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Benediktinerinnen im Kölner Herz-Jesu-KlosterAuf sie hat Gott gewartet

Lesezeit 5 Minuten

Schwester Antonia ist seit 2006 Benediktinerin – Fast wäre sie aus der Kirche ausgetreten.

Köln – Die Tür ist ein Bollwerk. Massives Holz. Dunkel. Eisenbeschläge. Margret Lange atmet durch – und kniet davor nieder. Sie hat ein mulmiges Gefühl im Magen. So eine Mischung aus Ungewissheit und Vorfreude. Diesseits dieser Tür liegt ihr bisheriges Leben. 44 Jahre. Als Bibliothekarin gearbeitet. Kette geraucht. Vor etwas mehr als 20 Jahren ging sie mit dem Gedanken schwanger, aus der Kirche auszutreten. War ihr irgendwie alles zu formal im Katholizismus. Jenseits der Tür warten mehr als 20 Benediktinerinnen. Das Bollwerk aus Holz und Metall öffnet sich langsam. Margret Lange tritt über die Schwelle – und wird zu Schwester Antonia.

„Klar, bei einer Nonne erwartet so manch einer ein Erweckungserlebnis. Mit Posaunen und Schalmeien – und für den Rest gibt’s Pillen.“ Schwester Antonia lacht. Ein Lachen, das spitzbübisch und zugleich warmherzig ist. Nein, bei ihr war es ganz anders. Gott trat nicht mit Donnerhall vor Margret Lange. Er hat eher mal abgewartet, ob sie sich bewegt. Und vielleicht ab und zu mal vorsichtig um die Ecke gelugt.

Ihre Wurzeln kann Schwester Antonia nicht verleugnen. Zunge und Stimmbänder modulieren immer noch die langgezogenen Vokale des Ruhrpott-Idioms. Im stählernen Herzen Deutschlands wurde sie groß. Die Eltern katholisch. Kirchgänger. Doch der kleinen Margret gab das nicht viel. Die Messe war für sie ein Ablauf von Riten, die ihr Herz nicht erreichten. „Beichten war für mich ein Drama“, sagt sie. „Danach kam ich nach Hause und habe mich mit meinen Brüdern weiter gestritten.“ Während sie das sagt, wird ihr auf einmal gewahr, dass sie ja gerade im Beichtzimmer des Herz-Jesu-Klosters sitzt. Da ist es wieder, dieses spitzbübische Lachen.

Ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit

Mit 20 zog sie von zu Hause aus. Ihre Lieblingsbeschäftigung an freien Tagen: „Auf meinem blauen Sofa liegen, mit einem Aschenbecher und einem guten Buch bewaffnet.“ Wenn sie genug gelesen hatte, legte sie schon mal eine Platte auf: Deep Purple. Das Thema Kirche war irgendwie kein Thema mehr. Gedanken an Austritt.

Es war ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, von dem sie nicht so recht wusste, wohin damit. So ging sie damals, vor rund 30 Jahren, in die kleine Kapelle. „Ich war lange krank gewesen und endlich auf dem Weg der Besserung.“ Das Krankenhaus, in dem sie lag, war einst unter kirchlicher Führung. Doch davon waren nur noch wenige Spuren über. In der ehemaligen Kapelle stand lediglich ein nackter Altar. Kein Kreuz. Keine Bibel. An der Wand nur ein blässliches Tuch. Schemenhaft war darauf das Antlitz Jesu zu erkennen. „So ist das also mit dir“, dachte sich Margret Lange damals. „Ich will bei dir vorbeischauen, und du bist ausgezogen.“ Da kam ihr der Gedanke: „Ich warte einfach nicht, bis du auf mich zukommst, ich gehe jetzt auf dich zu.“

Sie ging los. Zu ihrem ehemaligen Religionslehrer. „Mädchen, du musst erst einmal von dem ganzen Formalen weg“, sagte er . „Er hat mich die Freiheit gelehrt, die Christsein heute für mich bedeutet.“

Und dann ging’s ins Kloster? Nicht ganz. Karmel Maria in der Not. Essen. In dieses Kloster war Margret Lange zu einem Gespräch eingeladen. Die Schwester, mit der sie sprechen sollte, saß hinter einem Vorhang. Der Vorhang wurde zur Seite gezogen. Nun trennte sie von ihrer Gesprächspartnerin „nur“ noch ein Gitter. Schock. „Ich habe sofort kehrtgemacht.“ Sie engagierte sich lieber erst einmal in ihrer Gemeinde, holte das Abi nach und zog für das Studium des Bibliothekswesens nach Bonn.

