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„Ein unbeschreibliches Gefühl“So funktioniert inklusive Arbeit mit Robotern

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Der Greifarm hält Alexandra Schmitz die Dichtungsringe zur Kontrolle hin. Sie nennt ihn liebevoll „Terminator“.

Köln-Ossendorf – „Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als ich zum ersten Mal mit dem Roboter gearbeitet habe“, sagt Alexandra Schmidt. „Vorher habe ich jahrelang hier nur rumgesessen“, fügt die 26-Jährige hinzu, die im Gut Frohnhof in Ossendorf beschäftigt ist. Nun ist sie das Werbe-Gesicht auf dem Faltblatt „Next Generation – Mit flexiblen Roboterlösungen inklusive Arbeit entwickeln“.

Nach drei Jahren ist das Projekt der RWTH Aachen, Fachhochschule des Mittelstands (FHM) und Caritas-Wertarbeit so weit abgeschlossen, dass Alexandra Schmidt endlich einem Beruf nachgehen kann. Sie ist Qualitätsprüferin für ein Partnerunternehmen der Caritas-Wertarbeit, das Metall-Dichtungsringe herstellt.

Computergesteuerter Greifarm

Der Roboter ist ein computergesteuerter Greifarm. In ansprechendem Industrie-Design: Die abgerundeten Formen sowie das Orange und matte Silbermetallic der Verkleidung erinnern an die Handschrift von Luigi Colani. „Soll das nächste Bauteil kommen?“, fragt eine sanfte weibliche Stimme aus dem Computer-Lautsprecher. Alexandra Schmidt drückt den grünen Knopf neben ihrem Rollstuhl. Die zangenähnliche Armspitze greift einen Metall-Dichtungsring aus der Kiste neben dem Arbeitstisch und schwenkt das Teil hinüber vor ihre Augen.

„Starte jetzt mit der optischen Prüfung“, weist die Stimme an. Auf Knopfdruck dreht der Arm das Teil. „Was Risse hat, muss ich aussortieren“, erklärt Alexandra Schmidt. Heißt: Sie gibt den Befehl, kaputte Teile im roten Kästchen abzulegen, einwandfreie im grünen.

„Welche Wünsche und Ängste verbinden sie mit dem roboterassistierten Arbeiten?“

Durch den RWTH-Professor Dr.-Ing. Mathias Hüsing, der selbst eine mehrfach behinderte Tochter hat, lernte Matthias Grote, Leistungsbereichsleiter Arbeit und Beschäftigung, Leichtbauroboter kennen. „Aber nur über den Einsatz in der Produktion nachzudenken, wäre uns zu wenig gewesen. Wir überlegten, wie ein Roboter zu einem Assistenzsystem werden kann, das körperlich begrenzte Möglichkeiten von Menschen erweitert“, so Grote.

Deshalb spielten die Teilnehmenden bei der Projektentwicklung eine entscheidende Rolle. „Welche Wünsche und Ängste verbinden sie mit dem roboterassistierten Arbeiten? Welche Fähigkeiten bringen sie mit? Welche Ideen haben sie? Welche Perspektiven sehen sie für sich?“, zählt FHM-Professorin Dr. Nicole Stollenwerk Fragen auf, die durch das dreijährige Projekt beantwortet werden sollten.

„Der Roboter beruhigt mich“

Für Alexandra Schmidt sind durch die Projekt-Mitwirkung die Zeiten der ständigen Unterforderung ihrer persönlichen kognitiven Fähigkeiten vorbei. Bisher fühlte sie sich oft gestört in einem Raum mit geistig behinderten Menschen, die sich nicht so ruhig und konzentriert einer Sache widmen können wie sie. „Der Roboter beruhigt mich, ich bin ja auch technisch sehr interessiert“, sagt sie. „Terminator“ hat sie ihren getauft. Sie hofft, dass die künstliche Intelligenz in Zukunft auf weitere Abläufe programmiert werden kann, die Abwechslung in ihren Arbeitsalltag bringen.

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Knapp 1,2 Millionen Euro investierten die Stiftung Wohlfahrtspflege, der Landschaftsverband Rheinland und der Caritasverband der Stadt Köln in das Projekt, davon 70 000 Euro für den Roboter. Nächster Schritt soll der Transfer in den ersten Arbeitsmarkt sein. „Da stellt sich dann auch die Frage, was ist unserer Gesellschaft die Inklusion wert“, gibt Matthias Grote zu bedenken.

Betriebswirtschaftlich betrachtet, ersparen sich Unternehmen, die einen robotergesteuerten, inklusiven Arbeitsplatz einrichten, die Ausgleichsabgabe für die Nicht-Beschäftigung behinderter Menschen und erhalten obendrein Förderung. Ein Anfang ist nun gemacht, und Alexandra Schmidt darf stolz sein, zu den Pionierinnen und Pionieren zu gehören.