Bio Campus BocklemündPotenzial für mehr Ausbau und Vernetzung

Die Produktionsanlagen von Nattermann liegen nach wie vor an ihrem bisherigen Standort.
Copyright: Nabil Hanano
Köln/ Bocklemünd – Es fällt Geschäftsführer André van Hall nicht immer ganz leicht, seine Begeisterung für einen möglichen Aus- und Umbau des Biocampus in Bocklemünd zurückzuhalten. Der Campus ist gemeinsam mit dem Rechtsrheinischen Technologie- und Gründerzentrum in Kalk eine städtische Tochter – und zwar eine, die nach seiner Einschätzung noch sehr viel Potenzial birgt.
Die Lage des Standortes, die Infrastruktur und vor allem die noch unbebauten Flächen sind Teil einer Entwicklungsmöglichkeit, die es in Köln nur noch selten gibt. Es hat sich bereits einiges getan auf dem ehemaligen Nattermann Werksgelände – das Pharmaunternehmen produziert bis heute hier, mittlerweile unter der Regie von Sanofi. Aber es könnte noch mehr werden.
„Biopark" 2002 gegründet
2002 wurde nach einigen Umwegen und Besitzerwechseln der „Biopark“ gegründet. Das Gelände ging an die Stadt über und beherbergt heute 35 Technologieunternehmen mit etwa 1200 Beschäftigten auf einer Fläche von etwa 30 000 Quadratmetern. Darunter auch hoch spezialisierte Firmen. Im rechtsrheinischen Technologie- und Gründerzentrum Kalk, ebenfalls einer städtischen Tochter und zusammen geführt mit dem Biocampus, sind es genauso viele – aber ohne die Chancen auf Erweiterung.
Und genau hier sieht van Hall das Bocklemünder Potenzial: Ein interdisziplinäres Ökosystem zu schaffen, „das es in dieser Konsequenz kein zweites Mal in NRW gibt“.
Das Gelände in Bocklemünd
In drei Stufen könnte nach den ersten Plänen der Ausbau des Biocampus Cologne vonstatten gehen. Nach der bereits erfolgten Sanierung des Altbestandes und der Anpassung insbesondere des Hochhauses (s. obere Grafik) an moderne Erfordernisse käme die erste Phase, genannt Aufbruch: dort würden zunächst einmal 14 statt der bisherigen acht Gebäude stehen, Platz wäre demnach für insgesamt 70 Unternehmen mit 2500 Beschäftigten auf rund 70 000 Quadratmetern.
Die zweite Phase, genannt „Wachstum“, beinhaltet dann 22 Gebäude mit etwa 120 000 Quadratmetern, 120 Unternehmen und 3800 Beschäftigten.
Die dritte Phase wäre das Finale (s. Grafik unten): 171 500 Quadratmetern Grundfläche, 170 Unternehmen und 5000 Beschäftigten. Der gesamte Ausbau des Geländes würde nach diesem Fahrplan voraussichtlich bis zum Jahr 2045 abgeschlossen sein können.
1965
erfolgte durch das Pharmaunternehmens Nattermann die Erschließung des Geländes als Produktionsstandort. Es entstanden auf einer Fläche von 37 000 Quadratmetern ein Verwaltungsgebäude mit Produktionsanlagen und einer Anbaufläche für Heilpflanzen, in das die Firma im August 1967 einzog. 1986 wurde das Unternehmen an Rhône-Poulenc verkauft. 1999 fusionierte es mit Hoechst und gründete ein neues Unternehmen namens Aventis, das 2004 von Sanofi übernommen wurde. Seitdem gehört Nattermann zu Sanofi.
Unter der Regie von Sanofi sind heute 440 Mitarbeiter mit der Produktion von jährlich 100 Millionen Arzneimitteln beschäftigt. Das Verwaltungsgebäude wurde im April 2002 in den Biotechnologiepark „Biocampus Cologne“ eingebracht. Die ehemalige Hauptverwaltung wurde grundlegend saniert. (two)
Seine Vision vom „Kölner Weg“ ist eine Begleitung von der Hochschule über das Start-up bis zum Scale-up-Unternehmen, das von der Größe wie vom regionalwirtschaftlichen Effekt im Konzert der Großen mitspielt – und auch im Wachstum auf dem Biocampus angesiedelt bleiben kann. „Hier ist das Potenzial des Geländes noch nicht ansatzweise ausgeschöpft“, sagt van Hall.
