Statt in der Innenstadt sammeln sich Drogensüchtige vermehrt vor St. Joseph nahe der U-Bahnhaltestelle Körnerstraße. Bürger und Politik schlagen Alarm.
Drogenszene KölnTreffpunkt verlagert sich an St. Joseph in Ehrenfeld

Vor St. Joseph an der Venloer Straße in Ehrenfeld treffen sich vermehrt Suchtkranke.
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In der Umgebung des Haupteingangs von St. Joseph belästigen drogenkranke und wohnungslose Menschen seit einiger Zeit immer wieder Passanten, schreibt ein Leser, außerdem rieche es dort häufig „nach Urin und Fäkalien, da die Nischen der Kirchenwand dazu dienen, sich zu erleichtern.“ Schon seit einigen Monaten seien diese Missstände zu beobachten: „Es scheint so, dass durch verstärkten Kontrolldruck in der Innenstadt diese per Bahn gut erreichbare Ecke ein Ausweichstandort geworden ist“, meint der Leser, der in der Nähe von St. Joseph wohnt.
Betroffen sind auch der Bereich um die Eingänge zum Supermarkt und zur Sparkasse auf der gegenüberliegenden Seite der Venloer Straße sowie die Zwischenebene und die Bahnsteige der U-Bahn-Haltestelle „Körnerstraße“ unterhalb dieses belebten Straßenabschnitts. Der Anwohner möchte ausdrücklich nicht Stimmung gegen Drogenabhängige und Wohnungslose machen. Schließlich handele es sich oft um „physisch und psychisch kranke Menschen“, und eine Lösung der Probleme sei sicher nicht leicht: „Wir würden uns aber doch wünschen, dass diese Situation zumindest mit den Mitteln der Sozialarbeit angegangen wird.“
Drogenszene verlagert sich nach Ehrenfeld
Eine Sprecherin der Stadt bestätigt die Vermutung des Lesers: „Das Aufsuchende Suchtclearing (ASC) des Gesundheitsamtes nimmt eine ,Verlagerung‘ der Drogenszene nach Ehrenfeld wahr.“ Dies sei laut den Aussagen von Drogenkranken auf das Pilotprojekt in der Innenstadt zurückzuführen. Dort sind seit Mitte März gemischte Streifen aus Polizeibeamten, KVB-Sicherheitskräften und Mitarbeitern des Ordnungsamts unterwegs, sie sprechen gezielt Drogenkranke und Wohnungslose an, vertreiben sie aus dunklen Ecken, bei Verstößen gibt's eine Verwarnung oder gar eine Anzeige.
Grund für das Projekt waren Beschwerden von Anwohnern und Geschäftsleuten. Die fühlen sich durch das zunehmende öffentliche Dealen und Konsumieren von Crack oder Heroin bedroht, und gut fürs Geschäft sind solche Verhältnisse natürlich auch nicht. Weil sich die Szene vor allem an zentralen Orten wie dem Neumarkt, dem Friesenplatz und dem Appellhofplatz trifft, finden dort auch die meisten Kontrollen statt. Unterhalb der drei Plätze befindet sich jeweils eine U-Bahn-Station der Linie 3 und 4. Die Züge fahren direkt zur Haltestelle „Körnerstraße“ im Zentrum von Ehrenfeld.
Streetworker kommen gezielt nach Köln-Ehrenfeld
Aufgrund dieser Verlagerung, so die Sprecherin der Stadt, sei das Aufsuchende Suchtclearing nun „verstärkt, drei- bis fünfmal pro Woche“, in Ehrenfeld unterwegs, „je nach Personalverfügbarkeit“. Das ASC ist ein Streetwork-Angebot der Drogenhilfe Köln gGmbH in Kooperation mit dem Gesundheitsamt der Stadt Köln, SKM Köln e.V. und dem Selbsthilfeverein Vision. So vermitteln die ASC-Mitarbeiter die Suchtkranken beispielweise an Beratungsstellen, in stationäre medizinische Versorgung und auch in Wohnprojekte.
Auch Bezirksbürgermeister Volker Spelthann hat die Situation längst auf dem Schirm, zahlreiche Bürger hätten ihn bereits angeschrieben, sagt er. Der Auslöser für die Missstände ist für ihn die „Tellerrand-Politik“ des Stadtrats, die drogenkranke Menschen aus der Innenstadt verdränge und dafür Probleme in den äußeren Bezirken in Kauf nehme: „Die Bürger wünschen sich aber ein gesamtstädtisches Konzept.“ Vor allem treibt Spelthann die Sorge um, rund um St. Joseph könnten sich die neuen Strukturen verstetigen, wenn dort etwa ein Hotspot für Dealer entstünde.
Ende Mai hatte der Grünen-Politiker Vertreter der Polizei, des Gesundheitsamts und des Ordnungsamts zum Fachgespräch geladen, auch Anlieger waren eingeladen, darunter Vertreter der Kirchengemeinde und der Sparkasse. Dabei lernte Spelthann, dass derzeit eine Crack-Epidemie grassiere: Der Konsum der Droge lasse die Betroffenen, anders als beim Heroin etwa, laut und hysterisch werden. „Das beeinträchtigt natürlich das Sicherheitsgefühl der übrigen Bürger ganz direkt. Als Bezirkspolitiker müssen wir aber auch dafür sorgen, dass die Geschäftsleute nicht geschädigt werden.“ Anhaltspunkte für eine Zunahme von gewalttätigen Auseinandersetzungen rund um St. Joseph lägen ihm derzeit aber nicht vor.
Die hat man auch bei der katholischen Kirchengemeinde St. Joseph und St. Mechtern nicht: „Aggressionen beobachten wir eigentlich nur bei den Betroffenen untereinander“, sagt Jutta Himmelsbach vom Kirchenvorstand. „Natürlich sind der Müll und die Fäkalien nicht schön, und manchmal behindern die Menschen auf den Stufen auch den Zugang zur Kirche. Aber wir verstehen uns ja als Anlaufstelle für Menschen in der Not und wollen an einer nachhaltigen Lösung der Probleme mitarbeiten.“
Das möchte auch die Grünen-Fraktion in der Ehrenfelder Bezirksvertretung. Auf der kommenden Sitzung am 30. Juni fordert sie Gesundheits- und Sozialausschuss per Antrag auf, sich mit der Situation in Ehrenfeld zu beschäftigen und den Drogenkranken „schnell, niedrigschwellig und respektvoll“ eine menschenwürdige Hilfe anzubieten, und zwar mit einer gesamtstädtischen Perspektive. Außerdem beantragen die Grünen, als Sofortmaßnahme temporäre Toiletten an der Kirche aufzustellen.
Volker Spelthann plant derweil eine öffentliche Informationsveranstaltung mit Vertretern der Verwaltung, sie soll möglichst noch vor den Sommerferien stattfinden. „Die muss aber gut vorbereitet werden, wir wollen ja nicht allgemein über die Drogenproblematik reden, sondern ganz konkret über die Situation an St. Joseph und wie man damit umgehen kann.“