Die Pixies liefern vor 4000 Menschen im Palladium eine Supersause, nicht nur für Nostalgiker.
Konzert in KölnDie Pixies sind wie Schokolade mit 98 Prozent Kakaoanteil

Der Kapitän des Indierock-Schaukelschiffs: Pixies-Sänger Black Francis im Palladium.
Copyright: Thomas Brill
1988 gewinnt eine kanadische Sängerin für die Schweiz den ESC, der da noch „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ heißt. Eine Berliner Punkband gibt ihr Abschiedskonzert auf der nordfriesischen Insel Sylt. Und drei US-Amerikaner und eine US-Amerikanerin veröffentlichen beim britischen Indie-Label 4AD ihr Debüt-Album, dessen Cover eine barbusige Flamencotänzerin ziert.
1988 weiß Céline Dion noch nichts von ihrem Welterfolg. Die Band Die Ärzte hat keinen Schimmer von ihrem Neustart. Und die Pixies ahnen nicht, dass sie – nach acht weiteren Studioalben, zeitweiliger Auflösung und zwei Bass-Neubesetzungen – Anfang Mai 2025 in Köln sein werden. Um in einer ausverkauften Halle zu spielen, die Palladium heißt. Freitagabend tun sie das.
Für rund 4000 Leute im Publikum ist der Abend großartig. Was vielleicht auch daran liegt, dass die Pixies so sind wie Schokolade mit 98 Prozent Kakaoanteil. Man muss nur Schokolade durch Konzerte ersetzen und Kakao durch Musik. Bei 32 Stücken in 94 Minuten bleibt auch in Köln kaum Platz für Zucker (in Form von Wortbeiträgen). Wobei die superlange Setliste auch der Kürze einiger Songs geschuldet ist. Stücke wie „Isla de Encanta“ oder „Tame“ brauchen keine zwei Minuten oder liegen, wie „Cactus“, knapp drüber.
Die Pixies in Köln: Perfekter Treibstoff für Zeitreisende
Wenn die Pixies um 20.59 Uhr überpünktlich anfangen, schallt ihnen schiere Begeisterung entgegen. Die nahtlos ins erste Stück „Ernest Evans“ vom neuen Album „The Night the Zombies Came“ übergeht. Aufheulend, druckvoll und rasant gerät die Indierockschiffschaukel in Schwung. Unermüdlich angetrieben vom mittlerweile 60-jährigen Black Francis, Gitarrist Joey Santiago, Drummer David Lovering und Bassistin Emma Richardson. Letztere ersetzt seit 2024 Paz Lenchantin und übernimmt auch deren Gesangsparts, was so lässig gelingt, als wäre das schon immer ihr Ding gewesen.
Still stehen kann an diesem Abend niemand. Für Zeitreisende, die die 1980er Jahre noch aus eigener Anschauung und -fühlung kennen, bietet die Supersause mit den Hits der frühen Pixies-Ära den perfekten Treibstoff. Aber neben solchen „Dolittle“-Klassikern wie „Gouge Away“, „Wave of Mutilation“ oder „Monkey Gone to Heaven“ können auch neue Stücke wie „Mercy Me“ oder „The Vegas Suite“ bestehen. Wenn um 21.55 Uhr „Here Comes Your Man“ erklingt, gefolgt von „Where Is My Mind“, packt die Nostalgie derbe mit Samthandschuhen zu. Und hier und da fließen sogar ein paar Tränchen.
Dass man im Palladium, wie immer, wenn es ausverkauft ist, nicht die besten Sichtverhältnisse vorfindet, könnte die Stimmung trüben. Nur hier und da erhascht man einen Blick auf die Bassistin mit den kurzen blonden Haaren, auf den Drummer mit seinem weißen Käppi, die Silhouette des Gitarristen oder das Logo der Pixies, mit geflügeltem P wie Pegasus. Und manchmal auch auf Black Francis, der wie ein massiver Fels in der stürmisch brausenden Brandung wirkt oder wie der coole, stoisch-souveräne Kapitän des Indierockschaukelschiffs. Muss es aber nicht. Die Magie der Pixies ist so mächtig, dass man glaubt, man könne Zigaretten riechen – die längst verboten sind.