Die gesamte Region besser vernetzen
Beim Stichwort „Fläche“ treten in Köln immer gleich mehreren Vertretern verschiedener Institutionen Schweißtropfen auf die Stirn – es gibt zu wenige, speziell solche, die auch internationalen Playern genug Raum geben könnten. Van Hall denkt deshalb auch über Bocklemünd hinaus: Es müsse doch möglich sein, sagt er, die gesamte Region besser zu vernetzten und nicht immer am Ortsausgang Halt zu machen.
Denn die Lage könnte kaum besser sein: Im Herzen Europas gelegen, gut angebunden, mit attraktiven Highlights, die auch versierte Fachkräfte anlocken. Mit Köln als pulsierendem Zentrum einer zukunftsweisenden Bio-Technologie.
Das bedingt, dass die Firmen, auf die man in Bocklemünd abzielt, interdisziplinär zusammenarbeiten und sich vor Ort miteinander austauschen können. Van Hall nennt hier die vier Felder Chemie/Umwelt, Medizin, Digitalisierung und Engeneering, die alle im Umfeld der immer wichtiger werdenden „Life Science“, der Biowissenschaften, agieren.
Erste Ansätze in Berlin und Dortmund
Erste Ansätze dazu gibt es bereits, etwa in Berlins Technologiepark Adlershof oder am Standort Dortmund. „Wir müssen aufpassen, jetzt nicht den Anschluss zu verlieren“, ist van Hall überzeugt. Wenn der Zug einmal in Bewegung sei, werde es schwer, noch aufzuspringen.

Das ehemalige Verwaltungsgebäude wurde umfassend saniert und bietet einer ganzen Reihe von Biotech-Firmen Platz.
Copyright: Fotos: Nabil Hanano
Allerdings ist es keineswegs preiswert, exzellente Laborbedingungen zu schaffen. Die Anforderungen sind hier um ein Vielfaches höher als für Bürobauten. Ein leistungsstarker öffentlicher Nahverkehr wäre wohl überdies wünschenswert. Möglicherweise aber eine Investition, die mittel- bis langfristig Rendite einfährt.
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Immerhin haben sich über den Campus schon einige nationale wie internationale Schwergewichte in Köln niedergelassen. Die meisten im Life-Science-Bereich, viele auch mit Überschneidungen in andere Sparten. Auch Bayer ist vertreten. Aber es sollen natürlich noch mehr werden.
Dazu ist Überzeugungsarbeit notwendig, auch deshalb ist van Hall im Moment viel in der Verwaltung und Politik unterwegs, um für die Pläne zu werben. Die im Übrigen noch keineswegs konkret ausgearbeitet sind, die Folien und Grafiken dienen zunächst einmal nur der Veranschaulichung des vorhandenen Potenzials.
Vorsichtig in Richtung schwarze Zahlen
Wirtschaftlich gesehen hat der Biocampus in den letzten Jahren eine gute Leistungsbilanz vorzuweisen. Waren beim Erwerb im Jahr 2012 noch hohe Defizite von bis zu drei Millionen Euro geplant, schaut man mittlerweile ganz vorsichtig auf schwarze Zahlen, trotz einiger Kraftanstrengungen wie dem Umbau des Hochhauses.
Van Hall und sein Team träumen bei der Weiterentwicklung nicht von dem einen, dem ganz großen Durchbruch wie etwa bei Biontech für Mainz. Solche Dinge passieren vielleicht einmal in hundert Jahren. Er denkt lieber an mehrere kleine „Biontechs“ aus Köln, die dennoch ihren Weg national wie auch international machen.
Und davon, dass dem Biocampus in Bocklemünd mehr Aufmerksamkeit widerfährt: „Letztlich ist das auch eine Marketing-Herausforderung“, glaubt er und ist sich sicher: „In den kommenden Jahren wird man viel mehr über den Biocampus und die dort ansässigen Unternehmen hören.“