Armutsbetroffenenheit in VingstPfarrer Meurer: „Ihr müsst Power zeigen“

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Franz Meurer bei der Kundgebung in  Vingst 

Pfarrer Franz Meurer begrüßte den etwa 20-köpfigen Smart Mob gleich mit einer Warnung: „Ich könnte ja sagen: Willkommen im ärmsten Stadtteil Kölns“, so der Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Theodor und St. Elisabeth. „Das stimmt zwar auch, aber man soll sich nicht immer als Opfer darstellen. Ihr müsst Power zeigen.“ Smart Mobs werden die Treffen der Initiative „#ichbinarmutsbetroffen“ genannt.

Dazu lädt die Kölner Ortsgruppe alle 14 Tage ein, um auch im wirklichen Leben auf ihre Anliegen, eine Anhebung der Regelsätze von Hartz IV-Empfängern beispielsweise, aufmerksam zu machen. Seit Ende Mai schließen sich der auf Twitter gestarteten Initiative immer mehr Leute an, rund 300.000 Tweets seien seither eingegangen, erklärt Kati B. stolz. Sie möchte – wie einige andere aus der Gruppe – nicht ihren vollen Namen nennen.

Das wirkliche Leben ist auch Pfarrer Meurers Metier: „Ihr solltet euch an die Gewerkschaften wenden, an Verdi zum Beispiel, und mit denen gemeinsam Forderungen aufstellen“, schlug er vor. Das sei in der Tat die weitere Strategie der Gruppe, erklärte Petra S. Schon für den Herbst, wenn Entscheidungen über die Erhöhung der Grundsicherung anstehen, seien gemeinsame Aktionen geplant, etwa mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Dessen Vorschlag, den Regelsatz auf 674 Euro anzuheben, sei schließlich eine gute Diskussionsgrundlage, wie viele im Smart Mob bekräftigten.

Es geht auch um Geringverdiener

„Selbstverständlich sind auch schon Parteien an uns herangetreten, Die Linke vor allen Dingen, die ja auch wirklich viele unserer Anliegen vertritt. Aber von der Politik möchten wir uns erst einmal fernhalten“, so Petra S. Ihre Mitstreiterin Kati B. lehnt aber den Vergleich mit der französischen Gelbwesten-Bewegung ab: „Wir wollen nichts zerstören, wir sind keine Hass-Gruppe.“ Betont wird vor allem, dass es nicht nur um Hartz IV-Empfänger gehe, sondern beispielsweise auch um Geringverdiener, Alleinerziehende, Bafög-Empfänger, behinderte Menschen, Wohnungslose, People of Color – all jene, die nicht genug Geld für ein Leben in Würde haben.

„Mehr als 13 Prozent in Deutschland leben unterhalb der Armutsgrenze, das ist fast jeder Sechste“, sagt Heike Towae. Angesichts von Inflation und Kostensteigerungen bei Energie und Lebensmitteln werde deren Situation zunehmend untragbar. Mehrere Redner stellen anschaulich dar, was das konkret bedeutet: Herabsetzende Behandlung von Seiten der Verwaltung, kein Geld für Hobbys, Haustiere oder den Kinobesuch. Auch sei es entwürdigend, auf die Versorgung durch die Tafel angewiesen zu sein oder beim Kneipenbesuch mit Freunden nur Geld für ein Getränk zu haben.

Am 6. August soll ab 18 Uhr auf dem Wiener Platz eine Großveranstaltung von „Hashtag Ich bin armutsbetroffen“ stattfinden. Dann wird Petra S. auch wieder dabei sein. „Ab September wird's schwieriger, weil dann das 9-Euro-Ticket abgelaufen ist und ich mir keine normale Fahrkarte leisten kann“, sagt die in Bonn lebende Frau. „Vielleicht mache ich eine eigene Ortsgruppe auf.“ Eine Petition mit den wichtigsten Forderungen der Initiative kann online unterzeichnet werden. weact.campact.de/petitions/wir-wollen-in-wurde-leben-schafft-armut-ab

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