Teile von Braunsfeld, Ehrenfeld und Müngersdorf werden zur „Weststadt“. Pläne für die Stadtentwicklung im Kölner Westen wurden jetzt präsentiert.
„Puzzle mit elf Teilen“Experten stellen Pläne für Kölner „Weststadt“ vor
Was haben die Kölner „Weststadt“ und Bielefeld gemeinsam? Beides gibt es nicht. Die Existenz Letzterer wird natürlich nur von einer satirischen Verschwörungstheorie geleugnet. Die „Weststadt“ in Köln ist aber tatsächlich nicht vorhanden – zumindest noch nicht. Doch es gibt einen Plan. Den Namen und das Zielbild, hat das Büro für Stadtentwicklung Must entwickelt. Die ersten Planungsansätze stellten Mitarbeiter der Stadt und der beauftragten Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus dem Stadtplanungsbüro Cityförster, dem Büro für Stadtentwicklung Urban Catalyst, dem Klimaexperten Happold und dem Verkehrsplanungsbüro SHP, bei einem ersten „Auftaktforum zur Entwicklungsplanung Weststadt“ im Bürgerzentrum Ehrenfeld öffentlich vor:
40 Einzelprojekte umfasst der Masterplan
Die Weststadt soll auf dem Gebiet zwischen Melatengürtel, Militärring, Aachener und Venloer Straße entstehen. Der Kölner Dezernent für Stadtentwicklung André Haack erläuterte den Grund für einen Masterplan: Auf dem Gebiet würden verschiedene Entwickler derzeit an 40 Projekten arbeiten. „So viele Projekte, wie das Max-Becker-Areal in einem vergleichsweise kleinen Raum in einer so kurzen Zeit lösen natürlich eine gewisse Dynamik und Veränderungsprozesse aus“, sagte Haack. „Es soll ein geordneter Prozess werden, sodass hier nicht die Investorenwalze durchrollt und wir hinterher den Stadtbezirk nicht wieder erkennen, sondern dass wir die vielen verschiedenen Identitäten, die wir in diesem Raum haben, beibehalten.“
Brigitte Scholz, Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, ergänzte: „Die Weststadt ist ein Puzzle, dessen Teile noch nicht zusammenpassen und auch noch nicht alle fertig geformt sind.“ Mit der Entwicklungsplanung wolle man sie zusammenführen. Die Arbeitsgemeinschaft hat elf Puzzleteile ausfindig gemacht, verschiedene Areale im Planungsgebiet, die sehr unterschiedlich sind: „Es gibt Gebiete wie das um den Helmholtzplatz und das Pauliviertel mit seiner Wohnstruktur, die bereits eine Veedelsstruktur aufweisen“, erläuterte Joana Podszus vom Büro Urban Catalyst. Aber dem Rest der Weststadt fehlten die Veedelsstrukturen noch.
Es seien dort unterschiedlichste Nutzungen vereint, die Entwicklung sehr dynamisch: „Hier wird ordentlich gefeiert“, so Podszus. „Es gibt Clubs, Sport-, Bildungs- und Ausbildungsstätten, Einkaufsmeilen wie die Venloer und die Aachener Straße mit Einzelhandel und Gastronomie. Es gäbe viel versiegelte Fläche und so gut wie keine Grünflächen. Deswegen sei es auch Ziel der Entwicklungsplanung, ein grünes Netz zu entwickeln, eine „Low-Line“, die von Ost nach West führt, die auch mit dem Fahrrad befahren werden könnte und wo sich Parkanlagen befinden, wie den Gleispark. Der öffentliche Nahverkehr sei lückenhaft, die Weststadt sehr autogerecht.
Investoren planen vor allem Büroflächen oder hochpreisiges Wohnen in Köln-Ehrenfeld
Lisa Iglseder von Cityförster fügte an: „Die Weststadt soll multimodal erreichbar sein, vernetzt und durchgrünt, lebendig und lebenswert und ein Experimentierraum für eine multifunktionelle und produktive Stadt, wo wir auch das Gewerbe sehen.“ Wie das genau umgesetzt werden soll, blieb aber noch offen. Beim Auftaktforum wurden zunächst die Bürger und Bürgerinnen zu ihrer Vorstellung von der Weststadt gefragt. Diese lobten das Vorhaben der Stadt, einen Plan für die Entwicklung der „Weststadt“ zu entwerfen, äußerten aber auch Kritik: „Das Thema Wohnen taucht nirgendwo bei Ihnen auf“, sagte Petra Bossinger, Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Ehrenfeld. „Köln wächst, aber junge Familien ziehen weg, weil sie sich das Wohnen nicht mehr leisten können.“
Auch die Mitglieder des „Rahmenplanungsbeirats Braunsfeld/Müngersdorf/Ehrenfeld“ äußerten Bedenken. Er setzt sich aus Bürgern und Bürgerinnen, Gewerbetreibenden und Entwicklern zusammen und berät seit 20 Jahren die Politik im Hinblick auf Bauvorhaben und Transformationsflächen in dem genannten Gebiet. Beiratsmitglied Almut Skriver schilderte ihre Erfahrungen: „Wir sehen, wie sich die Investoren auf die Flächen stürzen. Sehr viele sind schon verkauft.“ Es würden vor allem Büroflächen geplant oder hochpreisiges Wohnen. „Es wäre mein Wunsch“, so Skriver, „dass Flächen entstehen, wo junge Menschen sich ausprobieren können und bezahlbare Wohnungen finden. Und das sind Nutzungen, die von den Investoren leider nicht von selbst vorgeschlagen werden.“ Es sei die Aufgabe von Verwaltung und Politik, diese Räume einzufordern.
Hille Lammers vom Rahmenplanungsbeirat hielt genau das für schwierig: Die Planung sei nur für die Stadt bindend, aber nicht für die Investoren. „Die Investoren können und dürfen anders planen“, so Lammers, „und so gibt es einen harten Kampf bei jedem einzelnen Projekt darum, ob das durchgesetzt wird, was die Rahmenplanung vorsieht, oder das wirtschaftliche Interesse.“ Lammers nannte ein Beispiel: Die Low Line sei schon in der alten Rahmenplanung als Grünverbindung vorgesehen gewesen. „Mercedes hat dann gebaut, bis an die Bahngleise“, so Lammers, „und damit ist der im Rahmenplan vorgesehene Radweg, der von Norden nach Süden führen sollte und der auch in ihren Plänen wieder auftaucht, gar nicht mehr möglich.“ Die Stadt müsse auch bereit sein, die Ziele im Entwicklungsplan über Bebauungspläne abzusichern.