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Junge Kölner PfarrerinDarum hat sie sich für den Beruf entschieden

Lesezeit 5 Minuten

Pfarrerin Judith Schäfer am Kölner "Heinzelmarkt"

Schon mit 9 Jahren stand ihr Berufswunsch fest. Und Judith Schaefer hat es durchgezogen.

Es ist so eine Sache mit den Berufswünschen im Kindesalter. Auf dem langen Weg vom Spieleteppich über die Schule ins Berufsleben hat die Bahn wohl schon Heerscharen von Lokführern verloren. Wo sind die Pferde nur alle hin galoppiert, auf denen die vielen angehenden Tierärztinnen saßen? Nicht so Judith Schaefer. Sie hat die Weichen früh gestellt und sich an keiner Hürde abwerfen lassen. Bereits mit neun Jahren stand ihr Berufswunsch fest. So fest wie eine Burg: „Ich will Pfarrerin werden“, ließ sie ihr Umfeld wissen. Vor wenigen Wochen wurde die 29 Jahre junge Frau in der evangelischen Gemeinde Köln-Klettenberg ordiniert.

Noch nicht einmal getauft

Ihr Berufswunsch wurde ihr nicht in die Wiege gelegt. Ganz und gar nicht. Judith Schaefer war als Kind noch nicht einmal getauft. Doch der Ehrlichkeit halber muss gesagt werden: Sie war geprägt. „Meine Eltern sind zur evangelischen Konfession konvertiert“, berichtet die junge Pfarrerin. Wer konvertiert, macht das bewusst, nicht nur so fürs Papier. Ihr Vater unternahm den Schritt zum Presbyter – und die Tochter sprang hinein ins Gemeindeleben der evangelischen Kirchengemeinde Niederkassel: Kindergottesdienste, Jugendarbeit, Jugendgottesdienste. „Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Da war Raum, um nach Gott zu fragen“, erinnert sie sich. Wer so hineinspringt ins Gemeindeleben, der taucht ein in den Glauben. Judith Schaefer ließ sich taufen. In der 7. Klasse nahm sie Anlauf für eine der ersten Hürden auf dem Weg zu ihrem Wunschberuf. Und die war nicht klein. „Ich wählte Latein.“ Das ist der Wein aus den alten Schläuchen, den trinken muss, wer der Kirche neuen Wein servieren will.

Pfarrerin Judith Schäfer: Wo immer ich hinging, der Pfarrerinnenberuf kreuzte stets meinen Weg.

Da stand sie nun mitten im Leben, zwischen ihren Freundinnen und Freunden, die vielleicht mal Lokführer oder Tierärztin werden wollten und nun doch eher von einer Influencer-Karriere träumten. Wie hat ihr Umfeld darauf regiert, dass sie so ganz anders unterwegs war? „Ach, es hieß einfach immer schon: Das ist die Judith, die will Pfarrerin werden.“ Es sei ja auch nicht so, als habe sie sich nicht nach Alternativen umgeschaut. „Doch wo immer ich hinging, der Pfarrerinnenberuf kreuzte stets meinen Weg: In der Justizvollzugsanstalt der Gefängnisseelsorger. Am Flughafen die Kapelle. In der Rundfunkanstalt der geistliche Impuls.“ Doch welche Reaktionen sie aus ihrem Umfeld auch erfuhr: „Große Verwunderung oder gar Anfeindungen hat es nicht gegeben. Allerdings: Mit dem Glauben ist es ja in Deutschland auch so ein bisschen wie mit dem Geld. Man spricht nicht gerne darüber“, sagt Judith Schaefer.

