„Ein Bierchen vorher ist nicht drin“Wie Köbes Underground die Session durchhält

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Abends macht er Musik bei den Stunkern, am Tag arbeitet er als Psychologe: Ecki Pieper ist Bandleader von Köbes Underground.

  • Abends macht er Musik bei den Stunkern, am Tag arbeitet er als Psychologe: Ecki Pieper ist Bandleader von Köbes Underground.
  • Mittlerweile hat er seinen Job auf zehn Stunden in der Woche reduziert und konzentriert sich mehr auf die Musik.
  • Aufgeregt ist er vor den großen Shows mittlerweile nicht mehr!

Köln – Im Foyer des E-Werks ist es noch leer. In einer Stunde wird hier in Mülheim die Stunksitzung beginnen. Vorher jedoch gibt Ecki Pieper, ganz zivil in Hemd und Jeans, noch gut gelaunt ein Interview.

Welchen Ruf haben Sie in Ihrer alten Heimat Anröchte?

Zunächst mal heiße ich dort nicht Ecki, sondern Piepers Eckhard. Ich habe da früher sehr viel Jugendarbeit gemacht und war bei den Jusos, im Fußball- und im Tischtennisverein. „Aber heute sieht man dich ja nur noch im Fernsehen“, sagen die Anröchter.

Zur Person:

Ecki Pieper wurde 1960 in Anröchte, Kreis Soest geboren. In seiner Jugend engagierte er sich bei den Jusos und im Jugendzentrum, außerdem spielte er Fußball und Tischtennis im Verein. Zum Studium kam er 1979 nach Köln.

Seit 1991 arbeitet der Diplom-Psychologe für den Kölner Verein Zartbitter, der sich dem Kampf gegen sexuelle Gewalt widmet. Seit 1987 ist Köbes Underground die Hausband der 1984 etablierten Stunksitzung. Neben seiner Funktion als Bandleader ist Pieper auch an vielen Bühnennummern beteiligt. Bis zu 18 Mal pro Abend wechselt er sein Kostüm.

Nach vielen Jahren in verschiedenen Kölner Stadtvierteln lebt er seit 2007 mit Frau Maja und dem jüngsten seiner drei Söhne Florian in einem Haus des Spar- und Bauvereins Solingen in einem Vorort der Stadt.

Sind Sie dort der Star, der es in der großen Stadt geschafft hat?

Mein Sohn sagt eher: Du bist regional bekannt. (lacht)

Die Tageszeitungen dort heißen „Die Glocke“ und „Der Patriot“.

Ja, nicht schlecht, oder? Das Tollste ist, das fällt gar keinem mehr auf. „Das stand im Patriot“ ist so selbstverständlich wie: „Gibt es bei Edeka.“

Warum muss man aus Anröchte weg, wenn man jung ist?

Studieren kann man in Paderborn. Da wird man entweder Computerexperte bei Nixdorf oder geht ins Priesterseminar. Das liegt übrigens direkt neben dem Schwimmbad, das deswegen Zölli-Bad genannt wird. Ich bin wegen einer Radiosendung nach Köln gegangen: „Radiothek im WDR“, mit Mal Sondock. Die fand ich so grandios, dass Köln die Stadt war, in der ich leben wollte.

An welche Geräusche oder Gerüche erinnern Sie sich im Zusammenhang mit Ihrer Jugend?

Ich bin ein Feuerwehrkind, wir wohnten im neugebauten Feuerwehrhaus. Der Pferdefuß war, dass meine Eltern dort am Wochenende für den Feuerwehrdienst zuständig waren. Hinter unserem Fernseher gab es einen Knopf, auf dem „Sirene“ stand, und unsere Telefonnummer war 456. Der Sound der Sirene auf unserem Dach und der Geruch der Schläuche sind mir bis heute sehr vertraut.

Haben Sie etwas gelernt dabei?

Nach den Einsätzen habe ich alle Fahrzeuge eingeparkt. Ich kann einen Trecker samt Anhänger rückwärts einparken, kein Problem.

Sie sind vom Fußball zum Tischtennis gewechselt. Wieso?

Mit 13, genau. Ich war Torwart. Eines Tages bekam ich einen nassen Ball, voll mit Dreck und Asche, mitten ins Gesicht. Auf den Ascheplätzen bei uns stand das Tor eigentlich immer auf einer riesigen Pfütze. Als Kind habe ich deshalb jahrelang geglaubt, der Keeper heiße „Torbad“. Ganz im Ernst! Tischtennis war vergleichsweise weniger anstrengend, eine Saison haben wir sogar in der zweiten Liga gespielt.

Hatten Sie eine Schülerband?

Die hieß Opus, lange bevor die gleichnamige Band „Life is Life“ rausbrachte. Unseren Trommler haben wir beim örtlichen Tambourkorps abgeworben, der hat dann von der dicken Trumm auf Schlagzeug umgeschult. Wir waren schon die beste Band von Anröchte, obwohl das nicht allzu viel heißt.

Waren Sie Hippies?

Vor allem waren wir brav. Direkt vom Messdienergewand ins autonome Jugendzentrum gerutscht. Ich glaube, unsere Musik würde man heute wohl Krautrock nennen.

