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Diskothek „Venus Celler“ in KölnUrteil zur Gewaltorgie nach Reizgas-Angriff gefallen

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Links Verteidiger Christopher Posch, Angeklagter (M.), rechts Verteidiger Tamer Yakin.

Gegen einen 34-jährigen Türsteher wurde wegen versuchten Totschlags verhandelt.

Der 35-jährige Täter wurde zu einer Haftstrafe von insgesamt acht Jahren verurteilt. Dem Opfer wurde zudem ein Schmerzensgeld in Höhe von einer halben Million Euro zugesprochen.

Nach einem Angriff mit Reizgas vor der Diskothek „Venus Celler“ am Zülpicher Platz hatte ein 35-Jähriger den Täter verfolgt, ihn gestellt und schließlich brutal zusammengeschlagen. Immer wieder schlug der ehemalige Türsteher und austrainierte Kraftsportler auf sein am Boden liegendes Opfer mit der Faust ein. Die Schläge waren gezielt, kontrolliert und hart und trafen den Geschädigten ins Gesicht. Zum Abschluss des Tatgeschehens verpasste der Mann dem zum Tatzeitpunkt Ende Februar vergangenen Jahres 32-Jährigen noch einen stampfenden Tritt von oben vor den Kopf. Seither ist der Mann, der in dem Prozess Nebenkläger war, ein schwerer Pflegefall. Er kann, bis auf die Worte: Ja, Hunger und Angst, nicht mehr sprechen, kann weder schlucken noch gehen. Seinen Rollstuhl kann er nicht eigenständig bewegen. „Die Persönlichkeit des Nebenklägers ist zerstört“, sagte der Vorsitzende Alexander Fühlingen am Freitag bei der Urteilsverkündung. „Der Nebenkläger ist ein Vollpflegefall auf der höchsten Pflegestufe und wird das den Rest seines Lebens bleiben.“

Attacke vor Venus Celler: acht Jahre Haft

Insgesamt acht Jahre muss der Angeklagte in Haft. Der Schuldspruch am Freitag erging wegen tateinheitlich begangener schwerer und gefährlicher Körperverletzung. Zudem verurteilte das Gericht den 35-Jährigen zur Zahlung von insgesamt einer halben Million Euro Schmerzensgeld, von denen 2000 Euro bereits als abgegolten gelten. „Alle gesundheitlichen Schäden beim Nebenkläger beruhen auf den Schlägen und dem Tritt des Angeklagten“, hieß es im Urteil.   Demnach war es zu der brutalen Tat gekommen, nachdem das spätere Opfer gegen 3.47 Uhr am 25. Februar 2023 mit Reizgas in eine Gruppe Menschen vor dem „Venus Celler“ gesprüht hatte. „Das war eine Provokation. Der Angeklagte war Opfer einer gefährlichen Körperverletzung.“ Doch statt der Polizei die Verfolgung zu überlassen, setzte der Angeklagte dem Reizgassprüher nach und stellte ihn in der Nähe des Barbarossaplatzes.

Anschließend nahm dann die Gewaltorgie ihren Lauf. Mindestens zehnmal habe der über zwei Meter große und zum Tatzeitpunkt 122 Kilogramm schwere Angeklagte seinem ihm körperlich unterlegenen und unter ihm liegenden Opfer mit der rechten Faust in die linke Gesichtshälfte geschlagen. Der Angeklagte sei seinem Kontrahenten derartig überlegen gewesen, dass er zwischenzeitlich kurz mit seiner Lebensgefährtin telefonieren konnte, während er sein Opfer mit einem Arm am Boden fixierte.

„Das Motiv der Tat ist Selbstjustiz“, stellte Fühlingen fest. Die Gewaltorgie sei ein „Auskosten der totalen Machtposition über den wehrlosen Nebenkläger“ gewesen. Angaben des Angeklagten, er sei dem Opfer nach dem Reizgas-Angriff gefolgt, um ihn festzunehmen und der Polizei zu übergeben, befand er für nicht glaubhaft. Anders als von der Staatsanwaltschaft gefordert, erging die Verurteilung nicht wegen versuchten Totschlags. Hier hätten bis zuletzt Zweifel bestanden, so dass die Kammer im Zweifel des Angeklagten von einem Rücktritt vom Versuch ausgegangen sei. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Haft gefordert. Die Verteidigung hatte auf Freispruch wegen Notwehr plädiert. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Revision ist möglich.

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