Verkehrsversuch Venloer StraßeZiehen jetzt die Richter einen Schlussstrich?

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Auf der Venloer Straße protestieren viele Händler und Gastronomen.

Dem Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit setzte nach einer Klage aus Reihen der dortigen Händler das Verwaltungsgericht ein Ende. Droht nun das Gleiche für den Verkehrsversuch auf der Venloer Straße?

Eigentlich sollte es dieses Mal anders laufen. Seit vergangenem Oktober befindet sich der Verkehrsversuch auf der Venloer Straße mit einer Einbahnstraßenregelung in seiner zweiten Phase. Und nachdem der Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit im vergangenen Jahr für viel Streit sorgte und nach einem Gerichtsurteil beendet werden musste, zeigte sich Kölns Mobilitätsdezernent Ascan Egerer geläutert: Die Fehler von Deutz sollten sich in Ehrenfeld nicht wiederholen, Bürger und die Händler dieses Mal besser mitgenommen werden. Doch das hat wohl nicht funktioniert. Wie auf der Deutzer Freiheit so wird nun auch in Ehrenfeld aus den Reihen der Händler der Rechtsweg beschritten. Der Berliner Anwalt Marcel Templin bestätigt der Rundschau, dass er vor wenigen Tagen dazu die Vollmacht erhalten habe. Templin hat bereits der Klage der Deutzer Händler zum Sieg verholfen.

Auch die Inhaberin eines Friseursalons hat das Protest-Plakat ausgehängt, das nun in vielen Geschäften und Restaurants auf der Ehrenfelder Straße zu sehen ist. Der Verkehrsversuch müsse sofort gestoppt werden, ist darauf zu lesen. Doch auch wenn sie sich damit offen gegen die neue Einbahnstraßenregelung stellt, ihren Namen will sie lieber nicht nennen. Warum, wird noch während des Gesprächs mit ihr klar. Ein Passant klopft an die Scheibe und macht mit Gesten überdeutlich, dass er das Plakat missbilligt. „Ich will den Verkehrsversuch nicht verteufeln. Klar, für Radfahrer ist das jetzt hier besser. Aber mit uns Geschäftsleuten ist nie darüber geredet worden, höchstens mal ein Flyer in der Post“, sagt die Inhaberin.

Umsatzeinbußen von 30 Prozent

Nun will sie eine Diskussion anstoßen: „Denn seit vergangenen Oktober, seit dem Start der zweiten Phase, verzeichne ich Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent.“ In der Corona-Pandemie seien es zehn Prozent gewesen. Und sicherlich habe auch die zurzeit schwierige wirtschaftliche Lage ihren Anteil an den Einbußen. „Aber die desaströsen 30 Prozent seit Oktober kann ich nur auf den Verkehrsversuch zurückführen.“ Ältere Kundinnen und Kunden könnten nun noch schwer mit dem Auto zu ihrem Salon vordringen. „Die müssen nun einmal um den Pudding fahren.“ In der parallel verlaufenden Vogelsanger Straße staue sich darum alles. Die Kosten für ein Taxi seien dadurch zu hoch. So sehr sie Verständnis für die Fahrradfahrer habe: „Es muss doch eine Lösung gefunden werden, mit der alle Leben können.“

Mit der zweiten Phase des Verkehrsversuches ist noch nicht Ruhe eingekehrt auf der Venloer Straße.

Wenige Hausnummern weiter: „Auf der Venloer gibt es durch die Einbahnstraße mehr Ruhe, aber ist es das wert, dass wir wirtschaftlich kaputt gehen“, fragt der Betreiber eines Geschäfts für Bürobedarf. Minus 20 Prozent, lautet seine Rechnung seit Oktober. „Das geht noch, andere haben 40 Prozent.“ Der größte Fehler bei der Versuchsanordnung aus seiner Sicht: „Der Verkehrsfluss läuft in die falsche Richtung.“ Der meiste Verkehr sei früher stadtauswärts gerollt. Stadteinwärts bringe die Einbahnstraße vielleicht mehr Ruhe, ihm aber zu wenige Kunden. Die Kritik und die Sorgen ziehen sich quer durch die Geschäftswelt. Ob in einer Reinigung, einem Handyladen oder in Gastrobetrieben. Selbst in einem Vegan-Restaurant, das oberflächlich betrachtet der Fahrradszene nahe stehen könnte, hängt das Protestplakat.