Wie sind Sie mit dem Karneval in Kontakt gekommen?

Vom Jugendzentrum aus haben wir mal einen Umzug organisiert. Wir haben die Musikbox der örtlichen Kneipe auf einen Anhänger gehievt. Bei der Bank haben wir uns zwei Hände voll 50-Pfennig-Stücke besorgt und sind von Haus zu Haus gefahren. Das Verlängerungskabel kam dann jeweils in die Steckdose im Flur. Die Leute durften sich zwei Lieder wünschen und mussten uns dafür was zu trinken geben. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir nur zwei Straßen geschafft.

Ist Köbes Underground eine Karnevalsband?

Nein, eine Karnevalsband ist für mich eine, die von Saal zu Saal zieht, immer dieselben vier, fünf Songs spielt und versucht, sich dabei nicht zu erkälten. Wir begleiten eine Polit- und Musikkabarettsitzung – die Stunksitzung.

Sie absolvieren inzwischen dutzende Shows pro Session. Wird das nicht langweilig?

Mir nie! Das Publikum ist jeden Tag anders, das finde ich unglaublich spannend. Rudi Carrell hat mal über Harald Schmidt gesagt: Der wird niemals ein großer Showmaster, weil er sein Publikum nicht liebt. Ich liebe mein Publikum! Und inzwischen kommen auch häufig Gruppen aus den umliegenden Neue-Medien-Zentralen hier in Mülheim, die bringen frischen Wind in den Saal.

Statt 60-jährigen Grünen mal 20-jährige FDP-Wähler im Stunksitzungs-Publikum ist auch nicht schlecht?

Genau, solange sie nicht aus Thüringen kommen . . . (lacht)

Jenseits von Köbes Underground arbeiten Sie bei Zartbitter, einem Verein gegen sexuellen Missbrauch. Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus?

Nach der Stunksitzung komme ich gegen 2 Uhr ins Bett. Heute Morgen bin ich um Viertel nach Sieben aufgestanden und zu einer Schule gefahren. Dort haben wir einen Workshop namens „Fair ist cool“ durchgeführt. Da teilen wir die Klassen in Mädchen und Jungs auf und informieren etwa über Jugendlichenrechte, Mobbing und sexuelle Gewalt.

Warum brauchen wir Institutionen wie Zartbitter?

Weil es leider sehr viele Übergriffe gibt unter Jugendlichen. Die Zahlen zu sexueller und körperlicher Gewalt sind laut jüngsten Studien wirklich erschreckend. Nehmen wir nur das Manipulieren und Posten von Fotos in den elektronischen Medien. Ich bin über dreissig Jahre dabei und habe gelernt: Alles, was man sich vorstellen kann, gibt es auch!

Schon mal überlegt, von der Musik zu leben?

Das tue ich schon! Bei Zartbitter habe ich vor zwei Jahren auf zehn Stunden die Woche reduziert, der Rest gilt der Musik.

Ihre Band ist eine kölsche Institution, bringt aber keine eigenen Alben heraus.

Ganz ehrlich: Die Popmusik kann man nicht neu erfinden, und ich habe keine Lust, so zu tun, als ob. Würden wir etwas selbst komponieren, wäre es vielleicht gut, aber vermutlich nicht besonders. Wir sind eine Coverband, aber spielen nichts nach. Weil wir aus jedem Song unser ganz eigenes Ding machen, musikalisch und textmäßig.

In wenigen Minuten beginnt die Show. Sie wirken ausgesprochen entspannt.

Lampenfieber habe ich nicht mehr. Aber da wir ohne Teleprompter und Ähnliches arbeiten, sind die ersten Shows natürlich immer eine echte Herausforderung. Da sind schon ein paar Texte bei, die man sich nicht mal eben draufschafft. Ich habe durchaus schonmal was versemmelt, etwa eine ganze Strophe vergessen. Man muss sich so fit machen, dass man seine Texte jederzeit auch im Halbschlaf herunterbeten kann. Auswendig lernen reicht nicht, man muss die Texte automatisieren. Bei mir ist das meistens erst so nach der zehnten Sitzung der Fall. Bis dahin muss man sich echt konzentrieren, ein Bierchen vorher ist da nicht drin.

Worauf freuen Sie sich gleich auf der Bühne?

Zwei Nummern liegen mir besonders am Herzen. Das ist der kölsche Can Can mit seinem sehr lustigen, auch schwierigen Text. Und dann der Auftritt als Tambourkorps, weil ich dabei eine Laserharfe spielen darf: Zwölf Strahlen gehen zur Decke hoch, und wenn ich einen davon unterbreche, wird der Ton erzeugt.

Nächste Termine im WDR-Fernsehen: Donnerstag, 20.2., 22.10 Uhr: „Stunksitzung 2020“. Danach 23.40 Uhr: „Die schönsten Lieder aus der Stunksitzung   33 Jahre Köbes Underground“, Nacht von Samstag auf Sonntag, 22./23.2., 1 bis 4 Uhr: Die lange Stunksitzung 2020

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