Gedanken vor dem SterbenDiese Kölner Ausstellung zeigt, was Menschen im Hospiz fühlen

Schels und Lakotta vor den Fotos von Heiner Schmitz.
Copyright: Nabil Hanano
- Das Leben ist endlich und alle Menschen müssen sterben. Doch wer denkt schon gerne über den Tod nach?
- In einem Hospiz gehört der Tod ganz selbstverständlich zum Leben dazu.
- Eine beeindruckende Ausstellung in Köln zeigt, was Menschen im Hospiz fühlen.
Köln – „Keiner fragt mich, wie’s mir geht, weil alle Schiss haben. Dieses krampfhafte Reden über alles Mögliche, das tut weh“, beklagte Heiner Schmitz. „Hey, kapiert ihr nicht? Ich werde sterben!“ Im Leuchtfeuer Hospiz in Hamburg starb der 52-Jährige 2003 an den Folgen eines Hirntumors. Er hatte immer viel Besuch, Familie, Freunde, alte Fußballkumpel. Doch oft konnte er sich schon nach Minuten nicht mehr an die Besuche erinnern, sein Kurzzeitgedächtnis funktionierte nicht mehr gut. Was er wusste: Niemand sprach mit ihm über das Unausweichliche. Seinen Tod.
Bis heute ist der Tod und das Sterben nichts, worüber Menschen gerne sprechen. Beate Lakotta und Walter Schels haben in den Jahren 2002 bis 2004 Menschen im Hospiz begleitet und sie einmal vor und einmal kurz nach ihrem Tod porträtiert. In einer Ausstellung im Alten Pfandhaus in der Südstadt sind die eindringlichen Fotos und Geschichten der Sterbenden zu sehen. Titel der Schau: „Noch mal leben. Eine Ausstellung über das Sterben“. Eine Veröffentlichung war zunächst gar nicht geplant. „Wir haben das für uns gemacht“, sagt Lakotta. Die „Spiegel“-Redakteurin und der Fotograf Schels (84) sind seit 25 Jahren ein Paar, ihr Altersunterschied beträgt fast 30 Jahre. „Ich habe Angst davor gehabt, meinen Lebensmenschen zu verlieren“, sagt die 55-Jährige. Beide gemeinsam wollten sich daher dem Thema Tod stellen. Mit allen Ängsten. Letztlich sind sowohl eine Reportage im „Spiegel“ als auch die Ausstellung dabei entstanden.
Ganz nah dran an den Betroffenen
„Der Tod ist mein einziges Thema in jeder Minute, in der ich alleine bin“, sagte Schmitz über seine letzten Wochen und Monate. Er war zum Sterben im Hospiz, seine Freunde sagten jedoch nach ihren Besuchen Sachen wie „Komm bald wieder auf die Beine, Alter!“. Niemand wollte sich mit dem Tod beschäftigen. Für ihn war es ein Verlassenwerden.

Um ihr Leben hat Beate Taube (44) nicht immer gekämpft. Erst als bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wurde, fing sie an damit an.
Copyright: Schels
Lakotta und Schels ist es gelungen, sehr nahe zu den betroffenen Menschen vorzudringen. Mit einigen haben sie täglich gesprochen, Bindungen aufgebaut. Außerdem haben sie die Geschichten der Porträtierten, ausführlicher als es in der Ausstellung möglich war, in einem Buch aufgeschrieben. Doch selbst ohne das öffentliche Aufsehen hätte sich das Projekt gelohnt, sagt die Autorin. „Wenn’s niemand hätte sehen wollen, wäre es trotzdem das Beste gewesen, was hätte passieren können. Für uns.“
Eine Leuchttafel der Ausstellung zeigt das Gesicht von Beate Taube. Sie hatte den Krebs als Botschaft gedeutet. Vor ihrer Diagnose kämpfte sie mit Panikattacken und Depressionen. Manchmal kam der Gedanke, ihr Leben zu beenden. Dann kam der Brustkrebs. Sie war sich sicher, ihn herbei gerufen zu haben. Das war vier Jahre vor ihrem Tod. Damals war sie 40 Jahre alt, das älteste ihrer vier Kinder war elf.

