„Ein himmlisch guter Job“Was Hedi Michels als Domschweizerin in Köln erlebt

Mit Stolz und Freude trägt Hedi Michels ihren Talar als Domschweizerin.
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- Hedi Michels ist eine von vier Frauen, die seit rund acht Monaten als Domschweizerinnen arbeiten.
- Für sie ist das Amt, dass sie neben ihrer Arbeit als Krankanschwester ausübt, eine Herzensangelegenheit.
- Unser Autor Ingo Schmitz hat sie bei der Arbeit begleitet.
Köln – Als die Zusage kam, stand damit auch die Farbe des neuen Brillengestells fest. Rot. So wie der Talar der Domschweizer. Pardon: Domschweizerinnen. Seit Mai 2019 gehört Hedi Michels zu den ersten Frauen in dieser Männerdomäne (siehe Kasten). Sie bewacht den Dom. Und dass sie die Farbe ihrer Brille mit der ihres neuen Arbeitsgewands abgeglichen hat, zeigt: Das ist kein Job wie jeder andere für sie, das ist eine Herzensangelegenheit. Auch noch nach den ersten acht Monaten.
„Schauen Sie nur, wie schön das Licht dort durch die Fenster fällt.“ Hedi Michels schlenderten mit weisenden Armen durch die Kathedrale. „Wissen Sie, warum der Heilige Christophorus auf das Südportal schaut und nicht zum Altar? Das ist die Pilgerpforte.“ Hedi Michels ist ganz in ihrem Element. Im Dom. Wofür diese Steine stehen, das hat die 59-Jährige mit der Muttermilch aufgesogen: „Kirche und Gebet gehören für mich seit Kindesbeinen zum Leben.“ Die ersten Schritte machte sie im Ruhrpott. Von dort ging es nach Rheinbach. Seit 2013 ist sie in Köln angekommen. Im Dom gipfelt für sie, was Höhepunkt ihres Lebens ist: Kirche und Gebet eben.
Türen sollen für jedermann geöffnet sein
Und das verengt nicht ihren Blick auf die Besucher des Doms, sondern macht ihn weit: „Alle, die hier hereinkommen, sind zu allerst einmal eines: Menschen.“ Und es kommen viele herein. Selbst an diesem kalten Januarnachmittag, der so gar nicht in die Hauptreisezeit fällt. Geht es da manches Mal nicht ein wenig zu rummelig zu für ein Gotteshaus? „Wenn wir es ruhiger haben wollen, müssen wir die Türen zu machen. Aber das wollen wir ja gerade nicht. Wir wollen sie weit öffnen. Für alle“, sagt sie mit einem Lächeln so breit, wie eine offen stehende Dompforte.
Dass so viele Menschen aus aller Herren Länder in das Kölner Wahrzeichen strömen, das ist es, was sie liebt. „Einmal wollte eine Familie aus Indien mit mir ein Foto machen. Da zupfte das Kind andauernd an meinem Talar. Es wollte auf meinen Arm.“ Natürlich nahm Hedi Michels das Kind hoch – und die Eltern fotografierten. „Ist das nicht toll? Dieses Bild von uns, von Köln, vom Dom steht jetzt in Indien.“
Missverständnisse sind nicht ausgeschlossen
Natürlich kann es auch schon mal zu kleinen Missverständnissen kommen, wenn so unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen. „Als ich einmal mit einem Kollegen zusammenstand, kam ein weit gereister Mann auf uns zu und fragte, wer denn jetzt der Kardinal sei, ich oder er.“
30-köpfiges Team
Alle vier Frauen, die vom Domkapitel im März 2019 neu eingestellt wurden, sind noch dabei. „Sie haben sich perfekt ins Team eingefügt und bereichern es sehr“, sagt Markus Frädrich, Sprecher des Domkapitels. Zurzeit werden keine weiteren Domwächter gesucht. „Das Team ist mit 30 Domschweizerinnen und Domschweizern komplett.“
Sollte in Zukunft eine Stelle frei werden, würde die für Männer und für Frauen ausgeschrieben. „Der beste Kandidat oder die beste Kandidatin bekommt dann die Anstellung“, versichert der Sprecher des Domes. (ngo)
Geht es schon mal deftiger zu, kommt auch mal einer, der sich so gar nicht zu benehmen weiß? Hedi Michels winkt ab. Über einen nicht abgenommenen Hut oder ein klingelndes Handy gehe es selten hinaus. Nichts, das sich nicht mit wenigen Worten klären ließe. Auch in Fremdsprachen? „Ich kann kein Englisch, kein Französisch und auch kein Spanisch, aber ich habe zwei Hände und ein Gesicht.“
„Wir sind eine große Familie“
Die allermeisten Besucher im Dom benehmen sich also. Aber wie sieht es mit den Kollegen aus? Den Domschweizern wird gerne mal ein ruppiger Wesenszug unterstellt. Dom-Köbesse. „Männer sind Männer“, relativiert Hedi Michels mit der Erfahrung einer 59-jährigen Frau. Da gebe es liebe und weniger liebe, wie bei den Frauen. Ausnahme – man ahnt es schon – die Domschweizer. „Wir sind hier eine tolle Truppe. Eine große Familie.“
Für die Domschweizerinnen mussten in der Männerdomäne natürlich separate Umkleiden und Toiletten geschaffen werden. „Unseren Kaffee in den Pausen trinken wir aber alle zusammen im Domschweizerraum“,, stellt Hedi Michels klar. Und wenn die eine oder der andere mal eine Frage eines Besuchers nicht beantworten kann, wird sich schnell über Funk kurzgeschlossen. Das Schwarmwissen der Rotroben.
Im Hauptberuf Krankenschwester
Mag das Arbeitsklima auch warmherzig sein, im Dom ist es gerade oft klirrend kalt. Wie eine Geißel Gottes steigt die Kälte von den schweren Steinen in die Glieder. Unbarmherzig. „Manche Kollegen ziehen sich Ski-Unterwäsche und noch mehrere Pullover an“, berichtet die Domschweizerin. Nicht so Hedi Michels, die Frau mit der Sonne im Herzen. „Ich habe mit der Kälte keine Probleme, hatte ich nie.“ Auch gegen das lange Stehen hat sie ein patentes Mittel: „Gehen.“
Im Hauptberuf ist Hedi Michels Krankenschwester. Der Beruf füllt 75 Prozent ihrer Arbeitswoche aus. Die restlichen 25 Prozent gehören dem Dom. Wer ermessen will, was das für sie bedeutet, muss bedenken, dass sie aus tiefstem Herzen katholisch ist: „Ich komme aus einer Zeit, in der ich als Mädchen nicht Messdiener und nicht Sternsinger werden konnte.“ Und jetzt Domschweizerin. Ihr Gänsehautmoment: „Als ich im roten Talar den Einzug des Priesters zum Altar anführen durfte.“ Und mit ihrem Glücksgefühl steht sie nicht allein da. Am Anfang besonders, aber auch heute noch, kämen viele Besucher – vor allem Frauen – auf sie zu, um ihr zu gratulieren.