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Im InterviewKölner Polizei über rechte Chats und Stress auf Streife

Lesezeit 4 Minuten
Extremismusbeauftragte in Köln

Sie sehen sich vor allem als Ansprechpartner: Heike Wächterowitz und Carsten Fischer. 

  1. Die Polizei soll Schutz für alle Menschen bieten.
  2. Doch was, wenn Polizisten zu Diskriminierungen neigen?
  3. Ingo Schmitz sprach mit Heike Wächterowitz und Carsten Fischer, den Extremismusbeauftragten der Kölner Polizei.

KölnEs hat 2020 vor allem in Mülheim und Essen rechtsextremistische Chats unter Polizeibeamten gegeben, die für große Schlagzeilen sorgten. Auch in Köln gab es solche Fälle, wenn auch niederschwelligerer Art. Köln wird dabei nachgesagt, eine tolerante, bunte Gesellschaft zu sein. Sind Polizeibeamte in dieser Stadt weniger anfällig für rechte Parolen?

Fischer: In Folge der Fälle wurde die „Stabsstelle Rechtsextremismus“ in der Polizei NRW gegründet. Die hat eine Lagebild erarbeitet, durch das deutlich wird, Fälle gibt es überall. Unabhängig von Größe oder Struktur einer Stadt. Ich glaube, Extremismus kann man nicht an einer Umgebung ausmachen, vielmehr handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ein Phänomen, das in jeder Stadt existiert, auch in einer so bunten wie in Köln. Tritt es aber innerhalb der Polizei auf, ragt das Problem über die gesellschaftliche Relevanz hinaus, denn die Polizei hat ja gerade die Aufgabe, die Demokratie zu schützen.

Die Fälle in Köln sind erst augenfällig geworden, als die Chats entdeckt wurden. Also erst , als die extremistische Gesinnung der Beamten bereits „Blüten trieb“. Wie kann es gelingen, solche Tendenzen schon in der Entstehung auszumachen?

Die Beauftragten

2020 wurde die Stelle des Extremismusbeauftragten in der Kölner Polizei eingeführt. Carsten Fischer übernahm die Aufgabe. Seit Januar 2022 ist Heike Wächterowitz die neue Extremismusbeauftragte der Kölner Polizei. Nach mehrjährigem Streifendienst in Köln, Tätigkeiten im Bereich der Ausbildungsleitung und einer Masterarbeit über das Thema Reflexionsarbeit/Supervision, bewarb sie sich auf die Stelle. Fischer ist ihr Stellvertreter. Prävention ist der Schwerpunkt ihrer Arbeit. Das fließt nicht zuletzt in die Ausbildung des Polizeinachwuchs ein. Unter anderem bietet die Polizei Köln für ihre Mitarbeiter mehrtägige Workshops und Fortbildungsmaßnahmen an. Auch in Zusammenarbeit mit dem NS-Dok. (ngo)

Fischer: Als Extremismusbeauftragte haben wir im Kern zwei Arbeitsfelder. Wir müssen natürlich direkt Ansprechpartner für Kollegen sein, die sagen, hier stimmt etwas nicht in meinem Umfeld, in der Behörde. Darum ist es bei der Polizei so, dass der Extremismusbeauftragte direkt an den Polizeipräsidenten angegliedert ist, als Stabsstelle. Dennoch ist es in vielen Fällen sicherlich erst einmal so, dass der Dienstweg eingehalten, der Vorgesetzte auf Vorkommnisse angesprochen wird. Darum ist es zudem sehr wichtig, dass wir Führungspersonen für das Thema sensibilisieren. Die Prävention hat im vergangenen Jahr einen immer breiteren Raum eingenommen. Sie ist zu unserer wichtigsten Aufgabe geworden.

Ihre Kollegen müssen viele Überstunden leisten. Bei den Einsätzen kommt es immer wieder mal zu Respektlosigkeiten. Es gibt Beschimpfungen und sogar tätliche Angriffe. Schafft so etwas einen Frust, der sich eventuell auch in extremistischen Auswüchsen ein Ventil schafft?

Wächterowitz: Ich habe mich viel damit beschäftigt, wie es zu Extremismus in den Reihen der Polizei kommen kann, viele Untersuchungen dazu gelesen. Ich habe aber noch keine gefunden, die diesen Aspekt untersucht hat. Aus dem Bauch heraus würde ich jedenfalls sagen, es gibt da keinen Zusammenhang. Ich würde meinen Kolleginnen und Kollegen auch sicherlich Unrecht tun, wenn ich diesen Zusammenhang herstelle. Denn viele finden einen vernünftigen Weg, mit den Druck und Frust umzugehen. Polizeiarbeit ist hart, sicherlich hat auch Respektlosigkeit gegenüber den Kolleginnen und Kollegen zugenommen, aber Extremismus ist dafür bestimmt kein Ventil.

Gibt es denn die Tendenz, dass extremistisches Gedankengut von außen in die Kollegenschaft hineingetragen wird, um zu unterwandern?

Wächterowitz: Auch das kenne ich so nicht.

Fischer: Dafür gibt es keine Hinweise.

Wir reden wie selbstverständlich über rechten Extremismus. Es könnten aber auch Fälle von linken oder islamischen Extremismus denkbar sein.

Fischer: Ich würde das noch weiter fassen. Auch hier kann ich auf die Stabsstelle Rechtsextremismus verweisen. Dort wurde mit dem Blick auf Rechts begonnen und ziemlich schnell festgestellt, das Problem muss weiter gefasst werden. Die Experten haben dann ihr Augenmerk auf die Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ausgeweitet. Die gibt es in ganz vielen Bereichen des Lebens. In dem Moment, in dem sich eine Kollegin oder eine Kollege in diesem Sinne abwertend äußert, müssen wir das bereits in den Blick nehmen. Die Vorfälle, die wir hatten, waren selten klassisch extremistisch, aber sie waren diskriminierend, beleidigend. Nicht immer strafrechtlich relevant, aber keinesfalls akzeptabel. An dieser Stelle gilt es schon anzusetzen.

Als Extremismusbeauftragte sind Sie eine Kontrollinstanz innerhalb der Kölner Polizei, ein wenig Polizei in der Polizei. Erschwert das Ihren Stand unter den Kollegen?

Wächterwowitz: Ich sehe das nicht so. Und ich glaube, durch die intensive Präventionsarbeit, die wir betreiben, wird das in der Kollegenschaft so auch nicht gesehen. Ich bin Ansprechpartnerin, das ist meine Rolle.

Fischer: Die Fälle, die wir haben, werden ja vielfach auch aus der Kollegenschaft an uns herangetragen.

Gibt es auch andere Quellen, außer die eigenen Reihen?

Es gibt Fälle, die auf Bürgerbeschwerden beruhen, die wir dann auch mit begleiten. Wir sammeln und sehen dann, ob der Beschuldigte uns zum Beispiel schon einmal aufgefallen ist. Ermittlung ist die Sache von Fachkommissariaten und Diszplinardienststellen. Wir sind keine Ermittlungsinstanz, eher Sensibilisierer und Mahner.