FC-Geschäftsführer im GesprächAlexander Wehrle, wie man ihn kaum kennt

"Man muss den Tod als Abschluss des Lebens akzeptieren": FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle hat im Altenheim gearbeitet, im Bestattungshaus und als Rettungssanitäter. (Foto: Meisenberg)
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Herr Wehrle, worüber sollen wir sprechen?
Über das Sterben.
Kein leichter Stoff und vor allem nichts, worüber man sich mit Ende 30 viel Gedanken macht.
Das stimmt, aber der Sterbeprozess hat mich schon früh beschäftigt. Ich war 16, als mein Großvater gestorben ist, damals war meine ganze Familie dabei. Und ich habe während der Abiturzeit am Wochenende im Altenheim gearbeitet. Da bin ich intensiv mit den Themen Tod, Sterben und Abschiednehmen in Kontakt gekommen. Weil ich auch überlegt hatte, Medizin zu studieren, habe ich mich dann für einen Zivildienst beim Rettungsdienst entschieden. Da begegnet man dem Tod wieder ganz anders: sehr unmittelbar und unter hohem persönlichem Druck, weil es sich immer um einen Notfall handelt. Und dann gibt es noch eine Ebene: Ich habe während des Studiums bei einem Bestattungsunternehmen gearbeitet.
Wie bitte?
Das kam eher durch einen Zufall zustande. Ich wohnte in Konstanz in einer Wohngemeinschaft. Unten war das Bestattungsunternehmen, bei dem eine Bekannte arbeitete. Ich fand das ganz interessant, also habe ich da auch angefangen. Irgendwann hat die ganz WG da gearbeitet.
Und was haben Sie konkret gemacht?
Eigentlich alles. Ich war während des kompletten Studiums da, also sechs Jahre. Und wenn die Chefin mal ein paar Wochen weg war, habe ich das Geschäft komplett abgewickelt: die Gespräche geführt, die Abholung daheim oder im Krankenhaus, die Organisation der Trauerfeier. Das prägt das Verhältnis zum Tod und zum Sterben. Aber es war auch nicht leicht, mit Angehörigen in dieser Situation eine Gesprächsform zu finden, ein angenehmes Klima zu erzeugen. Das alles hat mich als Mensch extrem weiter gebracht.
Und das in jungen Jahren. Wann haben Sie den ersten Mensch sterben sehen?
Das war mein Opa, mit 16. Ich weiß es noch genau. Es war der 21. Dezember 1991, ein Samstag. Er war schwer krank und wir waren die letzten drei Stunden mit der Familie an seinem Bett. Das ist natürlich die Konstellation, die man sich wünscht, um Abschied zu nehmen. Ich habe das im Altenheim aber auch ganz anders erlebt. Manchmal zieht sich der Sterbeprozess ja über Monate.
Beschreiben Sie doch mal den Moment des Loslassens, den Augenblick, in dem das Leben verschwindet.
Oft war es tatsächlich so, dass Menschen förmlich gewartet haben, bis ihre Angehörigen da sind. Und dann sind sie gegangen. Die innere Bereitschaft spielt da schon eine Rolle. Da bleibt man als Pflegekraft natürlich im Hintergrund und stört nicht die intime Atmosphäre. Es gab aber auch Fälle, in denen niemand da war. Da haben wir versucht, uns Zeit zu nehmen, damit immer jemand zur Seite steht im Sterbeprozess. Ich fand die Berührung ganz wichtig, die körperliche Nähe, damit der Mensch spürt, er ist nicht allein. Der Moment des Loslassens selbst ist immer ähnlich: Es gab am Ende meist noch mal einen wachen Moment, oft auch bei Menschen, die tagelang nicht mehr ansprechbar waren. Und dann war aber auch klar: Jetzt ist es zu Ende.
Und dann?
Im Altenheim haben wir immer zuerst das Fenster aufgemacht. Und dann werden natürlich die Angehörigen verständigt, der Arzt kommt. Dann wird der Verstorbene gewaschen und bestimmte Sachen angezogen, ein schönes Hemd vielleicht. Zumindest, wenn vorher klar ist, dass es eine Erdbestattung geben wird.
