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Ein Kölner Jockey erzähltWie es sich anfühlt für einen Scheich in Katar zu reiten

Lesezeit 4 Minuten
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Der Reiter des Königs: Marvin Suerland hat als Jockey in Katar gearbeitet.

  1. Seit er 15 Jahre alt ist hält Marvin Suerland immer wieder eine strenge Diät ein.
  2. Doch: Der Rennsport ist seine ganze Leidenschaft.
  3. Wie sein Leben abläuft und wie sein Traumberuf in der Realität aussieht, davon erzählt er unserer Autorin Julia Brand.

Köln – Eigentlich wollte Marvin Suerland Profi-Fußballer werden, spielte in seiner Jugend beim 1. FC Köln. Doch dann beginnt der Kölner eine Ausbildung zum Pferdewirt, wird Jockey und landet in Katar, wo er für den berühmten „Al Shaqab“-Rennstall des Königshauses antritt.

Sein erstes Rennpferd bekommt er mit 15 Jahren, zu Weihnachten, nachdem er den Fußball gerade an den Nagel gehangen hat. Er hängt sich mit vollem Elan in den neuen Sport: Schon morgens vor der Schule heißt es anderthalb Stunden trainieren. Der wirklich harte Teil jedoch liegt woanders: „Seit ich 15 war, habe ich Diät gemacht, bin jeden Tag laufen gewesen“, erzählt er. Je leichter der Jockey, umso flotter das Pferd. Pro verlorenem Kilo um eine Pferdelänge, heißt es. Ein bis zwei Tage vor einem Rennen ist Fasten angesagt.

Mehr als 56 Kilo Körpergewicht gehen nicht

Zwei Mal in der Woche geht es im Thermoanzug in die Sauna, um noch möglichst viel überflüssiges Gewicht auszuschwitzen. 56 Kilogramm sind für einen Jockey schon oberste Schmerzgrenze. Für den 176 cm großen Marvin ist dieses Gewicht nur mit Entbehrungen zu halten. Der Rennsport ist seine ganze Leidenschaft. Dafür nimmt er die Strapazen gerne in Kauf. Rund sieben Rennen pro Tag absolviert er als Jockey an zwei Renntagen pro Woche.

Doch die Situation im deutschen Rennsport sei schwierig. Pferderennen seien „der schlecht bezahlteste Sport der Welt“, sagt Marvin. In Deutschland verdienen nur die Top-Ten-Jockeys gut. Bei allen anderen bleibt am Ende des Tages nicht viel Geld übrig. Pro Rennen gibt es 50 Euro Startgeld. Kleinere Rennen sind bis 2000 Euro dotiert. Von der Siegesprämie bekommt der Jockey jedoch nur fünf Prozent, der Rest geht an den Pferdebesitzer. Es rechne sich nicht mehr, quer durchs ganze Land zu fahren, um bei Rennen anzutreten. Das Problem: Viele Rennbahnen schließen, weil sie keine Wettumsätze mehr machen. Das bekommen auch die Jockeys zu spüren.

Kein einfacher Start in Katar

Nach den ersten erfolgreichen Rennen in Deutschland fragt ein befreundeter Trainer Marvin, ob er mit nach Katar komme. Obwohl er von Land und Leuten „positiv überrascht“ ist, sind die ersten beiden Jahre in dem Wüstenstaat nicht einfach. „Ich habe kein einziges Rennen gewonnen“, erzählt er. Ab der dritten Rennsaison läuft es besser. Endlich gewinnt er die ersten Rennen, knüpft Kontakte, kann bessere Pferde reiten. Rund 400 Rennen macht er pro Saison von Oktober bis April, schafft es schließlich bis in den staatlichen Rennstall des Königshauses „Al Shaqab Racing“, einer der besten der Welt. „Es gab viele schöne Momente.“ Morgens bei Sonnenaufgang auszureiten, die Kameradschaft unter den Jockeys, die vielen Reisen in unterschiedliche Länder. „Ich habe Freunde auf der ganzen Welt gefunden“, sagt er.

Erfolgreich: Marvin Suerland in Katar.

Nun mit 33 Jahren geht er als Jockey in Rente. In Teilzeit-Rente zumindest. Dieser Winter ist der erste seit 12 Jahren, den er in der Heimat verbringt. Gemeinsam mit seinem Bruder will Marvin eine Gaststätte in Merkenich aufbauen. Gutbürgerliche Küche. Er vermisst es schon ein wenig, das Leben als Jockey. Aber er ist froh, diese Zeit „ohne größere Blessuren“ überstanden zu haben. Zwei seiner Kollegen sitzen nach Rennunfällen im Rollstuhl. Suerland selbst hat seit einem Reitunfall keine Milz mehr. Das Pferd brach aus, er stürzte schwer. „Ellbogen, Schlüsselbein, Rippen – war alles schon mal gebrochen“, erzählt er.

Fünf Tage nach dem Schlüsselbeinbruch saß er wieder im Sattel. „Für einen Jockey gibt es nichts Schlimmeres, als außer Gefecht zu sein.“

Er wird dem Pferdesport nicht den Rücken kehren

Trotz aller Verletzungen, den Diäten und den tausenden Kilometern auf der Autobahn würde Marvin rückblickend alles nochmal genauso machen. Ganz wird er dem Pferdesport nicht den Rücken kehren: „Größere Rennen und die Kölner Renntage werde ich immer noch mitnehmen“, sagt er. Er freut sich auf die neue berufliche Herausforderung in der Gastronomie. Auch wenn er mit ein wenig Sehnsucht an das schöne Wetter und die „netten und lockeren“ Menschen in Katar zurückdenkt. An die kalten Kölner Winter muss er sich erst wieder gewöhnen.