Brauhaus Früh in Corona-Krise„Wir haben 50 Prozent des Umsatzes verloren“

„Es tut weh“: Alexander Rolff im „Früh am Dom“. Erstmals seit dem Krieg ist es für mehr als einen Tag geschlossen.
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- Das "Früh am Dom" hat zur Zeit geschlossen - zum ersten Mal seit dem Krieg länger als ein Tag am Stück.
- Jens Meifert sprach mit Chef Alexander Rolff über die schwere Zeit.
Köln – Hochgestellte Stühle, Stille und gähnende Leere. Das Brauhaus „Früh am Dom“ wirkt gespenstisch. Mit Alexander Rolff, dem Geschäftsführer der Früh-Brauerei, sprach Jens Meifert über die Corona-Krise.
Herr Rolff, wissen Sie noch, wann Sie das letzte Kölsch in einem Brauhaus getrunken haben?
Rolff: Es muss im März gewesen sein, hier im Haus, rund eine Woche bevor wir schließen mussten.
Seitdem sind rund sieben Wochen vergangen. Wie sehr schmerzt es Sie, das leere Lokal zu sehen?
Das tut richtig weh. Es ist das erste Mal seit dem Krieg, dass das Brauhaus geschlossen ist. Das war sonst nur an Heiligabend der Fall, der einzige Tag im Jahr, an dem wir nicht aufhaben. Insofern ist das weit mehr als nur ein tristes Bild, aber wir müssen mit der Situation umgehen.
Die Gastronomie ist am stärksten von der Krise betroffen. Der Kölner Brauerei-Verband fürchtet Einbußen von bis zu 30 Prozent. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Uns fehlen fast 50 Prozent des Umsatzes. Uns geht es da wie den Hotels: Ein Zimmer, das eine Nacht nicht vermietet ist, holen Sie nicht wieder rein. Ein Kölsch, das Sie nicht ausschenken dürfen, verkaufen Sie nicht mehr. Die Leute trinken nicht später das Doppelte. Im Gegenteil: Wenn Lockerungen kommen, wird es Auflagen und eine reduzierte Zahl von Besuchern geben. Uns fehlen die Touristen, die Konzerte, Messen, Fußballspiele. Wenn wir ans Jahresendende denken, werden auch die Weihnachtsfeiern deutlich weniger werden. Wie schwer uns die Krise noch treffen wird, ist derzeit nicht absehbar.
Sie haben die Gastronomie, aber Sie haben auch das reine Brauereigeschäft. Laut Verband hat der Flaschenverkauf leicht angezogen.
Wir verkaufen etwa zu einem Drittel Fassbier und zu zwei Dritteln Flaschenbier. Der Verkauf der Flaschen ist stabil, aber er geht auch nicht durch die Decke. Das kann nicht annähernd ausgleichen, was uns in den Brauhäusern verloren geht.
Der Handel meldet derzeit Rekordumsätze. Ist nicht der Kölner seinem Kölsch sehr eng verbunden?
In der Gastronomie, ja. Wer in Köln ein Bier bestellt, will und bekommt zu 80 oder 90 Prozent ein Kölsch. Im Handel war das immer schon etwas anders. Da locken die günstigen Preise auch zu anderen Bieren, und das ist auch jetzt spürbar. Generell ist es gut, regionale Produkte zu kaufen, das gilt natürlich auch fürs Kölsch.
Wie schauen Sie auf mögliche Beschlüsse zur Gastronomie? Was erhoffen Sie sich?
(schmunzelt) Alles hilft. Wir freuen uns über jedes Kölsch, das wir verkaufen dürfen. Es wäre für die Menschen doch ein Lichtblick, und wir sind bereit. Wir haben genug Platz, um die Tische auf Abstand zu stellen. Wir haben alle Utensilien wie Desinfektionsmittel da, um die Hygieneregeln einhalten zu können. Natürlich müssen wir die genauen Bestimmungen abwarten, aber wir könnten und würden am nächsten Tag loslegen.
Die Früh-Brauerei und der Verband
In der fünften Generation vertritt Alexander Rolff seit 1999 seine Familie in der Geschäftsführung der „Cölner Hofbräu P. Josef Früh KG“. Peter Josef Früh war der Ur-Ur-Großvater des 57-Jährigen.
440 Mitarbeiter hat das Unternehmen, den Großteil in der eigengeführten Gastronomie. Etwa drei Viertel der Mitarbeiter sind seit Anfang April in Kurzarbeit beschäftigt.
