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Chef des Ordungsamts im Interview„Die Respektlosigkeit in Köln nimmt zu“

Lesezeit 7 Minuten
Wolfgang Büscher

Wolfgang Büscher 

Vor 50 Jahren begann Wolfgang Büscher (65) seine Laufbahn bei der Stadt Köln. Diese Woche ist der Leiter des Ordnungsamtes in den Ruhestand gegangen. Michael Fuchs sprach mit ihm.

Sie hatten bei der Stadt 22 verschiedene Positionen inne, haben das Personalamt, Jugendamt, Organisationsamt und das Bürgeramt Chorweiler geleitet. Wie kam es dazu?

Eigentlich war ich überall bis auf das Kulturdezernat (lacht). Ich hatte Glück, dass ich früh Verantwortung übernehmen durfte. Ich bin immer wieder angesprochen worden, ob mich diese oder jene Aufgabe reizen würde. Führungsaufgaben ähneln sich trotz aller inhaltlichen Unterschiede sehr. Man muss organisieren, Personalgespräche führen, motivieren, delegieren.

Haben Sie es je bereut, Ihr ganzes Leben bei der Stadtverwaltung gearbeitet zu haben?

Nein. Ich wusste als Azubi nicht, was auf mich zukommt, habe aber irgendwann festgestellt: Diese Verwaltung hat für jeden etwas. Das Angebot ist riesig. Ich sage mal so: Wenn du hier keinen Job findest, der dir Spaß macht, dann musst du dich selbst fragen, ob da was nicht stimmt.

Mit 61 wurden Sie gefragt, ob Sie die Leitung des Ordnungsamts übernehmen würden. Kein leichter Job kurz vor der Rente.

Die Berufung kam überraschend. Ich musste erst mal eine Nacht darüber schlafen. Als Leiter des Amtes für öffentliche Ordnung steht man unter hohem öffentlichen Druck. Es gibt ständig Konfliktsituationen, die unterschiedlich wahrgenommen werden. Mich hat die Aufgabe gereizt. Bei 32 (verwaltungsinterne Ordnungsnummer des Ordnungsamtes, Anm. d. Red.) ist kein Tag wie der andere. Wenn du morgens ins Büro kommst, weißt du nicht, was dich erwartet.

Zur Person

Wolfgang Büscher (65) fing 1972 als Praktikant bei der Stadt an.1977 schloss er seine Ausbildung als Diplom-Verwaltungswirt ab. Die Leitung des Ordnungsamts übernahm er im Mai 2018. Er lebt in Rösrath, wo er für die CDU im Stadtrat sitzt und erster stellvertretender Bürgermeister ist. Büscher hat zwei Kinder und zwei Enkel. Er ist Senatspräsident der Grossen Rösrather Karnevalsgesellschaft. (fu)

Der Ordnungsdienst soll seit Jahren personell aufgestockt werden, von derzeit 200 auf 300 Außendienstkräfte. Läuft die Personalgewinnung weiterhin schleppend?

Heutzutage ist es schwierig, auf dem Arbeitsmarkt überhaupt geeignetes Personal zu finden. Anfangs hatten wir keinen Platz für mehr Leute und zu wenige Ausbilder. Jetzt haben wir die neue Ordnungsdienstzentrale in Junkersdorf und können jährlich 48 statt 24 neue Kolleginnen und Kollegen ausbilden. Aber die Fluktuation im Ordnungsdienst ist hoch. Es wird daher leider noch dauern, bis wir auf 300 Außendienstkräfte kommen.

Zumal es viel Schicht- und Wochenendarbeit gibt sowie das Risiko, angepöbelt oder gar angegriffen zu werden...

Wir brauchen Menschen mit bestimmten Fähigkeiten. Die müssen stressresistent sein. Ich bewundere, mit welcher Gelassenheit unsere Ordnungsdienstkräfte auf der Straße unterwegs sind. Ich selbst könnte nicht im Außendienst arbeiten. Meine Zündschnur ist deutlich kürzer (lacht).

Ist das Aggressionspotenzial heute höher als früher?

Definitiv ja. Auf der Straße ist der Ton rauer geworden. Dies bekommen nicht nur die Mitarbeitenden des Ordnungs-, sondern auch des Verkehrsdienstes zu spüren. Die Respektlosigkeit hat deutlich zugenommen. Heute droht gefühlt jeder Dritte, den wir ansprechen, mit dem Anwalt. Immer mehr zücken ihr Handy und filmen. Das sind Belastungen für unsere Mitarbeiter, die hat es früher nicht gegeben. Das spüren wir heute permanent.

Wie halten Sie dagegen?

Vor allem durch gute Ausbildung. Wir bereiten unsere Außendienstkräfte auf alle möglichen Situationen vor. Und wir werden bald in einem Pilotprojekt den Einsatz von Bodycams testen. Zurzeit sondieren wir noch, welche Geräte es gibt.

In der Corona-Pandemie musste das Ordnungsamt viele strikte Regeln durchsetzen. Wie haben Sie das erlebt?

Ich finde, Köln ist vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. Der Ordnungsdienst hat einen großen Teil dazu beigetragen. Aber es war eine Sisyphos-Arbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Verständnis für die Maßnahmen war teils sehr gering. Wenn wir Leute auf der Hohe Straße aufgefordert haben, Maske zu tragen, wurde sofort diskutiert: Warum sprecht ihr mich an? Hier laufen Hunderte ohne Maske vorbei.

Die Bußgelder waren sehr hoch: zum Beispiel 250 Euro für ein Picknick im Park.

