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Hilfe für BedürftigeWelche komplexe Logistik hinter der Kölner Tafel steckt

Lesezeit 4 Minuten
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Die Kölner Tafel ist eine feste Institution im Leben vieler Kölner geworden. 

Köln – Die Logistik hinter der Kölner Tafel gleicht der eines Großbetriebes. Zwischen 180 und 200 Tonnen Lebensmittel werden hier monatlich bewegt. Ein gutes Dutzend Fuhren täglich, Sonderfahrten nicht eingerechnet. Digital organisiert und disponiert, von über 100 ehrenamtlichen Helfern ausgeliefert. Es wird sortiert, verpackt, ein- und ausgeladen. Tag für Tag.

Jeder Tag bringt neue Überraschungen mit sich

Morgens um halb acht geht es los am Zentrallager im Rodenkirchener Industriegebiet. Die Touren sind längst disponiert, und auch wenn oft dieselben Fahrer die gleichen Wege fahren, es gleicht kein Tag dem anderen. Die ersten Kisten aus dem Lager werden verladen, dann geht es zur Abholung der frischen Ware.

Zumeist bei Supermärkten und Discountern. Es wird so geplant, dass die Endabnehmer nach Möglichkeit ganz am Schluss der Touren liegen.

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Sortieren, packen, fahren: Die Helfer sind ab dem frühen Morgen im Einsatz.

„Wir wissen nie, was uns erwartet“, sagt Vorstandsmitglied Karin Fürhaupter. Vor Ort wird zunächst sortiert. „Wir sind nicht die billigen Entsorger der Supermärkte“, betont sie. Unbrauchbare Ware wird nicht angenommen. Obst, Gemüse, Brot und Brötchen, Wurst und Käse bis hin zu Milchprodukten – alles, was nicht der Norm entspricht und dennoch wertvoll ist, wird mitgenommen.

Die Tafel

75 Ausgabestellen beliefert die Tafel zurzeit in Köln, Tendenz steigend. Nicht alle täglich geöffnet, manche für eine bestimmte Klientel, andere als klassische „Suppenküche“ geführt. Die meisten kirchlich betrieben, viele aber auch in Eigeninitiative oder von der Bezirkspolitik gefördert wie in Chorweiler. Auch hier wird die Arbeit zum allergrößten Teil von ehrenamtlichen Helfern bewältigt.

Finanziert wird die Tafel zum weitaus größten Teil aus Spenden. Dazu kommen kleinere Summen etwa aus Bußgeldzuweisungen. Auch die Vereinsbeiträge helfen, wobei Köln im Vergleich mit anderen Städten nicht viele Mitglieder hat. Eine Stiftung hilft zusätzlich, die Arbeit kontinuierlich zu gewährleisten.

Die Tafel ist ein mildtätiger Verein und verbandlich organisiert, Köln ist zudem eines von einem halben Dutzend Verteilzentren für ganz NRW.

Und das bei jedem Wetter. Im Sommer über 30 Grad, im Winter ebenso viel weniger – es wird draußen geladen, sortiert und wieder eingeräumt. Was im Übrigen auch körperlich nicht ganz unanstrengend ist. Auch vor dem Hintergrund, dass viele der Freiwilligen nicht mehr die Jüngsten sind. Im Schnitt geht jeder Ehrenamtler ein Mal pro Woche auf Tour.

Kurzfristiges Umplanen ist an der Tagesordnung

Die wird über Tablets genau ausgewiesen und dokumentiert. Wenn zwischendurch ein Angebot reinkommt, muss schnell reagiert werden: Eine Extratour zu Campina etwa, ein großer milchverarbeitender Betrieb im Nordwesten der Stadt.

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Tablets statt Zettelwirtschaft

Auch vom Flughafen oder der Landwirtschaftskammer kommt öfter mal die Nachricht, dass gerade etwas frei wird. Dann heißt es Lagerbestände durchforsten, Platz schaffen, im Zweifel auch kühlen. Auf dem Gelände steht sogar ein Tiefkühl-Container, der wird aber nicht regelmäßig angeworfen. Er frisst einfach zu viel Strom. Bisweilen gibt es regelrechte Schwemmen, etwa wenn im September die Salatsaison auf dem Höhepunkt ist. Dann muss genau überlegt werden, wie viel überhaupt abgenommen werden kann. Rohkost geht mancherorts deutlich besser als Gemüse, das noch gekocht werden muss – schlicht, weil es nicht überall Möglichkeiten dazu gibt.

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Kistenweise wertvolle Lebensmittel landen hier.

Jeder Markt hat andere Kisten und Kartons, die natürlich auch genau so wieder zurückgehen. Die Zusammenarbeit mit den Firmen läuft ganz unterschiedlich. Manchmal gibt die Konzernspitze vor, mit der Tafel zusammenzuarbeiten, manchmal wird es empfohlen. Aldi und Lidl sind mit im Boot, auch Edeka und Rewe und viele andere. Bei Rewe arbeiten alle konzerngeführten Filialen der Tafel zu, den inhabergeführten bleibt es selbst überlassen. Seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat die Tafel auch einen Lieferdienst für eingeschränkte Menschen eingerichtet, die zwei Mal wöchentlich mit dem Lastenrad beliefert werden.

Der Bedarf ist groß

Das Lob und die Anerkennung für ihre Arbeit bekommen die Fahrerinnen und Fahrer meist nur mittelbar mit, über die Reaktionen an den Ausgabestellen. „Wir sind nur die Logistiker“, sagt Fürhaupter. „Nur“ ist dabei ein sehr relativer Begriff, denn auch die Kommunikation mit den Ausgabestellen muss geführt und gepflegt werden. Dass es immer mehr solcher Stellen werden und der Bedarf groß ist, steht außer Zweifel. Einer politischen Beurteilung enthält man sich aber bei der Tafel.

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Ein gutes Dutzend Lieferwagen verlässt jeden Morgen das Zentrallager in Rodenkirchen.

Am Ende des Tages – meist irgendwann zwischen 14 und 15 Uhr – weiß jeder und jede, was er oder sie getan hat. Von den geschätzt 95 Prozent Ehrenamtlern, Menschen in Integrationsjobs über junge Leute im Freiwilligen-Jahr bis hin zu den wenigen „Hauptamtlichen“. Bei ihnen kann dann ein Teilzeit-Job schon mal gerne 40 Stunden die Woche umfassen. Und trotzdem: Sie alle machen die Arbeit gerne. Meistens jedenfalls. „Wir sind eine nette Truppe“, meint Fürhaupter. Wer also mithelfen möchte, ist herzlich eingeladen.