Hatten Sie anfangs Hemmungen, einen Toten zu waschen, zu berühren?
Nein, wichtig war für mich immer, den Respekt vor dem Verstorbenen zu wahren. Deswegen habe ich versucht, so zu tun, als wäre der Mensch noch da. Und dann hat es keinen Unterschied gemacht, ob er noch gelebt hat wie kurz zuvor oder eben nicht mehr. Wer da Hemmungen hat, kann den Job nicht machen.
Beerdigungen haben für Angehörige auch etwas Tröstliches. Niemand geht gerne hin, aber können Sie Trauerfeiern auch genießen?
Ich habe viele Trauerfeiern organisiert, und wenn sie gelungen sind, finden sie in einem niveauvollen Rahmen statt. Aber es ist etwas völlig anderes, wenn man als Angehöriger zu einer Beerdigung geht. Da nutzt es nicht viel, dass man ,Profi' ist. Während meiner Zeit im Bestattungshaus ist meine Oma gestorben, da habe ich den Unterschied selbst gespürt. Aber auch von anderen Trauerfeiern nimmt man immer etwas mit nach Hause. Vor allem, wenn es kein natürlicher Tod ist. Beim Suizid etwa oder wenn Eltern ihr Kind verlieren, das ist das Schlimmste.
Und wie geht man damit um?
Sie grenzen sich natürlich ab, und die Phasen, in denen Sie nichts an sich heranlassen, die werden länger. Vor allem aber: Durch die häufige Konfrontation mit Schicksalsschlägen nimmt man sein eigenes Leben anders wahr.
Haben Sie Angst vorm Sterben?
Angst vorm Sterben habe ich nicht, aber Respekt, das auf alle Fälle. Ich weiß ja nicht, welche Form des Sterbens auf mich zukommt. Geht es schnell, ist es ein schleichender Prozess, kann ich mich darauf einstellen? Muss ich Schmerzen ertragen?
Zumindest haben Sie sich sich ausführlich mit dem Tod beschäftigt.
Ich glaube, man muss den Tod als Abschluss des Lebens akzeptieren, um das Leben zu schätzen. Das berührt natürlich auch unsere Kultur des Abschiednehmens. Sterben und der Tod, das sind schon noch Tabus. Wobei das in ländlichen Gebieten anders ist, da bleiben die Verstorbenen noch ein oder zwei Tage zu Hause. In der Großstadt werden sie ganz schnell rausgeschafft. Für mich waren vor allem die Gespräche mit den Angehörigen entscheidend. Dadurch relativiert sich ganz viel im Leben.
Haben Sie eine bestimmte Vorstellung oder einen konkreten Wunsch für Ihre eigene Trauerfeier?
(lacht) Ich habe nichts geplant. Aber es gibt Menschen, die machen das, auch junge übrigens. Und manche haben Vorahnungen. Ich habe eine sehr gute Freundin verloren, während meiner Zeit beim Rettungsdienst. Ich war 19, sie 18. Sie hat mir erzählt, sie wisse nicht warum, aber sie glaube, dass sie nicht alt wird. Ich habe nur gesagt: ,Was für ein Schwachsinn.' Zwei Tage später ist sie bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Solche Gefühle habe ich nicht. Und wie meine Trauerfeier aussehen wird, hängt davon ab, wann sie stattfindet. Die Planung überlasse ich gerne anderen.
Zur Person
Alexander Wehrle (39) stammt gebürtig aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen. Er studierte Verwaltungswissenschaften in Konstanz und war nach dem Studium zehn Jahre lang als Referent im Vorstand des VfB Stuttgart tätig.
Seit eineinhalb Jahren ist er Geschäftsführer des 1.FC Köln. In dieser Zeit hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass der Club finanziell wieder auf soliden Füßen steht und die Rückkehr in die erste Liga geschafft hat.
Der FC hat den Vertrag mit Wehrle kürzlich bis zum Jahr 2017 verlängert. (mft)