Um ihr Leben hat Beate Taube (44) nicht immer gekämpft. Erst als bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wurde, fing sie an damit an.
Copyright: Schels
In den nächsten Jahren kämpfte Taube für ihr Leben. Eine Psychotherapie half ihr, sich mit ihren Eltern auszusprechen. Ihr Mann, der wegen seines Berufs nur an Wochenenden zu Hause war, besorgte sich einen Job in der Nähe und übernahm mehr Verantwortung. „Ich weiß, dass mein Mann gut für die Kinder sorgen wird“, sagte sie kurz vor ihrem Tod. „Aber es tut so weh, sie loszulassen.“ Die 44-Jährige verbrachte viel Zeit mit ihren Kindern. „Hundertmal am Tag erzähle ich ihnen jetzt, wie gern ich sie habe“, sagte sie. Zum Zeitpunkt ihres Todes sind alle ihre Kinder im Urlaub. Sie wollte, dass ihr Mann sie fahren lässt. Vor dem Sterben habe sie keine Angst. „Wenn meine Seele entschweben darf, wie ich es mir wünsche, werde ich ganz friedlich daliegen.“

Wenn sie keine Schmerzen hatte, wirkte Klara Behrens (83) fast heiter.
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Das jüngste Gesicht der Ausstellung ist 17 Monate alt. Elmira Sang Bastian. Die Ärzte entdeckten bei ihr einen seltenen Hirntumor. Wahrscheinlich, sagten sie, sei der schon am Tag ihrer Geburt da gewesen. Elmira war ein Zwillingskind. Ihre Schwester war wohlauf. „Wenigstens hat sie gelebt“, sagte Elmiras Mutter.

Wenn sie keine Schmerzen hatte, wirkte Klara Behrens (83) fast heiter.
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Klara Behrens konnte länger leben. 83 Jahre alt ist sie geworden. Sechs Monate davon lebte sie im Hospiz. Die Hamburgerin wollte zuerst nicht dorthin. Sie hat es sich vorgestellt wie ein Heim, sie wollte nie in ein Heim. Sehr schnell hat sie sich aber doch wohlgefühlt. Sie lobte die Pfleger und Schwestern, ging jeden Tag mit ihrem Gehroller ein paar Schritte. Die alte Dame wirkte gelassen. „Ich wollte eine Ausbildung machen, aber ich hab so früh geheiratet“, sagte sie. „Das würde ich nicht noch einmal machen.“ Sie blieb Hausfrau, hatte zwei Kinder. Im Alter kam dann der Leberkrebs und das chronisches Lungenleiden. „Manchmal hoffe ich ja, dass es noch mal besser wird bei mir. Aber dann ist mir wieder so übel.“ Angst vor dem Tod habe sie nicht. „Das millionste, milliardste Sandkorn in der Wüste werde ich sein. Vielleicht sehe ich ja auch meinen Mann und meine Geschwister dort wieder.“ Nur vor dem Sterben fürchte sie sich ein bisschen. Man wisse ja nicht, was da passiert.
Die Ausstellung soll den Besuchern die Angst vor dem Tod nehmen, so wie die Arbeit im Hospiz auch Beate Lakotta und Walter Schels die Angst genommen hat. „Wir haben eine Abmachung mit dem Tod“, sagt Walter Schels. Er lächelt. „Je schöner wir ihn darstellen, desto länger gibt er uns Kredit.“
Altes Pfandhaus, Kartäuserwall 20, bis 20. März. Öffnungszeiten Mo - Fr: 16.30 bis 19.30 Uhr, Sa - So: 12.00 bis 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Beate Lakotta und Walter Schels: „Noch mal leben vor dem Tod“, Deutsche Verlags-Anstalt, 224 Seiten, 39,90 Euro