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Mordversuch in Köln
Anklage kommt nach 35 Jahren

Man sieht den Angeklagten, der sich hinter einem Ordner verbirgt, neben ihm sein Verteidiger.

Verhandlung im Cold-Case-Fall Ehrenfeld: Der Angeklagte und sein Verteidiger Jan Viktor Khatib bei der Verhandlung im Kölner Gericht.

35 Jahre nach der Tat wird in Köln der Fall eines versuchten Mordversuchs verhandelt. DNA-Rückstände hatten die Cold-Case-Ermittler auf die Spur des heute 56 Jahre alten Mannes gebracht. 

Helmut Kohl war noch Bundeskanzler, bezahlt wurde in D-Mark, und im Sturm des 1. FC Köln liefen die Allofs-Brüder Klaus und Thomas auf: Über 35 Jahre ist das alles her, so wie auch ein Verbrechen, das lange als „Cold Case“ — ein kalter, unlösbarer Fall — galt, der aber seit Dienstag das Landgericht in einem Aufsehen erregenden Prozess beschäftigt. Versuchter Raubmord lautet der Anklagevorwurf gegen einen 56-Jährigen.

Im Mai 1987 soll er einem 50-Jährigen in dessen Wohnung auf der Subbelrather Straße einen Pokal über den Kopf gezogen und ihm mehrere hundert D-Mark entwendet haben. Skurriles Detail: Das Verfahren gegen den 56-Jährigen wird vor der 4. Großen Strafkammer als 1. Große Jugendstrafkammer verhandelt, weil der damals 20-Jährige noch Heranwachsender war. Darum sitzt auf Seiten der Anklage auch eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, die in dem Verfahren den Reifegrad des Adoleszenten machen muss.

Mit Pokal auf den Kopf geschlagen

Laut Anklage sollen das spätere Opfer und der Angeklagte sich am Abend des 24. Mai in der Kneipe „Zur alten Post“ auf der Subbelrather Straße kennengelernt und später ins „Haus Tutt“ auf dem Ehrenfeldgürtel weitergezogen sein. Weil der 50-Jährige aber dem Alkohol stark zugesprochen haben muss, soll der Wirt im „Haus Tutt“ irgendwann kein Bier mehr herausgegeben haben. Doch der Bierdurst der Männer war der Anklage zufolge noch nicht gestillt, weshalb in der Wohnung des 50-Jährigen gegangen seien, um weiter zu trinken. Dort soll der Angeklagte dem 50-Jährigen schließlich mit „einem Pokal mehrfach wuchtig auf den Kopf“ geschlagen haben, wie es in der von Oberstaatsanwalt Bastian Blaut verlesenen Anklage heißt. Anschließend soll er „mehrere hundert D-Mark“ aus Portemonnaie und Bettkasten entwendet und den Geschädigten mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen „seinem Schicksal überlassen“ haben. Dabei soll ihm aber bewusst gewesen sein, „dass sein Opfer nach der Tathandlung versterben könnte“.

Opfer dem Schicksal überlassen

Wie die Staatsanwaltschaft nach der Festnahme mitteilte, musste das Opfer nach dem Angriff neu sprechen lernen. Der Angeklagte, der laut Rundschau-Informationen lange in der Gastronomie tätig war und zuletzt als Köbes in einem Brauhaus in der Innenstadt arbeitete, folgte interessiert der Anklageverlesung. Angaben zu den Vorwürfen und seinem Lebenslauf machte der Mann nicht. Verteidiger Jan Victor Khatib sagte, sein Mandant werde sich schweigend verteidigen.

Im vergangenen Oktober hatte eine DNA-Spur auf der mutmaßlichen Tatwaffe, sowie an einer Zigarettenkippe in einem Aschenbecher in der Wohnung des Geschädigten zur Verhaftung des Angeklagten geführt. Zuvor hatte sich die Kölner Ermittlungsgruppe „Cold Cases“ den Fall nochmal zur Brust genommen und lange verschollene Asservate — wie die Kippen und zwei blutverschmierte Pokale, zur forensischen DNA-Analyse ans Landeskriminalamt nach Düsseldorf geschickt. Das Ergebnis: Ein Treffer in der DNA-Datenbank. Dort war das Erbgut des Angeklagten hinterlegt, weil er schonmal strafrechtlich in Erscheinung getreten sein muss. Weshalb, das blieb zunächst unklar. Dem Vernehmen nach muss die Tat so lange zurückliegen, dass sie nicht mehr im Bundeszentralregister für Vorstrafen aufgeführt wird. Der Prozess wird fortgesetzt. Dann sind mehrere Zeugen geladen, unter anderem sollen pensionierte Kölner Mordermittler vor Gericht aussagen.

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