Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Vorschläge stehen festStraßen in Ehrenfeld werden neu benannt – Kölner können abstimmen

Lesezeit 3 Minuten
Das Bild zeigt eine Straßenecke und ein Straßenschild in Ehrenfeld

Die Umbenennung steht bevor: Der Name „Wißmannstraße“ wird bald aus dem Stadtbild verschwinden.

Ab dem 2. Juni können Bürger für neue Namen von zwei Ehrenfelder Straßen stimmen. Darunter sind Widerstandskämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg. 

Nun wird es ernst für Gravenreuth- und Wißmannstraße, zumindest für deren Namen, die bald aus dem Straßenbild in Köln verschwinden sollen. Nachdem ein Gutachten von Professorin Marianne Bechhaus-Gerst ergeben hatte, dass die Namensgeber für „extensive koloniale Gewalt“ in Afrika standen, zeigte eine Öffentlichkeitsbeteiligung im vergangenen Jahr, dass eine Mehrheit der Anwohner die Umbenennung befürwortet.

Daraufhin verständigte sich ein Arbeitskreis der Ehrenfelder Bezirksvertreter auf sechs Namensvorschläge für jede Straße. Auf dem städtischen Beteiligungsportal „meinungfuer.koeln“ können die Bürger vom 2. bis zum 14. Juni darüber abstimmen, welchen Namen sie jeweils bevorzugen.

Radrennfahrer Albert Richter steht zur Auswahl für den neuen Straßennamen

Unter den sechs für die Umbenennung der Gravenreuthstraße vorgeschlagenen Namen sind allein fünf, die im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus stehen oder deren Träger Opfer der Nazis waren. „Möglichst weiblich“ sollten beide Listen sein, aber der in Ehrenfeld bekannteste Name darauf ist wohl der eines Mannes. Des Radrennfahrers Albert Richter nämlich, der 1940 an einem Grenzübergang in die Schweiz vermutlich von der Gestapo ermordet wurde. Mit Moritz Spiro steht ein zweiter Mann auf der Liste für die Gravenreuthstraße, er wurde in der Pogromnacht im November 1938 schwer misshandelt und starb im Jüdischen Krankenhaus.

Gedenktafel für die Edelweißpiraten an den Bahnbögen in der Bartholomäus-Schink-Straße.

Gedenktafel für die Edelweißpiraten an den Bahnbögen in der Bartholomäus-Schink-Straße.

Die Namen Friederike Greven und Cilly Servé verweisen auf den Widerstand aus dem Umfeld der Ehrenfelder Edelweißpiraten, Klara Caro gründete 1926 die Kölner Ortsgruppe des Jüdischen Frauenbundes und wurde in Theresienstadt ermordet. Mevlüde Genc schließlich gehörte einer anderen historischen Epoche an: Bei dem Brandanschlag von Solingen im Jahre 1993 verlor sie zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte, engagierte sich dennoch als Friedensbotschafterin für gesellschaftliche Versöhnung und erhielt dafür zahlreiche Ehrungen.

Zeitzeugen des Nationalsozialismus mit afrikanischen Wurzeln

Auf der Liste der Vorschläge für die Wißmannstraße sind die Männer sogar in der Überzahl. Theodor Wonja Michael und Mohammed Husen gehörten zu den wenigen Zeitzeugen des Nationalsozialismus mit afrikanischen Wurzeln. Michael arbeitete als Schauspieler, später als Journalist und Beamter des Bundesnachrichtendiensts und lebte bis zu seinem Tod in Köln. Auf der Grundlage seines Nachlasses wurde 2022 die erste Schwarze Bibliothek in Köln eröffnet.

Husen wurde im Ersten Weltkrieg in der Schutztruppe Deutsch-Ostafrika als Kindersoldat eingesetzt und kam 1929 nach Berlin, um ausstehenden Sold einzufordern. Er wurde 1941 von der Gestapo unter dem Vorwurf der „Rassenschande“ ins KZ Sachsenhausen eingeliefert und dort ermordet.

„Manga-Bell-Straße“ lautet ein weiterer Vorschlag, er bezieht sich auf Rudolf Manga Bell, den König von Kamerun, der wegen Widerstandes gegen die deutsche Kolonialmacht 1914 hingerichtet wurde. Hier soll der Vorname weggelassen werden, um dessen Gattin Emily in die Ehrung einzubeziehen. Fasia Jansen war eine politische Liedermacherin und Friedensaktivistin aus Hamburg, die den Nationalsozialismus trotz ihres afrikanischen Hintergrunds überlebt hatte, Audre Lorde eine US-amerikanische Schriftstellerin und Aktivistin, die sich für den Feminismus und gegen Rassismus engagierte. Sie weilte 1992 zur Zeit des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen in Deutschland und verfasste einen offenen Protestbrief an Helmut Kohl.

Auf dieser Liste fällt vor allem der Name Kenny Clarke aus dem Rahmen. Clarke war ein bedeutender Be-Bop-Schlagzeuger aus den USA und wurde berücksichtigt, weil sich mit dem „Loft“ in der Wißmannstraße einer der deutschlandweit renommiertesten Jazz-Clubs befindet.