„Und wenn ich mich beschimpfen lassen muss“

Eine wichtige Stimme des Protestes ist Ewa Gorissen, Fachapothekerin. „Wir sind hier alle betroffen, aber wir wurden nicht involviert“, sagt sie für die Geschäftswelt auf der Venloer Straße. Ihr Lebenspartner habe Unterschriften gesammelt. „80 Prozent der Geschäftsleute haben sich beteiligt.“ Auch sie beklagt Einbußen von 30 Prozent. Ihre Apotheke hat einen umfangreichen Notdienst, ein großes Medikamentenlager und über 30 Angestellte. Ihre Kunden kämen auch aus dem Umland. Bevor sie noch mehr Geld verliere, vielleicht Angestellte entlassen, oder das Lager verkleinern müsse, wolle sie lieber den Rechtsweg gehen. Auch wenn sie sich dafür beschimpft werde. „Dann verdiene doch dein Geld mit den Autofahrern“, habe ihr jüngst eine Kundin entgegengeschleudert, die nun nicht mehr kommen wolle.

Rechtsanwalt Marcel Templin wurde gerade erst mit dem „Fall“ Venloer Straße betraut. Noch ist er mit dem Aktenstudium beschäftigt. Doch mit der Thematik ist er grundsätzlich vertraut. Vor der Deutzer Freiheit hat er in Berlin bereits erfolgreich für Geschäftsleute auf der Friedrichstraße gestritten. So viel kann er zu seinem neusten Mandat aber schon sagen: „Es gibt in Köln eine sehr, sehr große Häufung von solchen Problemen in Straßen.“

Die Seitenstraße der Venloer Straße werden stärker belastet.

Dass es nun auch auf der Venloer Straße soweit gekommen ist, dafür hat Christoph Schmidt vom ADFC Köln kein Verständnis. Vor allem nicht für das Argument der Geschäftsleute, sie seien nicht beteiligt worden. „Der Vorschlag einer Einbahnstraße steht seit Jahren in dem Radverkehrskonzept für Ehrenfeld. Es gab mehrere Bürgerbeteiligungen, jeder konnte daran teilnehmen. Erst kürzlich gab es eine Infoveranstaltung dazu im Bezirksrathaus, da gab es keine negative Stimme.“ Aus seiner Sicht hatten die Händler die Chance zur Beteiligung, sie hätten sie nur nutzen müssen.

„Alle Geschäftsleute aufgesucht“

So sieht das auch die Stadtverwaltung. Im Oktober seien alle Geschäftsleute auf der Venloer Straße aufgesucht, Informationsmaterial verteil und E-Mail-Adressen aufgenommen worden. Bereits im Vorfeld sei mit IHK und Handwerkskammer ein Verfahren zur Partizipation der Gewerbetreibenden entwickelt worden. „Mit dem in Vorbereitung befindlichen und in Kürze startenden Beteiligungskonzept bietet die Stadt demnächst ein Medium an, bei dem sich Betroffene vor Ort aktiv in die Diskussion einbringen können. Diese Einladung gilt ohne Einschränkungen, insofern auch für die Geschäftstreibenden vor Ort“, so der Sprecher.

Nach dem Deutzer Debakel hat Egerer erwogen, die Umsatzentwicklung betroffener Händler vor und während des Versuchs in den Blick zu nehmen. Eine Umsatzerhebung habe im Vorfeld nicht stattgefunden, sagt die Verwaltung nun. Aber gemeinsam mit der IHK gehe man dieses Thema an. Auch stehe man im Austausch mit einer Universität, um zu ergründen, welche Möglichkeiten es für die Bewertung einer Geschäftsentwicklung gebe. Der drohenden Klage sieht das Mobilitätsdezernat gelassen entgegen: „Die Situation ist mit der Deutzer Freiheit nicht vergleichbar. Denn es handelt sich um unterschiedliche Maßnahmen, die an unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen geknüpft sind. Der Versuch für die Venloer sei fundiert beurteilt worden und entspräche den Erfordernissen der Straßenverkehrsordnung.