Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Aufwendige RestaurationDas macht die Fenster von St. Kunibert in Köln so besonders

Lesezeit 3 Minuten

Restauratorin Gerlinde Möhrle vor einem Fenster in St. Kunibert. Sie ist gelernte Glas- und Porzellanmalerin.

Aus der Festschrift zum 40-jährigen Bestehen des Fördervereins Romanische Kirchen veröffentlichen wir ausgewählte Beiträge in gekürzter Form. Heute berichtet Gerlinde Möhrle von der Restaurierung der Chorfenster in St. Kunibert:Die spätromanischen Fenster (1220/30) im Chor der Kirche St. Kunibert in Köln lassen das Restauratorinnen-Herz höher schlagen.

Es sind nicht nur die ältesten Glasfenster in einer rheinischen Großkirche und damit älter als die mittelalterlichen Königsdarstellungen im Obergaden des Kölner Doms, sondern auch Fenster, die die Restauratorin aufgrund ihrer Restaurierungsgeschichte herausfordern.

Ab den 1960er-Jahren unterzog man die Fenster einer umfassenden Restaurierungsmaßnahme: Sie wurden nach dem Jacobi-Verfahren doubliert – einer Verbundglastechnik, die der Chemiker Dr. Richard Jacobi bereits 1939 entwickelte. Mit der Dombauhütte Köln hat er nach dem Krieg das Verfahren modifiziert, um die wertvollen Glasmalereien des Kölner Doms vor dem weiteren Verfall zu schützen. Dabei wurde jedes einzelne Glasfragment der bleiverglasten Fensterfelder beidseitig mit dünnen Deckgläschen geschützt.

Kirchenfenster: Gipsabdrücke als Ausgangspunkt für Schutzgläschen

Gipsabdrücke von den Glasoberflächen sorgten dafür, dass die Schutzgläschen entsprechend der Oberflächentextur des mittelalterlichen Glasfragments thermisch nachgeformt werden konnten. Das passgenaue Dreierpaket Schutzglas–mittelalterliches Originalfragment–Schutzglas wurde mit einer Acrylfolie mittels Temperatur zu einem Verbund zusammengefügt (Doublierung), weshalb sich die Materialstärke eines mittelalterlichen Glasfragments von zwei bis drei Millimetern auf sechs bis sieben Millimeter erhöhte.

War ein Glasfragment einfach oder mehrfach gebrochen, wurden die Glassprünge mit Hostacoll, einem Polyethylenimin verklebt, bevor sie dem Doublierungsverfahren unterzogen wurden.

Durch das Sandwich-Verfahren waren die Glasstücke zwar vor weiterem Zerfall geschützt, aber die ästhetische Wahrnehmung der originalen Glasoberflächen der mittelalterlichen Gläser war durch diese Maßnahme verloren gegangen. Der Schutz der Glasmalereien ist bis heute annähernd gewährleistet, jedoch weiß man nicht, wie lange die Folie im Zwischenraum ihre stabilisierende Wirkung noch aufrechterhält.

St. Kunibert

1247 wird die Gewölbebasilika geweiht. Sie ist die jüngste romanische Kirche Kölns, benannt nach Bischof Kunibert (um 623 - 664), der hier einen Vorgängerbau errichten ließ. Große Teile der Chorausstattung sind original. Die Fenster aus der Zeit um 1220/30 zählen zu den wenigen erhaltenen Beispielen romanischer Glaskunst in Deutschland.

1955 ist der Wiederaufbau von Chor und Langhaus nach dem Krieg vollendet. Westquerhaus und Glockenturm bleiben eine Ruine. Ihr Neuaufbau dauert von den 80ern bis 1993. St. Kunibert hat in der Kölner Sagenwelt einen festen Platz. Im Kunibertspütz, einem Brunnen unter der Krypta, kommen der Legende nach die Kölner Neugeborenen auf die Welt. (fu)

Diese Tatsache und die Materialverfärbungen des verwendeten Klebers führten zu der Entscheidung, die Restaurierungsmaßnahmen rückgängig zu machen. Zudem sind besonders an Stellen mit vielen Sprungklebungen die geklebten Partien durch die Verfärbungen des Hostacolls nahezu unkenntlich geworden.

Glasfenster von St. Kunibert aufwendig restauriert

So ist es nun Aufgabe, das von der Dombauhütte Köln ab den 1980er-Jahren entwickelte Entdoublierungsverfahren auch an den Kunibertfenstern durchzuführen: ein aufwendiger Löseprozess unter Einsatz von Lösemittelbädern, kleinteiligsten Puzzlearbeiten bei den gesprungenen Gläsern sowie eine Rückführung in den Originalzustand durch Rekonstruktionstechniken.

Die Umsetzung von glasmalerischen Ergänzungen und die handwerklichen Fähigkeiten in der Wiederherstellung der historischen Bleiverglasungen gemäß alter Techniken führen dazu, dass bald alle mittelalterlichen Fenster von St. Kunibert,  wieder in ihrem „ursprünglichen Zustand“ erstrahlen werden.

Es sind bereits sechs Fenster im Chorumgang entdoubliert. Von den drei mittelalterlichen Obergadenfenstern im Chor wurde das Südfenster, das Kunibertfenster, ausgebaut und befindet sich gerade in der Restaurierungswerkstatt. Dabei erfolgt nicht nur die Re-Restaurierung, sondern auch die Bestandsaufnahme der mittelalterlichen Glassubstanz mit der Kartierung sämtlicher Schäden und Korrosionen sowie die Erstellung einer Fotodokumentation und eines Restaurierungsberichts – alles Bausteine, die die Grundlage bilden, um die wertvollen Fenster für zukünftige Generationen zu erhalten.