Neben dem großen Brauhaus „Früh am Dom“ mit etwa 1600 Plätzen betreibt Früh das „Früh em Veedel“ in der Südstadt, das „Em Golde Kappes“ in Nippes und „Jan von Werth“ an der Christophstraße.Im vergangenen Jahr hat die Früh-Brauerei den Vertrag zur Produktion der Kölschmarken der Radeberger-Gruppe („Haus Kölscher Brautradition“) unterzeichnet. Die Vorbereitungen sind weitgehend abgeschlossen. Ab Oktober sollen zunächst die Flaschen nicht mehr in Mülheim, sondern am Früh-Standort in Feldkassel abgefüllt werden. Im nächsten Jahr wird dann schrittweise bis zum Jahresende die Fassproduktion folgen.
370.000 Hektoliter Kölsch produziert Früh pro Jahr. Mit den neuen Marken, die in Lohnproduktion hergestellt werden, dürfte sich der Ausstoß verdoppeln. Geschmacklich wird sich nichts ändern, versichern Früh wie die zum Oetker-Konzern gehörende Radeberger-Gruppe. Heimlicher Verkaufshit ist das Schreckenskammer-Kölsch, das die Früh-Brauerei ebenfalls produziert. Es ist erst seit dem vergangenen Jahr im Handel erhältlich, seit knapp zwei Wochen ist es nun auch in der kleineren 0,33-Liter-Euro-Flasche zu haben.
Der Kölner Brauerei-Verband sieht die aktuelle Krise vor allem als Bedrohung für die kleineren Brauereien. Wie groß die Auswirkungen sein werden, hänge davon ab, wann die Gastronomie wieder öffnen darf, sagt Verbandsgeschäftsführer Christian Kerner. „Wir haben die Sorge, dass die Vielfalt verloren geht.“
Viele Brauereien leiden direkt unter dem völlig zum Erliegen gekommenen Eventgeschäft: Gaffel-Bier wird im Stadion ausgeschenkt, Gilden-Kölsch in der Lanxess-Arena und Früh bei Viktoria Köln.
Ohnehin verdichtet sich der Markt seit Jahren: Während 1986 noch 24 Brauerei-Chefs die Kölsch-Konvention unterzeichnet haben, gibt es heute nur neun Brauereien, die teilweise unter ihrem Dach andere Marken mitproduzieren.
Die Aussicht auf das Jahr 2020 war bis vor wenigen Wochen nicht schlecht. Das Geschäft im Karneval lief gut (plus 5 Prozent Umsatz), man hoffte auf Biergarten-Wetter und eine Fußball-EM mit deutschen Erfolgen. Das wirkt sehr lange her. (mft)
Sie verkaufen Ihr Bier auch bei den „Kölner Lichtern“, auch die werden kaum stattfinden. Wie sehr trifft Sie das und der Wegfall anderer Feste?
Vom Umsatz her hat das nicht die ganz große Bedeutung, aber es ist eine tolle Veranstaltung, bei der wir gerne dabei sind. Und es stimmt: Es fallen zig andere, kleinere Feste weg. Wir haben dafür ein großes Equipment, das wir für die ganze Saison bereit halten, da haben wir nun einen Totalausfall. Das ist auch tragisch für die Vereine, oft dienen diese Feste der Finanzierung der kompletten Jahres-Aktivitäten. Das gilt für jedes Veedelsfest.
Für die Veranstaltungen wird vorproduziert. Wird Ihnen das Bier nun schlecht?
Lebensmitteltechnisch gesehen wird Bier nicht schlecht. Wir müssen ein Haltbarkeitsdatum drauf schreiben, damit garantieren wir, dass es in diesem Zeitraum schmeckt wie am ersten Tag. Da aber bei der Produktion geringe Mengen Sauerstoff ins Bier gelangen, entsteht ein Oxidationsprozess, der kann je nach Lagerung geringfügige geschmackliche Auswirkungen haben. Das kann aber auch schon nach zwei Tagen passieren, wenn Sie Bier, besonders in Klarglasflaschen, auf dem Balkon in die Sonne stellen. Aber logisch: Wenn bis Herbst alles geschlossen bleiben muss, laufen die Haltbarkeitsdaten irgendwann ab.
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Am meisten Bier wird im Karneval getrunken. Glauben Sie, dass die nächste Session gefeiert werden kann?
Wir haben in den letzten vier Wochen erfahren, wie schnell sich Einschätzungen und Beurteilungen ändern, Karneval ist noch sehr weit weg. Wir reden derzeit so viel über die so genannte neue Normalität. Ich hoffe, dass wir irgendwann im nächsten Jahr wieder ,normal’ rausgehen können, ohne Sicherheitsabstand, einen Freund in den Arm nehmen und gemeinsam an der Theke stehen dürfen.