Kölner EinzelhandelAus für das Besteckhaus Glaub

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Hermann Freiß übernahm nach dem Tod von Anita Magret Glaub den Laden. Doch alle Sorgfalt half auf Dauer nicht.

Hermann Freiß übernahm nach dem Tod von Anita Magret Glaub den Laden. Doch alle Sorgfalt half auf Dauer nicht.

Köln – Vor ziemlich genau drei Jahren berichtete die Kölnische Rundschau darüber, dass das traditionsreiche Besteckhaus Glaub an der Burgmauer einen Nachfolger sucht. Über 20 Jahre führte Hermann Freiß den Laden, bis 2019 gemeinsam mit Anita Magret Glaub. Doch als die Witwe des Firmengründers Bodo Glaub verstarb, wollte auch Freiß nicht mehr weitermachen: „Vielleicht, wenn ich 15 Jahre jünger wäre,“ sagte er damals im Gespräch mit der Rundschau.

Er suchte zu dieser Zeit schon jemanden, der das Geschäft übernehmen würde. Vergebens. Das Haus ist seit Kurzem im Wortsinne Geschichte, der Laden an der Burgmauer geräumt, die Umbauarbeiten sind bereits in vollem Gange. Ein Tattoo-Studio hält Einzug.

Kurze Nachricht: „Wir nehmen Abstand“

Dabei sah es lange gut aus: Freiß hatte jemand gefunden, der den Laden weiterbetreiben wollte. „Dann kam Ende März die kurze Nachricht: ,Wir nehmen Abstand’“, so Freiß. Da war längst alles mit dem Vermieter und Geschäftspartnern geklärt. Weitermachen konnte er nicht mehr, selbst wenn er noch gewollt hätte. Kurzerhand musste alles geräumt werden, auch die wertvolle Inneneinrichtung aus Walnussholz von 4711-„Hausarchitekt“ Wilhelm Koep. Irgendwie zwischenlagern, bei Nachbarn, Freunden, Bekannten. Aber es war ohnehin zu viel geworden: 30 Meter Schaufenster wollen bestückt werden – und vor allem geputzt. „Das Silber läuft sofort an und verschießt, besonders zur Sonnenseite hin.“ Man kommt kaum hinterher, Freiß ist mittlerweile selbst über 70 Jahre alt. Mehrere hundert Besteckmuster hatte er vorrätig, inklusive Spezialwerkzeug wie Schneckenzangen und Austerngabeln.

Freiß machte sich nie Illusionen, dass sich das Rad der Zeit noch einmal zurückdrehen ließe. „Schauen Sie sich doch um in Köln“, sagt er. „Die ganzen Spezialgeschäfte – alle weg. Familiäre Anlässe werden heute vom Caterer organisiert, der bringt auch gleich das Besteck mit.“ Obwohl auch Freiß in manchen Bereichen eine gewisse Renaissance der Tischkultur wahrgenommen hat, „in den letzten Jahren ist der Bedarf an hochwertigem Besteck immer weniger geworden. Und es ist eben auch kein Statusmerkmal mehr.“

Ein wohlsortiertes Besteck gehörte früher in jeden ordentlichen Haushalt

Das war in früheren Jahren in der Tat anders, ein wohlsortiertes Besteck gehörte in jeden ordentlichen Haushalt. Und das Interesse war größer: Gründer Bodo Glaub hatte einst sogar ein eigenes Besteck-Museum eingerichtet an der Burgmauer 68, das später mit umzog in die Komödienstraße. Die Sammlung umfasste 1987 über 1200 Exponate aus europäischen und außereuropäischen Ländern, die in wechselnden Themenausstellungen präsentiert wurden. Zeitlich begann die Sammlung mit den frühesten Messern der Steinzeit bis hin zu modernen Bestecken der Gegenwart, mit einem Sammlungsschwerpunkt vom 16. bis 18. Jahrhundert.

So ganz will Freiß aber denn doch nicht vom Metier lassen. Momentan hält er Ausschau nach einem kleineren Laden, den er für Service- und Auftragsarbeiten nutzen kann. Ohne die ganzen Muster vorhalten zu müssen. Aber auch da, erzählt Freiß, werden die Margen immer enger. „Früher konnte ich etwa bei Carl Mertens in Solingen Sonderaufträge bestellen, wenn etwas kaputt war“, erzählt er. Seit ein chinesischer Investor das Unternehmen übernommen hat, nur noch als Standard-Ausführung – die dann noch nötigen Nacharbeiten rechnen sich kaum noch. Bei anderen Traditionsunternehmen im Bergischen, so sie denn überhaupt noch existieren, sieht es nicht anders aus.

„Eine goldene Nase hat sich in dem Metier nie jemand verdient. Doch es geht immer weiter bergab“, sagt Freiß. Noch kann er sich bei schwierigen Aufträgen mit einem Handschleifer, einem echten Spezialisten, behelfen. „Aber der gute Mann zählt mittlerweile auch zarte 78 Jahre.“

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