Kölner BauspielplatzProblem Helikoptereltern – „Kinder fühlen sich beobachtet“

Ein Schild soll Eltern darauf hinweisen, dass der Bauspielplatz allein den Kindern zum Spielen vorbehalten ist.
Copyright: Wächter
Neustadt-Süd – „Was kann ich meinem siebenjährigen Sohn zutrauen?“, fragt ein Vater, „Ab wann dürfen Kinder auf dem Bauspielplatz spielen?“ eine Mutter. Etwa 20 Eltern sind ins Fort 1 am Friedenspark gekommen. Eingeladen hat die pädagogische Leitung des Bauspielplatzes (Baui), Marietheres Waschk und David Thorausch. Hintergrund ist eine Zunahme von Eltern, die ihre Kinder auf den Abenteuerspielplatz begleiten oder sie von der Freitreppe unterm Adler beobachten. Bei schönem Wetter sei es besonders extrem. Optisch erinnere das Ganze an eine Arena. „Die Kinder fühlen sich beobachtet“, sagt Waschk und dass dies nicht gut sei.
In ihren Augen also Zeit zu handeln: Waschk und ihre Kollegen hängten ein Schild am Durchgang zu den selbstgezimmerten Hütten auf. „Betreten des Bauspielplatzes nur für Kinder!“, steht darauf. Viel gebracht hat es bislang allerdings nicht. Die Reaktionen darauf fielen ganz unterschiedlich aus. Die einen ignorierten es schlichtweg, die anderen fühlten sich angegriffen und vertrieben von einer Stelle, die sie als Beobachtungsposten für ihre spielenden Kinder auserkoren haben. Außerdem sitze man dort oben sehr schön, sagt eine Mutter an diesem Abend.
Vielleicht konnte ein Elterninformationsabend, zu dem Waschk Rainer Deimel vom ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als externen Experten eingeladen hat, mehr bringen? „Wir sind ja nicht gegen die Eltern, wir finden es klasse, wenn Eltern sich einbringen. Aber bitte nicht auf diese Weise“, so Waschk.

Abenteuer und freies Spiel, dafür steht der Bauspielplatz am Friedenspark. Immer mehr Eltern haben jedoch Angst, ihre Kinder loszulassen.
Copyright: Wächter
Experte Deimel wird ein wenig konkreter: „Wenn Eltern immer in Sichtweite bleiben und die Treppe bevölkern, ist das sicher gut gemeint – in der Wirkung aber kontraproduktiv.“ Die Kinder würden sehr wohl spüren, dass sie ständig unter elterlicher Beobachtung stehen. Wenn dann eine Situation entstehe, die den Eltern auf Beobachtungsposten heikel vorkomme, würden sie aufspringen und eingreifen. Das aber sei oft gar nicht nötig. Kinder könnten sehr wohl einschätzen, was sie können und was nicht. „Kinder brauchen Risiko. Es ist eines der größten Spielwerte. Auch Abenteuer zu erleben, ist für die Entwicklung unserer Kinder enorm wichtig“, sagt Deimel dazu.
Deimel stammt wie viele Eltern, die an diesem Abend gekommen sind, aus einer Generation, in der sie als Kinder noch frei spielen durften. Einzige Ansage der Eltern sei es gewesen: „Wenn es dunkel ist, bist Du zu Hause.“ Heute würden solche Eltern schnell zu Rabeneltern abgestempelt. Ein Bild, das hinke, wie Deimel erklärt. Raben nämlich seien sehr fürsorgliche Vögel, die ihre Jungen für ein selbstständiges Leben vorbereiten. Sind Rabeneltern also die besseren Eltern?
Um eine Wertung aber ging es an diesem Abend im Baui gar nicht. Vielmehr ging es um Informationen, welche Freiheiten Eltern ihren Kindern zugestehen können. „Früher haben Kinder hinter Büschen gespielt, ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und draußen Abenteuer erlebt. „Die Büsche gibt es heute auch noch, doch hinter jedem Busch steckt heute eine Mutter“, bringt Büscher ein Phänomen auf den Punkt, das er selbst und viele Wissenschaftler nicht wirklich erklären können. Warum haben Eltern heute eine solche Angst, ihren Kindern könne etwas passieren? „Ich weiß es nicht“, sagt Deimel und zuckt mit den Schultern.
Den Kindern werde durch eine permanente Kontrolle ein Stück Kindheit und ein beachtliches Stück Selbstständigkeit genommen. Freies Spiel ohne Kontrolle durch die Eltern trage wesentlich zur Entwicklung von Intelligenz, Sozialverhalten und Verantwortungsgefühl bei, erklärt Deimel weiter.
Wenn die Eltern auf dem „Mütterberg“ sitzen, wie die Freitreppe längst genannt wird, hemmten sie ihre Kinder beim freien Spiel. „Wir stellen sogar fest, dass die Kinder sich in eine Ecke zurückziehen, in denen sie unbeobachtet spielen können“, ergänzt Waschk, die gleichzeitig betont, dass immer Pädagogen vor Ort seien und darauf achten, dass sich die Kinder nicht verletzen oder Streitigkeiten ausarten.

