Verdi-Demo des Einzelhandels in Köln„Wir wollen nur ein normales Leben führen“

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Eine Gruppe Beschäftigter steht in Halloween-Kostümen vor dem Dom.

Unter dem Motto „Eure Angebote sind der reinste Horror“ forderten die Streikenden eine für sie angemessene Einigung der Tarifverhandlung.

Existenzängste und Leistungsdruck: Streikende aus Kölner Geschäften und Lagern erklären, warum sie mehr Gehalt fordern. 

Zombies, Blut und Geister sind nichts, was den Streikenden auf dem Roncalliplatz Angst macht. Geldsorgen und Altersarmut hingegen halten die Beschäftigten im Handel nachts wach. Verdi rief unter dem Motto „Eure Angebote sind der reinste Horror“ zu einer Halloween-Demo im Schatten des Doms auf. Rund 150 Menschen folgten - teils in gruseligen Kostümen. Seit Monaten laufen Tarifverhandlungen im Einzelhandel sowie Groß- und Außenhandel. Aus zahlreichen Geschäften Kölns wie Primark, Ikea oder Handelshof und Lagern wie dem von Rewe in Langel kamen Beschäftigte zusammen, um höhere Löhne zu fordern. 

Den Enkeln ein Geburtstagsgeschenk machen? Für die 63-jährige Melanie Schilling wird das immer schwerer. Die Primark-Verkäuferin muss sparen, wo sie kann. „Ich versuche, das Auto nicht zu benutzen oder am Essen zu sparen“, erzählt sie. „Wenn die Preise weiter so steigen, kann ich meinen Enkeln bald gar nichts mehr schenken.“ Und das, obwohl ihre Arbeit bei Primark ein stressiger Knochenjob sei.

Ich denke oft an die Altersarmut.
Melanie Schilling (63), Verkäuferin bei Primark in Köln

Eine Verkäuferin mit 130 Stunden im Monat erhält laut Verdi rund 2265 Euro brutto - das sind rund 1600 netto. Nicht nur die Gegenwart, sondern auch der Blick in die Zukunft macht Schilling sorgen. „Ich denke oft an die Altersarmut“, sagt sie. 800 Euro bekommt die Witwe an monatlicher Rente, wenn sie es schafft weiterzuarbeiten bis sie 67 ist. 

Die bundesweiten Verhandlungen zwischen Verdi und den Arbeitgebern geht Ende November in die achte Runde. Die Gewerkschaft fordern in den Geschäften NRWs 2,50 Euro mehr Gehalt und Lohn pro Stunde. Im Groß- und Außenhandel sollen die Beschäftigten eine Erhöhung des monatlichen Entgeltes um 400 Euro bekommen. 

„Es geht nicht darum, dass wir im Luxus leben wollen. Wir wollen nur ein normales Leben führen“, erklärt der Ikea-Mitarbeiter Michael Monzel. In den Urlaub geflogen sei er schon Ewigkeiten nicht mehr, Ausgehen sei selten drin und jeder Einkauf müsse wohlüberlegt sein. „Mit dem, was man im Einzelhandel verdient, braucht man eigentlich einen zweiten Job. Den kannst du aber nicht annehmen, weil die Arbeitszeiten so schlecht sind.“

Leistungsdruck und mangelnde Sicherheit 

In Lagern scheint die Situation genauso prekär: „Wir haben Leute, die bekommen 1700 Euro netto und müssen sich das Geld vom Staat aufstocken lassen, damit sie ihre Familien satt bekommen“, erzählt der Staplerfahrer Thorsten Kraus. Als „Akkordarbeit“ bezeichnet er die Arbeit im Lager. „Wir verpacken täglich bis zu 17 Tonnen Ware - meistens per Hand.“ 

Auch die körperliche Sicherheit der Beschäftigten stehe laut Kraus auf dem Spiel. Leistungsdruck in Kombination mit einem kleinen Gehalt führen regelmäßig zu gefährlichen Situationen. „Wir sammeln pro Palette Punkte. Für schnelle Arbeit gibt es dann Prämien, die aber sehr schwer zu erreichen sind“, erklärt er. „Ich muss mich entscheiden, ob ich sicher arbeite, oder ob ich am Geld hänge.“ 

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