Kölner „Spurensuche“Wie Billie Holiday in Köln ein blaues Auge kassierte

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  • Wo hat Romy Schneider gelebt? Wo hat Max Schmeling geboxt? In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Zeit in Köln vor.
  • Historiker Anselm Weyer befasst sich heute mit Billie Holliday.
  • Die legendäre Jazzsängerin gab 1954 ein Konzert in Köln.

Daheim in Amerika war sie wegen zahlreicher Drogendelikte kaum mehr salonfähig und hatte zeitweise Auftrittsverbot. Umso mehr genoss die vielleicht größte Jazzsängerin aller Zeiten ihre Europatournee 1954, die sie am 22. Januar 1954 nach Köln brachte. In Erinnerung behielt Billie Holiday jedoch weniger ihr Konzert in der Kölner Messehalle, sondern ein blaues Auge.

Sie hatte gebeten, eine Entziehungskur machen zu dürfen. Stattdessen kam Billie Holiday ins Gefängnis, nachdem sie im Mai 1947 wegen Drogenbesitzes verhaftet worden war. Nach ihrer Entlassung gesellten sich deshalb zu ihren Drogenproblemen finanzielle Schwierigkeiten, denn Vorbestrafte durften damals nicht an Veranstaltungsorten mit Alkoholausschanklizenz auftreten.

Triumph und Drogen

In den folgenden Jahren wechselte triumphale Konzerterfolge mit Festnahmen wegen Drogenmissbrauch und öffentlichen Zusammenbrüchen. Als sie sich 1954 besonders stark von der Justiz verfolgt und zu wenig respektiert fühlte, kam ihr ein Angebot wie gerufen: eine Tournee durch Europa. „Ich glaube, dass jeder schwarze Künstler schon einmal davon geträumt hat, nach Europa zu gehen“, schreibt Billie Holiday in ihrer Autobiographie: „Einige sind sogar hingegangen und nicht mehr zurückgekommen.“

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Für Holiday war es schwierig, überhaupt hinzukommen. Ein Schneesturm verhinderte die Landung ihres Flugzeugs in Stockholm, wo die Tournee am 11. Januar begann. Umgeleitet nach Kopenhagen, reiste Holiday mit dem Zug und musste angekommen direkt mit weiterem Ungemach klarkommen. Zwar hatte sie ihren eigenen Pianisten mitgenommen. Bassist und Schlagzeuger aber sollten aus dem Pulk der zwölf anderen amerikanischen Jazzmusiker, die mit von der Partie waren, rekrutiert werden. Aber keiner wollte mit Billie spielen. Die Qualität der Auftritte der legendären „Lady Day“ sei mittlerweile zu schwankend. Als sich schließlich doch Red Mitchell und Elaine Leighton bereit erklärten, war es zu spät für gemeinsame Proben.

Der Rundschau war das Konzert damals nur eine Randnotiz wert.

Der Rundschau war das Konzert damals nur eine Randnotiz wert.

„Es war abgemacht, dass wir in dreißig Tagen vierzig Konzerte geben sollten, manchmal zwei an einem Abend, und dabei durch Schweden, Norwegen, Dänemark, Deutschland, Holland, die Schweiz, Italien und Frankreich fuhren. Anschließend sollte ich allein in England auftreten“, beschreibt Holiday ihren vollgepackten Kalender. „Mit so einem Programm haben wir natürlich nicht viel von Europa gesehen außer dem, was man so aus den Fenstern eines Busses oder aus tausend Fuß Höhe sieht.“ Holiday machte Erfahrungen mit einem damals noch zersplitterten Europa. „Jeden Tag überquerten wir mindestens eine Grenze und immer gab es anderes Geld.“

Für das Geld zuständig war Louis McKay, Billie Holidays letzter Ehemann, der ebenso gewalttätig war wie die meisten anderen Männer, mit denen sie sich abgab. Seinetwegen wurde, erinnert sich Holiday, „eine Nacht, die ich in Köln verbrachte, zur Komödie“. Ohne Louis nämlich war die Sängerin nach dem Auftritt zu einer Jamsession gegangen. Nachdem ein Taxi sie wieder zurück zum Hotel gebracht hatte, musste sie dem Fahrer gestehen, dass sie kein Geld bei sich hatte. „Der Taxichauffeur antworte mir auf deutsch. Ich verstand kein Wort, begriff aber, dass der Fahrer mich ins Gefängnis bringen wollte.“

In Köln trat sie im Januar 1954, fünf Jahre vor ihrem Tod, in der Messe auf.

In Köln trat sie im Januar 1954, fünf Jahre vor ihrem Tod, in der Messe auf.

Die unergiebige Diskussion wurde in die Hotelrezeption verlegt, wo die Sängerin den Portier bat, ihren Mann oben im Zimmer anzurufen. „Er sagte, dass er das schon getan hätte, mein Mann sich aber weigerte, die Rechnung zu bezahlen. Also redete ich auf den Fahrer ein, er redete auf mich ein und der Mann an der Rezeption redete auf uns beide ein.“ Die Situation wurde erst gelöst, als der verzweifelter Portier abermals bei Louis McKay anrief. „Noch während er telefonierte, hellte sich seine Miene plötzlich auf.“ Ihm war soeben mitgeteilt worden, dass Holiday sehr wohl Geld bei sich trage – und zwar in ihrem Dekolleté. „Ich sah nach, zog das Geld raus, bezahlte alles und jedermann war zufrieden“, berichtet Holiday, die daraufhin ängstlich nach oben ging. „Die Zimmertür war offen, und da ich annahm, dass Louis neben der Tür stand, um mir die Meinung zu sagen, nahm ich meine ganze Kraft zusammen, streckte die Arme aus und hechtete in das Zimmer“. Louis jedoch lauerte ihr keineswegs auf , sondern lag regungslos im Bett. „Ich war so erstaunt, dass ich die Balance verlor und einfach weiterstolperte“, erzählt Holiday. „Nichts konnte mich mehr bremsen und so fiel ich hin und stieß mir das Auge an einem der antiken Bettpfosten.“ Am nächsten Morgen brachte sie ihr blaues Auge in Erklärungsnot. „Was ich auch sagte, niemand wollte mir glauben, dass Louis mich nicht in die Mangel genommen hatte.“

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Billie Holidays Autobiographie ist mit einigen Ungereimtheiten durchsetzt. So müsste sie sich das blaue Auge eigentlich tags zuvor in Düsseldorf geholt haben. Nach ihrem dortigen Auftritt soll sie über die Feuerwehrleiter aus dem Hotel geschlichen sein, um noch in Gigi Campis Boheme in Duisburg zu feiern. Ob es nun Louis McKay oder der Bettpfosten war, fest steht, dass Billy Holiday in Köln mit Fettschminke und Sonnenbrille auftrat, um nicht zuletzt mit „My Man“ einen ihrer Klassiker zu singen: „He isn't true/ He beats me, too/ What can I do? “

Sie sei eine 38-jährige „mit dem Gesicht einer 50-jährigen“, hatten Kritiker schon 1954 bei ihren Deutschlandkonzerten geschrieben. Nach etlichen weiteren Drogenexzessen wurde Billie Holiday am 31. Mai 1959 ins Krankenhaus eingeliefert. Polizisten standen an ihrem Bett, um sie wegen Drogenbesitzes zu verhaften, als sie am 17. Juli 1959 mit nur 44 Jahren starb.

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