der Oberleutnant der Wehrmacht, Wilhelm Bartelborth, stand mit seinem Panzer in der Komödienstraße auf verlorenem Posten. Er zerstörte einen amerikanischen Panzer. Es kam zum Kampf. Bartelborths Panzer wurde getroffen. Er überlebte. Das linksrheinische Köln war von der Naziherrschaft befreit.