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Kalker „Atombunker“Könnten Kölner hier im Angriffsfall Schutz finden?

Lesezeit 4 Minuten
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Dicht gedrängt säßen die Menschen im Ernstfall im Atombunker Kalk – wie hier bei einem Theaterstück 2019. 

Köln – Im Kalten Krieg gab es diesen lustigen US-amerikanischen Propagandafilm, in dem Schülern im Falle eines Atomangriffs empfohlen wird: „Duck and cover.“ Man soll sich ducken und unter irgendetwas Schutz suchen, wenn der große Knall kommt. Ähnlich skurril, aber wohl ebenso sinnlos muten die mit deutscher Präzision geplanten Schutzräume an.

Im so genannten „Atombunker“ in der U-Bahnhaltestelle Kalk-Post sollten im Ernstfall 2366 Menschen Schutz hinter massiven Schleusentoren aus Spezialstahl finden. Ein ockergelb gestrichenes funktionales Areal mit Lebensmittellagern, Luftkühlungssystem mit Aktivkohlefiltern, einer Krankenstation und sogar einem Sanitätsraum mit den Ressourcen für ambulante Operationen. Wasser sollte von zwei Zisternen und einem Tiefbrunnen bezogen werden. Auf 50 Personen wäre eine Toilette gekommen.

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Auch einen Sanitätsraum für die Versorgung von Kranken gab es im Atombunker, doch der Medikamentenvorrat war begrenzt.

Vorräte wären für zwei Wochen da – bei zwei Wochen „Vorwarnzeit“

Auch die Gleisanlagen mit ihren im Alltagsbetrieb überdimensioniert wirkenden 110 Meter langen Bahnsteigen, deren Wände hellblau gekachelt sind, mit weißen und dunkelblauen vertikalen Streifen, sollten im Falle eines Angriffs mit atomaren, biologischen oder chemischen Waffen durch 40 Zentimeter starke Stahltore verriegelt werden. Im Ernstfall sollten sechs Straßenbahnen einfahren, die als Schlaf- und Aufenthaltsräume genutzt worden wären. Zwei Wochen hätten die Vorräte gereicht – vorausgesetzt, dem Angriff wäre eine zweiwöchige Vorwarnzeit vorausgegangen, denn so lange hätte die Bestückung der Anlage mit Lebensmitteln in etwa gedauert. Auch in der U-Bahn-Station Rudolfplatz befindet sich ein solcher Schutzraum für 1536 Menschen.

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Mit verschiedenen Pumpen und Dieselgeneratoren sollten die Menschen 14 Tage lang mit Frischluft und Wasser versorgt werden.

Lange galten die 2007 stillgelegten Anlagen als bloße Relikte der Vergangenheit, die an die Schrecken des Kalten Kriegs erinnern. Doch seit Putins Angriff auf die Ukraine und seiner Drohung mit Atomwaffen sind sie wieder in den Fokus gerückt.

Zivilschutz in NRW soll ausgebaut werden

Laut NRW-Innenministerium plant der Bund eine Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Bunker und will ihre Umnutzung stoppen.

Der Bundesvorstand der Grünen beschloss am Montag ein 15-Punkte-Programm zur Stärkung des Zivilschutzes. Gefordert wird, mehr Schutzräume zu schaffen und „grundsätzlich geeignete Bauten wie U-Bahnhöfe, Tiefgaragen oder Keller in öffentlichen Gebäuden in Schutzkonzepte einzubeziehen“. Künftig sollen mehr Vorräte angelegt und „umfangreiche Fähigkeiten zur Unterbringung und Versorgung von Menschen vorgehalten werden“.

Führung

Zum 36. Jahrestag der Atomkatastrophe von Tschernobyl informiert Greenpeace heute von 17 bis 19 Uhr an der U-Bahn-Haltestelle Kalk Post über die Gefahren nuklearer Verseuchung und die Verbindung zwischen ziviler Atomindustrie und militärischen Atomwaffenprogrammen.

Um 18 Uhr wird eine kostenlose Führung durch den ehemaligen „Atombunker“ in der U-Bahn angeboten. Für die Führung gilt 2G plus (geimpft oder genesen plus Test). Anmeldung nur vor Ort, maximal 40 Teilnehmer. Treffpunkt ist um 17.45 Uhr an der Dokumentationsstätte Kalter Krieg (DOKK), Robertstraße 2, 51105 Köln. (fu)

Macht es also Sinn die alten Bunkeranlagen zu reaktivieren? Die Stadt Köln teilte auf Anfrage mit, man habe „die Reaktivierung geprüft mit dem Ergebnis, dass dies kurzfristig nicht möglich ist. Die stillgelegten Schutzräume sind aktuell nicht nutzbar und müssten komplett neu ausgestattet werden.“ Wie viel das kosten würde, wisse man nicht.

Vermehrt Anrufe von besorgten Kölner Bürgern

Robert Schwienbacher vom Verein Dokumentationsstätte Kalter Krieg (DOKK), der sich um die beiden Areale kümmert, erhält seit Beginn des Ukrainekriegs verstärkt Anrufe von besorgten Bürgern, die sich einen Platz im Atombunker Kalk sichern wollen. Schutz vor einer Atombombenexplosion würden die Anlagen jedoch nicht bieten, weiß der Experte. „Die Schutzräume waren schon damals eine Illusion und wären es heute erst recht. Sie wurden eher zur Beruhigung der Bevölkerung gebaut. Das Einzige, das uns schützt, ist der Frieden.“ Würde man eine heutige Atombombe über Köln detonieren lassen, bliebe von der Stadt praktisch nichts übrig, so Schwienbacher. „Die Zerstörung würde bis Recklinghausen und Koblenz reichen, von der Radioaktivität ganz zu schweigen.“

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Dass der Bevölkerungsschutz wieder eine höhere Priorität bekommen soll, findet er jedoch gut. Die Flutkatastrophe an der Ahr habe ja gezeigt, wie hilflos die Behörden waren. Von maßlosem Hamstern hält er nichts, doch mache es durchaus Sinn, sich zu Hause einen kleinen Vorrat an Konserven und Trinkwasser zur Überbrückung von Versorgungsengpässen anzulegen.

In Köln gibt es übrigens rund 150 Trinkwassernotbrunnen. Diese würden jetzt „sukzessive überprüft und wo nötig instandgesetzt und modernisiert“, so die Stadt. Feuerwehr und Rettungsdienst haben ein eigenes Sanitätsmittellager.