Wie viel Freiheit Kinder benötigen, thematisierten Marietherese Waschk und David Thorausch vom Baui mit Rainer Deimel (rechts Mitte).
Copyright: Wächter
Dass es nicht immer einfach ist, nicht hinzuschauen, wenn die Kinder in den Augen ihrer Eltern zu hoch klettern oder sonstige waghalsige Dinge tun, gibt auch David Thorausch vom Baui offen zu. Er selbst hat eine kleine Tochter. „Ich habe auch erst lernen müssen, nicht immer gleich einzugreifen.“
Auf dem Bauspielplatz verhalte es sich so, dass die Mitarbeiter vor Ort immer ein Auge darauf haben, welche Kinder vor Ort sind und was sie bauen wollen. Wer neu ist und noch nie mit Werkzeug eine Hütte oder anderes gezimmert hat, werde etwas stärker im Auge behalten als die „alten Hasen“. „Wir trauen den Kindern hier etwas zu und es passiert wenig. Ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren, in denen ich hier arbeite, einen schlimmen Unfall erlebt zu haben“, so Thorausch.
Der Baui im Friedenspark
Für welches Alter sind Bauspielplätze geeignet?
Grundsätzlich wird das Spiel auf dem Bauspielplatz für Kinder ab dem Grundschulalter empfohlen, also ab einem Alter von sechs Jahren.
Sind die Angebote des Baui kostenpflichtig oder müssen sich die Kinder dort anmelden?
Der Baui hat für Kinder von Montag bis Freitag von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Es ist weder eine Anmeldung erforderlich, noch kostet der Besuch etwas.
Was können Kinder dort erleben?
Auf dem 3500 Quadratmeter großen Außengelände dürfen Kinder Hütten oder anderes zusammenzimmern. Sie arbeiten dazu mit Werkzeug, was ihnen die Mitarbeiter aushändigen. Der Bauspielplatz darf aber auch von den Kindern als Abenteuerspielplatz für ihre Fantasiespiele genutzt werden. Es gibt eine Sandgrube, eine Feuerstelle, Baumhäuser und einen Tunnel auf dem Gelände, der viel Freiraum für das Spiel lässt. (swa)
Die anwesenden Eltern schienen beeindruckt, vielleicht wurden sie von dem einen oder anderen Statement Deimels sowie den Baui-Mitarbeitern wachgerüttelt. Ein Vater, der sich outet, auch auf dem „Mütterhügel“ zu sitzen, dabei aber lese und nicht seinen Sohn beobachte, wollte wissen, ab wann er seinen Siebenjährigen allein zum Baui gehen lassen könne. Bislang habe er sich nicht getraut. Eine allgemeingültige Antwort konnten Deimel, Waschk und Thorausch nicht geben, den Vater aber darin bestärken, den Sohn zu fragen, ob er alleine gehen möchte.
„Gerne können die Eltern ihren Kindern auch ihre Telefonnummer in die Hosentasche stecken, dass wir im Bedarfsfall anrufen können“, sagt Thorausch. Grundsätzlich müssten sich die Kinder aber nicht an- oder abmelden. „Aber wir wissen immer, wer vor Ort ist, sie müssen bei uns ja das Werkzeug abholen und wieder zurückbringen“, sagt Thorausch dazu.