„Ich stehe weiter voll im Leben -  cool!“

In ganz Deutschland? Nein, in dem Großstadtdorf am Rhein, da ist das auch mal anders. Zumindest einmal im Jahr. „Wenn ich im Karneval an der Theke gefragt wurde, was ich studiere, und geantwortet habe: Theologie, dann haben viele mir ihr Herz ausgeschüttet.“ Sie erinnert sich an ein Gespräch mit einem Soldaten auf Heimaturlaub. Was dort zwischen Kölsch und Heidewitzka besprochen wurde, das soll auch dort bleiben. Hier ist nur wichtig: Es sind eben diese Facetten, die Judith Schaefer an ihrem Beruf, ihrer Berufung, so liebt: „Ich verschwinde nicht in der Kirche, ich kann weiter voll im Leben stehen – cool!“

Einen großen Teil ihres bisherigen Lebens sollte das Studium einnehmen. Mindestens zwölf Semester. Anschließend zweieinhalb Jahre Vikariat, das sie in der Gemeinde in Klettenberg absolvierte. „Vor dieser langen Strecke hatte ich Respekt“, gesteht Judith Schaefer. Doch auch dabei: Voll das Leben. Auslandsaufenthalte weiteten ihren Blick. Die sogenannten „Bibelfrauen“ in Indonesien haben sie tief beeindruckt. Deren Offenheit, über ihren Glauben zu sprechen in einem Umfeld, das nicht offen ist für Christen. Der Blick zurück auf die Zeit in St. Petersburg schmerzt. „Der Krieg gegen die Ukraine und welche Rolle dabei auch die Religion spielt“, sagt Judith Schaefer nachdenklich. Und dann sollte sie auf dem Weg, den sie 2003 in ihrem neunten Lebensjahr, betrat, ans Ziel kommen.

Pfarrerin Judith Schäfer: Da ist so viel, was mir wichtig ist.

29. Oktober 2023. Pfarrerin Judith Schaefer. Ordiniert zwei Tage vor dem Reformationstag. „Das habe ich bewusst gemacht“. Evangelisch sei sie nicht, weil sie als Katholikin keine Pfarrerin hätte werden können. „Das mit dem Luther habe ich schon früh verstanden. Evangelisch hat für mich mit Denken und Fragen zu tun.“ Und so, wie die Kirche heute sei, da stehe sie voll dahinter. „Mich stützt die Tradition.“ Aber nicht, dass sie falsch verstanden werde: „Ich denke nicht so sehr von der Kirche her, sondern vom Glauben. Ich will zu den Herzen der Menschen sprechen.“

"Ich spüre da durchaus einen Erwartungsdruck"

Aber die Herzen muss man erst einmal antreffen. Kirche ist in der Krise, auch die evangelische. Austritte prägen das Gemeindeleben. „Ich weiß, und jetzt kommt da die junge Pfarrerin, eine neue Generation, die soll mal alles anders machen“, sagt Judith Schaefer und lacht. „Ich spüre da durchaus einen Erwartungsdruck.“ Patentrezepte könne aber auch sie nicht bieten. Aber ein Versprechen: „Ich will jeden Tag versuchen, es besser zu machen.“ Und dafür hat sie ein paar Eckpfeiler. „Kirche ist kein Postgebäude. Wir müssen immer offene Türen haben, um für alle Menschen da sein zu können.“ Beim CSD sei sie mit der „Queeren Kirche“, einem Projekt der evangelischen Kirche Köln, mitgegangen. „Wir müssen uns zeigen, über unseren Glauben sprechen. Gott ist Mensch geworden, von diesem Geschenk möchte ich etwas weitergeben“, sprudelt es aus ihr heraus. „Und Jesus kam in einem Stall zur Welt, da war auch nicht viel drumherum“, zeigt sie sich bereit, anzupacken, aufzubauen.

Pfarrerin Judith Schäfer: Mitten im Leben

Mit ihrer Ordination war Judith Schaefer am Ziel – eigentlich. In Weiden/Lövenich stehen nun noch zwei Jahre Probedienst als Pfarrerin an. Dann kann sie sich auf freie Stellen bewerben. Und davon gibt es reichlich für junge evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer. Allerorten. Zwei Jahre, das ist ausreichend Zeit, um sich über die erste richtige Anstellung Gedanken zu machen. Aber so viel steht für die 29-Jährige schon jetzt fest: „Ich will Gemeindepfarrerin werden. In einer Gemeinde ist so viel möglich.“ Wo? „Da, wo ich gebraucht werde, wo ich dienen kann, wo es passt.“ Judith Schaefer hält inne: „Sorry, jetzt habe ich unheimlich viel gequatscht, aber da ist so viel, was mir wichtig ist.“ – Passt schon.