Seit Januar 2019 steuert Kämmerin Dörte Diemert (51) die Finanzen der Stadt Köln. Im Interview spricht sie darüber, was Köln sich in Zukunft noch leisten kann.
Kämmerin Dörte DiemertWas kann sich die Stadt Köln in Zukunft noch leisten?

Kölns Finanzdezernentin und Stadtkämmerin Dörte Diemert.
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Monatelang wurde in Köln über schmerzhafte Kürzungen im Doppelhaushalt 2025/26 gestritten. Ende März hat die Bezirksregierung den Etat genehmigt. Ist jetzt alles in Butter?
Dörte Diemert: Die Genehmigung war alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Sie war für alle ein Kraftakt. Und auch jetzt können wir uns keineswegs zurücklehnen und glauben, Köln hätte damit seine Hausaufgaben schon gemacht. Im Gegenteil. Die Kommunalaufsicht hat uns angesichts der katastrophalen Zahlen in unserem Haushalt sehr, sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass wir weiter gegensteuern und unsere Anstrengungen zur Konsolidierung verstärken müssen.
Wie schlimm ist die Lage?
Wir sind mitten in einer massiven Finanzkrise. Bundesweit weisen die kommunalen Haushalte derart tiefe Löcher auf, wie wir das in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik noch nicht erlebt haben. Das geht weit über das hinaus, was wir Städte in der internationalen Banken- und Finanzkrise 2008/09 erlebt haben – als Banken in die Knie gingen, Staaten finanziell ins Trudeln gerieten und Bundeskanzlerin und Finanzminister vor den Kameras erklärten, die Sparguthaben sind sicher. Wir haben im Moment wirklich einen Flächenbrand in unseren kommunalen Haushalten. Auch gute, wirtschaftsstarke Kommunen wie Köln, die in der Vergangenheit eigentlich immer ganz gut über die Runden gekommen sind, schreiben im Moment tiefrote Zahlen.
Woran liegt das?
Die Ursachen sind in vielen Fällen ähnlich: hohe Tarifabschlüsse, hohe allgemeine Kostensteigerungen, stark steigende Sozialausgaben – und die Einnahmen halten damit nicht Schritt. Kölns Steuererträge sind zwar immer noch auf einem guten Niveau, stagnieren aber eher. Und wenn die Ausgaben enorm steigen, die Einnahmen aber nicht, dann geht die Schere immer weiter auseinander. Zudem haben wir in Köln einen gewaltigen Investitionsstau, den wir abbauen wollen, und riesige Anforderungen an die Zukunftsfähigkeit der Stadt – Stichwort: Mobilitätswende, Energiewende, Sanierung der städtischen Gebäude und so weiter.
Die Bundesregierung will 500 Milliarden Euro in die Sanierung der Infrastruktur stecken. Was kommt in Köln davon an?
Es scheint so, dass sich die neue Regierung zumindest der Herausforderungen bewusst ist, vor denen die Kommunen stehen. Das gibt Hoffnung. Wir wissen aktuell aber noch nicht, wie die Verteilung der Mittel aus dem Infrastrukturpaket des Bundes sein wird. Wir hoffen und erwarten, dass ein großer Anteil vor Ort bei uns ankommt und den Bedürfnissen dieser Stadt gerecht wird, und dass diese Förderung möglichst unbürokratisch fließt, damit es schnell geht. Gleichzeitig wissen wir schon heute: Angesichts des massiven Investitionsbedarfs wird das allein nicht unsere Probleme lösen. Bestenfalls wird es uns eine gewisse Entlastung verschaffen und unsere Investitionstätigkeit in schwierigen Zeiten stabilisieren.
Die Stadt hat zig Baustellen gleichzeitig vor der Brust: Schulen, Brücken, Oper, MiQua, Römisch-Germanisches Museum, Wallraf-Richartz-Anbau und mehr. Kann sich Köln weitere Großprojekte leisten?
Eine leistungsfähige Infrastruktur ist für eine Stadt von zentraler Bedeutung. Deswegen finde ich es richtig, dass wir als Stadt auch in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Investitionen, die überfällig waren, angegangen sind. Aber angesichts der Haushaltskrise werden wir nicht umhinkommen zu priorisieren. Wir müssen sehr genau überlegen: Mit welchen Standards erledigen wir welche Aufgaben? Muss es alles gleichzeitig sein? Kann man nicht bestimmte Projekte in eine Reihenfolge bringen? Denn alle Projekte brauchen sowohl Personal- als auch Finanzressourcen.
Was ist mit der Ost-West-Achse?
Bei diesem Projekt liegt ein Großteil der finanziellen Folgen und Haushaltsbelastungen noch weit außerhalb unseres Planungshorizonts. Wie stark sie sein werden, das heißt wie viele Eigenmittel die Stadt in die Hand nehmen muss und wie hoch die langfristigen Belastungen sein werden, wird davon abhängen, welche Förderung es geben wird. Grundsätzlich gilt: Alle Investitionen verursachen langfristige Folgekosten und werden daher die Handlungsspielräume an anderer Stelle einengen. Das gilt sowohl für einen Tunnelbau als auch für Museumsbauten, den Neubau der Bühnen oder des Radstadions. Das muss daher sorgsam abgewogen werden. Glücklicherweise ist es so, dass wir in Köln nicht in der Situation sind, wie das in anderen Städten der Fall ist, uns keine Investitionen mehr leisten zu können und nur noch dem Verfall der Infrastruktur zusehen zu müssen.
