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Interview zu „Faking Hitler“Moritz Bleibtreu: „Wäre auch misstrauisch geworden“

Lesezeit 4 Minuten
Moritz Bleibtreu als Konrad Kujau

Moritz Bleibtreu als Konrad Kujau 

Köln – In der Serie „Faking Hitler“ geht es um den Skandal beim Stern im Jahr 1983. Der Künstler Konrad Kujau hatte Tagebücher von Adolf Hitler gefälscht. Stern-Reporter Gerd Heidemann wurde auf die Bücher aufmerksam. In dem Glauben, sie seien echt, veröffentlichte der Stern die Schriften. Kaja Hempel sprach mit Moritz Bleibtreu. Die sechsteilige Serie ist auf RTL-Plus abrufbar.

Worin besteht für Sie der Reiz, in einer historischen Serie mitzuspielen?

Historisch macht immer noch einen Ticken mehr Spaß als heute, jetzt und hier. Das ist kein Vergleich. Du bewegst dich anders, du fühlst dich anders. Für mich war es auch eine Nostalgiereise in meine Kindheit: Überall Prilblumen, gestickte Tischdeckchen und Kännchen zum Kaffee. Das macht Spaß.

Gab es Sympathien für den Menschen Konrad Kujau?

Ja, durchaus. Es gibt Film- und Tonaufnahmen, da erschien er mir schon sehr sympathisch. Und gleichzeitig ist dieses spezielle Segment in der Kriminalität Kunstfälscher ja auch irgendwie eine Art Gentleman-Delikt. Weil Kunstfälscher diese sehr elitäre Kunstmarktblase ein Stück weit entlarven. Wo „bürgerliche“ Menschen immer vorstehen und nicht verstehen, warum jetzt dieser Stuhl 30 000 Euro kostet. Mit Ausnahme der Tatsache, dass die Gefahr des Geschichtsrevisionismus bestand, hat ja niemand größeren Schaden davon getragen. Wenn man jemanden nimmt wie Beltracci zum Beispiel: Wer ist denn da wirklich der Geschädigte? Die Galerien haben Geld verdient. Die reichen Leute haben ein bisschen Geld verloren, die hatten eh vorher genug. Das ist ja ein bisschen dieses Robin-Hood-Denken was da stattfindet. Und insofern gibt es schon Sympathien.

Wie haben Sie das damals wahrgenommen? Sie waren da zwölf Jahre alt.

Ich weiß noch, dass meine Mutter das höchst amüsant fand als herauskam, dass das Ganze gefälscht ist. Aber ich erinnere es nicht als eine dramatische Geschichte, sondern eher, dass die Leute das alle irgendwie lustig fanden. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit kann ich sagen, es stellt einen Wendepunkt dar, an dem diese Informationshoheit, die die großen Medienverlage gehabt haben, zum ersten Mal ins Wanken geraten ist. Bis dahin hat man eigentlich geglaubt was im Spiegel stand oder im Stern oder im Abendblatt. Das hat man nicht in Frage gestellt und heute leben wir in einer Zeit, in der wir mit dem Überfluss von Informationen gar nicht mehr umgehen können. Wir haben einen riesengroßen Teil der Bevölkerung, der sagt: Ich traue niemandem mehr. Das markiert also diese Zeit, in der Menschen zum ersten Mal gesagt haben: Nur weil es im Stern steht, wer weiß, ob das stimmt.

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Welche Relevanz hat diese Serie dadurch heute?

Ich bin grundsätzlich jemand, der nicht glaubt, dass Kunst den Auftrag hat, Politik oder Gesellschaft grundsätzlich zu hinterfragen oder abzubilden. Ich glaube, Kunst und Film muss immer auch das Recht haben, gänzlich unpolitisch zu sein. Es gibt natürlich diese Parallele zu der heutigen Zeit, aber das ist bei jedem gut geschrieben Film und bei jedem gut geschriebenen Theaterstück so. Lies Macbeth, bestimmte Sachen ändern sich einfach nicht. Oder wenn man jung und verliebt ist und einen das zum ersten Mal einholt, lies Romeo und Julia und dann wirst du sehen: Oh das erinnert mich ja an mich selbst. Das hat gute Literatur und eben auch guter Film an sich. Aber ich sage diesen Satz so gerne und wiederhole ihn auch gerne: Ich arbeite nicht im Auftrag der Politik, ich arbeite im Auftrag der Fantasie.

Gerd Heidemann sieht sich bis heute als Opfer. Verstehen Sie das?

Bis zu einem gewissen Grad, ja. Er hat sich über den Tisch ziehen lassen. In diesem Fall ist man immer ein Opfer. Aber man muss natürlich auch anführen, vor welchem Hintergrund. Wenn die „Gier“ so offensichtlich ist, dann ist das mit dem Opferbegriff ein bisschen fragwürdig. Man darf aber nicht vergessen, das war der ja nicht alleine, und das kommt in der Serie auch gut zum Tragen. Da standen andere Leute drumherum, die Einfluss genommen haben und die diesen Druck noch größer gemacht haben. Alle wollten, dass das wahr ist. Er war halt der, der vorne an der Front das Ganze aushandeln musste. Aber da haben sich einige andere auch noch das Hemd dreckig gemacht. Also eigentlich die gesamte Chefredaktion des Stern und alle die involviert waren.

Haben Sie durch die Serie „Faking Hitler“ andere Einblicke in diese Geschichte bekommen?

Wir haben das große Glück gehabt, dass wir uns beim Stern die Originalkladden angucken durften. Ich bin nun wirklich kein Kunstsachverständiger, aber ich wäre auch ein bisschen misstrauisch geworden. Die Art und Weise, wie das verklebt war und wie das gemacht war, die Patina auf den Heften, die Seiten. Ich hab die Dinger gesehen und hab gedacht: Nein. Vielleicht auch, weil ich es wusste. Aber man muss Kujau natürlich zugutehalten, dass er wahnsinnig schlau damit umgegangen ist. Er war als Ganove und als Kleinkrimineller sicherlich genauso begabt wie als bildender Künstler.