Wer trotz Aufforderung nicht bereit war, Abstand zu halten, musste zahlen. Doch dann passierte mitunter Folgendes: Ein Beteiligter zahlt, drei klagen. Vor Gericht wird einer zur Zahlung verdonnert, der andere muss gar nichts zahlen, und beim Dritten schlägt der Richter ein reduziertes Bußgeld vor. Wie soll man das verstehen? Natürlich kann man auch jede der Corona-Regeln für sich betrachtet kritisieren, ob sie am Ende das gebracht hat, was man sich davon versprochen hatte.

Wie sinnvoll war das Verweilverbot?

Wir wussten, in bestimmten Bereichen wie dem Brüsseler Platz treffen sich viele Menschen, und das mussten wir aus Gründen des Infektionsschutzes verhindern. Dann hat sich das Problem in den Stadtgarten und an andere Orte verlagert.

Es gab Kritik, dass die neue Ordnungsdienstzentrale ganz weit im Westen liegt. Was sagen Sie zur Forderung, den Ordnungsdienst dezentral in den Bezirken anzusiedeln?

Davon halte ich gar nichts. Wir wollen, dass im gesamten Stadtgebiet nach einheitlichen Standards gearbeitet wird. Wenn plötzlich eine zentrale Lage kommt, wie die Evakuierung zur Entschärfung einer Weltkriegsbombe, dann habe ich zentral meine Leute, die ich sofort einsetzen kann. Da will ich nicht mit neun Bürgeramtsleitern diskutieren, ob sie mir Personal stellen können.

Viele Konflikte, bei denen das Ordnungsamt tätig wird, drehen sich um die Außengastronomie. Wie erleben Sie das?

Das Thema beschäftigt uns immer stärker. Außengastronomie, wie wir sie heute haben, gab es vor 15 Jahren nicht. Früher feierten die Leute in den Kneipen. Dann kam das Rauchverbot, und man ging vor die Tür. Heute will jeder draußen sitzen.

Ordnungsamt in Zahlen

926 Menschen arbeiten derzeit beim Kölner Ordnungsamt, davon 296 im Verkehrsdienst, der für die Ahndung von Parkstößen zuständig ist. 274 Personen sind im Bereich allgemeine Ordnungs- und Grundsatzangelegenheiten tätig. Die Gewerbeabteilung hat 67 Mitarbeitende, die Verwaltung 55, der Bereich Großveranstaltungen 15 Beschäftigte. Der Ordnungsdienst verfügt aktuell über 260 Planstellen, von denen 51 unbesetzt sind. Inklusive Teilzeitbeschäftigter hat der Ordnungsdienst zurzeit 219 Mitarbeitende.

206 Strafanzeigen hat die Stadt im Jahr 2021 wegen Übergriffen auf Ordnungsdienstkräfte gestellt. 2020 waren es 140, im Jahr 2019 mit 75 deutlich weniger. 21 Strafanträge bezogen sich auf Körperverletzung. Weitere Delikte waren Widerstand (79 Fälle), Beleidigung (108) und Bedrohung (57). Damit wurden im zweiten Pandemiejahr 2021 so viele Übergriffe angezeigt wie noch nie. Im laufenden Jahr zeichnet sich eine gewisse Entspannung ab. Bisher wurde vier Mal Körperverletzung angezeigt, zwölf Mal Bedrohung. (fu)

Einige Wirte klagen, das Ordnungsamt kontrolliere rigoros und kleinlich. Stimmt das?

Die allermeisten Wirte halten sich an die Regeln, die gelten, wenn man zur privaten Gewinnerzielung den öffentlichen Raum nutzen will. Manche aber leider nicht und sie übertreiben dann oftmals öffentlichkeitswirksam, wenn wir einschreiten. Wir setzen das um, was in den Baugenehmigungen und Sondernutzungserlaubnissen steht, die jeder Gastronom und jede Gastronomin erhält, sowie das, was die Politik beschlossen hat. Wenn ein Wirt seine genehmigte Außengastrofläche massiv überschreitet, müssen wir einschreiten. Das sind Einzelfälle. Aber von einigen wird dann in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, das Ordnungsamt laufe Amok und schikaniere Gastronomen. Das ist mitnichten der Fall. Wir setzen von der Politik vorgegebene Regeln durch.

Die die Politik dann gerne selbst wieder in Frage stellt...

Die Zusammenarbeit mit der Politik ist sehr schwierig geworden. Ich würde mir wünschen, dass die Beschlüsse von Bezirksvertretungen und Rat alle Bedürfnisse berücksichtigen. Nicht nur die der Gruppe, die am lautesten schreit. Dann schreit am nächsten Tag eine andere Gruppe, und dann geht man auf deren Wünsche ein. Das führt zu inkonsequenten Regelungen. Wenn man etwas beschließt, sollte man auch die Konsequenzen kennen. Die Nutzung des öffentlichen Raums muss genau abgewogen werden.

Mehr Fuß- und Radwege, mehr Außengastro – für Autofahrer nimmt der Parkdruck stetig zu. Wie sehen Sie persönlich die Entwicklung?

Ich kann verstehen, dass man Innenstädte autofrei entwickeln will oder autoreduziert. Es gibt aber auch Menschen, die müssen mit dem Auto in die Stadt. Zum Beispiel Handwerker. Das wird oft vergessen. Mittlerweile kommen immer mehr Menschen zu uns, die eine Ausnahmegenehmigung fürs Parken beantragen wollen. Das Ordnungsamt kann aber nicht der Reparaturbetrieb für politische Beschlüsse sein.

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