Trotzdem hat Köln jahrzehntelang seine Schulen verfallen lassen. Jetzt hat sich das Schulbaupaket mal eben von 1,7 auf 2,8 Milliarden Euro verteuert.
Inzwischen bauen wir als Stadt im großen Stil Schulen und gehen auch in der Sanierung enorm voran. Früher stand das nur in der Planung, jetzt wird tatsächlich gebaut. Das ist gut, und darauf können wir stolz sein. Wir müssen allerdings aufpassen, dass wir uns finanziell nicht überheben. Für jede Schule, die fertig wird, zahlen wir langfristig, und die aktuellen, massiven Kostensteigerungen sind im Haushalt, der ja schon tiefrot ist, bisher noch gar nicht abgebildet. Sie werden den Druck daher weiter erhöhen. Deshalb sollten wir zusehen, dass wir uns wirklich auf das Notwendige und auf die fachlich geforderten und anerkannten Standards beschränken.
Der Stadtrat hat den Hebesatz zur Grundsteuer B gegen Ihre Empfehlung gesenkt. Jetzt klafft ein Loch von 5,4 Millionen Euro pro Jahr im Doppelhaushalt 2025/26. Muss der Satz 2027 wieder angehoben werden?
Die Absenkung des Hebesatzes von 515 auf 475 Prozent hat gegenüber dem ersten Haushaltsentwurf zu Mindereinnahmen von 23 Millionen Euro pro Jahr geführt. Der Rat hat beschlossen, diese Lücke für zwei Jahre mit zusätzlichen Gewinnen der Rheinenergie zu schließen. Bei diesen handelt es sich aber um Sondereffekte und ich gehe nicht davon aus, dass man dauerhaft in dieser Größenordnung auf Ausschüttungen der RheinEnergie wird zurückgreifen können. Im Gegenteil, wir diskutieren beim Stadtwerkekonzern im Moment ja eher, ob wir die derzeit eingeplante Ausschüttungshöhe von 50 Millionen Euro pro Jahr langfristig aufrechterhalten können oder ob es weniger werden soll, damit Investitionen in die Mobilitätswende und Klimawende finanziert werden können. Ich bin froh, dass sich der Rat mit breiter Mehrheit dazu bekannt hat, sich frühzeitig Gedanken darüber zu machen, wie eine Lösung ab 2027 aussehen kann.
Der Rat hat auch beschlossen, dass die Stadtverwaltung ein Konzept für eine Steuer auf Einwegverpackungen vorbereiten soll. Wie weit ist die Stadt damit?
Es handelt sich um eine Lenkungssteuer, bei der weniger die Erzielung von Einnahmen als vielmehr die Abfallvermeidung im Vordergrund steht. Unter Führung des Umweltdezernats wird derzeit das Konzept erarbeitet. Es gibt einiges zu besprechen und abzuwägen. Ein wichtiges Ziel ist meines Erachtens auch, dass die Steuer möglichst bürokratiearm ist. Und zwar sowohl für die Betriebe als auch für die Verwaltung. Ganz entscheidend wird natürlich die Frage sein: Was konkret wird besteuert? Getränkebecher sicherlich, aber was ist mit der Pommes-Tüte? Der Pommes-Gabel? Geht es nur um Speisen und Getränke zum Mitnehmen oder auch um Fertiggerichte im Einzelhandel? Das muss geklärt werden.
Ihre achtjährige Amtszeit als Finanzdezernentin und Stadtkämmerin endet im Januar 2027. Möchten Sie danach gerne weitermachen?
Für diese Frage ist es noch ein bisschen früh, oder? Der Rat entscheidet über Zuschnitt und Besetzung der Dezernate und wird im September ja neu gewählt. Daher habe ich mich mit dem Gedanken bisher noch nicht ernsthaft beschäftigt.
Macht Ihnen Ihr Job eigentlich noch Spaß angesichts all der Krisen?
Ja, ich mache meine Arbeit sehr gerne. Ich bin schon so lange im Bereich Kommunen und Finanzen tätig, dass ich schon viele Aufs und Abs erlebt habe. Da entwickelt man eine gewisse Widerstandsfähigkeit. Ich weiß: Nach dem Sturm kommt irgendwann auch wieder Sonnenschein und ruhigeres Wetter. Das gibt einem die Kraft durchzuhalten und Kurs und Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Steuereinnahmen gehen weiter zurück
248 Millionen Euro weniger Einnahmen als geplant erwartet Kölns Stadtkämmerin Dörte Diemert in den nächsten fünf Jahren für den städtischen Haushalt. Grund für die neue Lücke sind sinkende Steuererträge. Nach der jüngsten Steuerschätzung des Bundes vom Mai wurden die Prognosen erneut nach unten korrigiert. Das sei „die direkte Folge des enttäuschenden Verlaufs der wirtschaftlichen Entwicklung“, teilte Diemert dem Finanzausschuss des Rates mit.
Durch den Steuerrückgang fehlen im Kölner Haushalt dieses und nächstes Jahr jeweils 35,5 Millionen Euro. Bis 2029 steigt die jährliche Lücke auf 73,8 Millionen Euro. Bei der Gewerbesteuer rechnet die Stadt für die fünf Jahre von 2025 bis 2029 jetzt mit insgesamt 9062,4 Millionen Euro Einnahmen. Das sind 232 Millionen Euro weniger als nach der Steuerschätzung vom Oktober 2024 vorhergesagt. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer sinkt nach der neuen Prognose in diesem Zeitraum um 66,4 auf 3956 Millionen. Dagegen steigt der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer gegenüber dem bisherigen Plan um 33,7 auf 988,2 Millionen Euro. (fu)