Das Jahr 2000. Zweiter Versuch. Ein Kloster in Bielefeld. Vier Monate blieb sie. „Dann bin ich wieder gegangen – kurzentschlossen.“ Das schalkhafte Funkeln in ihren Augen verrät, es war wohl mehr Flucht als Kurzentschlossenheit. Sie ging wieder nach Bonn, arbeitete nun in einem Ministerium.

„Es war dieses. . .“ Sie sucht nach einem Wort. „Defizit. Dieses Defizit zu dem, was ich leben wollte.“ Das ließ sie den Kontakt zu den Benediktinerinnen in dem Kloster auf der Brühler Straße aufnehmen. Dieses Mal ganz vorsichtig. Immer Montagsabends kam sie. Gespräche. Gebete. Dann blieb sie als Gast, verbrachte ihre Ferien im Kölner Herz-Jesu-Kloster.

27 Schwestern im Alter von 27 bis 93 Jahren leben im Kloster der Benediktinerinnen an der Brühler Straße. Ihr Tag ist eng getaktet.

Er beginnt um 6 Uhr mit den Laudes, dem ersten Morgenlob. Um 6.30 beginnt eine halbstündige „Betrachtungszeit“. Die Schwestern lesen, vorrangig in den Evangelien. Die Eucharistiefeier schließt sich um 7 Uhr an. Es folgt um 8.15 Uhr mit der Terz ein Stundengebet, an das sich das gemeinsame Frühstück anschließt. In diesen Morgenstunden ist nur singen und beten erlaubt. Darüber hinaus gilt ein Schweigegebot.

8.30 Uhr ist Arbeitsbeginn. Die Schwestern arbeiten in der Hostienbäckerei, erstellen Paramentenstickereien und Gebetsschnüre. Schwester Antonia arbeitet in der Verwaltung und Bibliothek.

11.40 Uhr gibt es mit der Mittagshore ein weiteres Gebet. Um 12 Uhr beginnt mit dem Mittagessen das „Große Schweigen“. Die Schwestern ziehen sich zurück, bis um 14 Uhr wieder die Arbeit beginnt.

Um 17 Uhr findet mit der Vesper ein weiteres Gebet statt, an das sich um 17.30 Uhr das Abendessen anschließt.

Um 18 Uhr beginnt schließlich die Rekreation. Die Nonnen pflegen Gemeinschaftsleben, unterhalten sich. Wer etwas zu berichten hat, tut es zu dieser Stunde. Die Komplet, das Abendgebet, um 19 Uhr schließt den Tag ab. Bis um 6 Uhr gilt wieder das Schweigegebot. (ngo)

„Was willst du? Eintreten? Mach du mal. Spätestens wenn heute Abend dein Nikotinspiegel sinkt, kommst du wieder zurück.“ Ihre Nikotinsucht hatte ihr Bruder damals, 2006, vielleicht richtig eingeschätzt. Aber wohl nicht die Kraft ihres Glaubens. Margret Lange hat die Schwelle übertreten. Gute Bücher liest sie immer noch gerne. Und ab und zu hört sie auch noch Deep Purple – über Kopfhörer. Und ansonsten? „Ich führe heute ein Leben, das durchtränkt ist von Gott.“

Sie schaut auf die Uhr. Vor dem nächsten Gebet müssen noch Arbeiten erledigt werden. Schwester Antonia verabschiedet sich schnell und eilt durch den Kreuzgang des Klosters fort – vorbei an einer hölzernen Jesusfigur. Überlebensgroß. Mächtig. Nicht mehr schemenhaft.