Wegen des „brutalen, menschenverachtenden Vorgehens“ zweier Offiziere des deutschen Reiches in Afrika hatte die Bezirksvertretung Ehrenfeld beschlossen, die Ehrung aufzuheben und die Straßen umzubenennen.
Nach Kolonialherren benanntNeue Straßennamen gesucht - Kölner können Ideen einbringen

Kriegsverbrechen beging Hermann von Wissmann als Vertreter der Kolonialmacht Deutschland in Ostafrika.
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Die Stadt Köln sucht neue Namen für die Wissmannstraße und die Gravenreuthstraße in Ehrenfeld. Beide sind bis heute nach Männern benannt, denen zahlreiche Kolonialverbrechen vorgeworfen werden: Hermann von Wissmann (1853-1905) und Karl Friedrich Freiherr von Gravenreuth (1858-1891). Sie waren in der Kaiserzeit von der Stadt Köln mit der Benennung einer Straße geehrt worden.
Wegen des „brutalen, menschenverachtenden Vorgehens“ der beiden Offiziere in Afrika hatte die Bezirksvertretung Ehrenfeld beschlossen, die Ehrung aufzuheben und die Straßen umzubenennen. Vom 15. bis 31. August findet dazu eine Öffentlichkeitsbeteiligung statt. Auf dem städtischen Beteiligungsportal oder per E-Mail können Namensvorschläge eingebracht, kommentiert und bewertet werden. Die Anwohner werden laut Stadt zusätzlich durch Postwurfsendungen informiert und können sich auch schriftlich beteiligen.
Die geplante Umbenennung ist Teil einer größeren Untersuchung. Seit 2021 wird das koloniale Erbe Kölns mit externer Hilfe in einem Projekt aufgearbeitet. Dazu gehört die Überprüfung von rund 1200 der etwa 6000 Kölner Straßennamen durch den Historischen Beirat, ein Gremium aus Historikern. Im Fokus steht dabei ein möglicher kolonialer oder NS-Hintergrund. Im Falle von Wissmann und Gravenreuth hatte der Beirat die Umbenennung empfohlen. „Beide Namen stehen für extensive koloniale Gewalt“, betont die Stadt.
Hermann von Wissmann, dessen Grab auf dem Kölner Melaten-Friedhof erhalten ist, stammte aus Frankfurt (Oder). Er war ein preußischer Offizier, der ab 1881 Expeditionen in Afrika unternahm, unter anderem im Kongo. Laut eines Gutachtens der Kölner Afrikanistik-Professorin Marianne Bechhaus-Gerst ist überliefert, dass Wissmann persönlich Afrikaner erschoss, die sich ihm in den Weg stellten.
Strategie der „verbrannten Erde“
Nachdem ihn Reichskanzler Otto von Bismarck 1888 mit der Niederschlagung von Aufständen in der deutschen Kolonie Ostafrika beauftragt hatte, wandte Wissmann als Erster in einem von Deutschen geführten Kolonialkrieg eine Strategie der „verbrannten Erde“ an. „Eroberte Dörfer wurden geplündert und in Brand gesteckt, umliegende Felder wurden verwüstet. Gefangenenexekutionen, Entführungen und Vergewaltigungen von Frauen, Plünderungen und Brandschatzungen waren an der Tagesordnung“, heißt es im Gutachten.
1890 beförderte Kaiser Wilhelm II. Wissmann zum Major und erhob ihn in den Adelsstand. In Köln heiratete er 1894 Hedwig Langen, Tochter des Zuckerfabrikanten Eugen Langen. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands ließ sich Wissmann 1896 in den einstweiligen Ruhestand versetzen. 1905 beging er mit seinem Gewehr Selbstmord. Die Stadt Köln hatte ihn bereits zu Lebzeiten, am 1. April 1888, mit einer Straßenbenennung geehrt.
Der in München geborene Karl Friedrich Freiherr von Gravenreuth, ein bayerischer Offizier und Forschungsreisender, war ab 1889 als Kompanieführer der „Wissmann-Truppe“ maßgeblich an den Kriegsverbrechen in Ostafrika beteiligt. Er kaufte Sklaven und setzte sie als Zwangsarbeiter und Soldaten ein. 1891 wurde er als Anführer einer Söldnertruppe mit einer Strafexpedition in Kamerun betraut. Er starb am 5. November 1891 bei Gefechten vor der Stadt Buea durch einen vergifteten Speer. Kurz nach seinem Tod benannte die Stadt Köln am 30. Dezember 1891 eine Straße nach ihm.
Weitere 15 Straßen werden geprüft
Neben der Gravenreuth- und der Wissmannstraße hat die Stadt Köln im Rahmen des laufenden Projekts die Umbenennung einer weiteren Straße beschlossen: Die Lerschstraße, benannt nach Heinrich Lersch, einem Dichter der NS-Zeit, wird umbenannt in Adele-Gerhard-Straße.
In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Umbenennungen. Aufgrund ihres kolonialen Hintergrundes wurden 1990 in Nippes die Carl-Peters-Straße in Namibiastraße und 1991 die Lüderitzstraße in Usambarastraße umbenannt. Wie die Stadt auf Anfrage mitteilte, wurde zudem Ende der 2010er-Jahre ein NS-Zusammenhang bei dem ehemaligen Kölner Oberstadtdirektor Heinz Mohnen festgestellt. Ein 2010 nach ihm benannter Platz in Sülz wurde umbenannt in Platz der Kinderrechte.
Im Jahr 2020 wurde auch eine 2007 nach dem Luftfahrtpionier Carl August von Gablenz benannte Straße in Deutz umbenannt. Sie trägt heute wieder ihren vorherigen Namen „An den Gelenkbogenhallen“. Begründet wurde die Umbenennung mit einem Gutachten des NS-Dokumentationszentrums, wonach „sich von Gablenz seit 1933 willig in den Dienst des NS-Regimes stellte“. Die frühere Heinrich-Lersch-Straße in Neubrück wurde 2019 in Käthe-Schlechter-Straße umbenannt.
Nach Angaben der Stadt wurden bislang elf Straßennamen geprüft und begutachtet, 15 weitere sind in der Bearbeitung. Empfehlungen zur Umbenennung gibt es etwa für die Gustav-Nachtigal-Straße in Nippes, die Mohrenstraße in der Innenstadt und die Ostlandstraße in Weiden. Bei der Hermann-Löns-Straße in Porz empfiehlt der Beirat eine „kritische Kontextualisierung“, sprich ein Erläuterungsschild.
Vorschläge für neue Straßennamen können Bürger bis 31. August per E-Mail an umbenennung-ehrenfeld@stadt-koeln.de schicken oder über das städtische Meinungsportal einreichen.