Protest in KölnMieter sollen ihre Wohnungen in Haus ohne Baugenehmigung verlassen

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Mehr als 20 Parteien wohnen in dem orangefarbenen Haus Beethovenstraße 8. Auch eine Gemeinschaftspraxis hat hier ihren Sitz.

Mehr als 20 Parteien wohnen in dem orangefarbenen Haus Beethovenstraße 8. Auch eine Gemeinschaftspraxis hat hier ihren Sitz.

Seit 26 Jahren wohnt Bernd Dreßen an der Beethovenstraße. Jetzt sollen er und alle anderen Mietparteien raus, weil es für das 120 Jahre alte Haus keine Baugenehmigung gibt.  

Stellen Sie das Wohnen ein. Und zwar dauerhaft und vollständig. Ein Schreiben des Bauaufsichtsamtes mit annähernd diesem Wortlaut hatte Bernd Dreßen, Mieter einer Wohnung im vierten Stock des Hauses Beethovenstraße 8, am 22. November im Briefkasten. Geschockt nahm er zur Kenntnis, dass er sich bis zum 5. Dezember zu der angedrohten Ordnungsverfügung äußern kann. Für das Haus gibt es keine Baugenehmigung, das Wohnen dort ist illegal. „Ich wohne seit 26 Jahre hier, meine Nachbarin seit 27 Jahren“, sagt Dreßen. „Jetzt müssen wir bis Ende Januar raus sein, sonst kann uns ein Zwangsgeld von 1000 Euro und mehr auferlegt werden. Das hat uns eine Mitarbeiterin des Bauaufsichtsamtes auf Nachfrage telefonisch mitgeteilt.“

Schockmoment kurz vor Weihnachten

Für Mieterin Katrin Scholta kam der Schockmoment kurz vor Weihnachten. Da mahnte die Bauaufsicht das Gleiche für ihre Gemeinschaftspraxis im Hochparterre an. „Wir sollten uns bis zum 9. Januar äußern.“ Mit einer Kollegin nahm sich die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin einen Anwalt, um gegen eine mögliche Ordnungsverfügung vorzugehen. „Wir betreuen in der Praxis 300 Kinder, Jugendliche und Erwachsene, darunter viele mit Depressionen, die in den Wintermonaten besonders vulnerabel sind und eine kontinuierliche Begleitung brauchen.“ Und neue Praxisräume seien in Köln kurzfristig nicht zu bekommen. Ihr Situation schilderten zahlreiche Mieter in einer Aktuellen Stunde der Bezirksvertretung Innenstadt am Donnerstag.

Warum wird nicht die Eigentümerin mit einem Zwangsgeld belegt?
Monika Driller, Mieterin

„Wir verstehen nicht, warum die Stadt uns Mieter unter Druck setzt. Wir können weder etwas für den mangelhaften Brandschutz noch für die fehlende Baugenehmigung. Warum wird nicht die Eigentümerin mit einem Zwangsgeld belegt?“, fragt Monika Driller, die eine von gut 20 Mietparteien ist. Die Mieter wandten sich an ihre Ansprechpartnerin in Belangen des Hauses, die die 94-jährige Eigentümerin kontaktierte. Der unzureichende Brandschutz war bereits nach einem Brand im Hochparterre vor zweieinhalb Jahren moniert worden; damals hatte die Feuerwehr Mängel in Hinterhaus und Dachgeschoss festgestellt. Bei den Wohnungen im Vorderhaus sind die Fenster ein Fluchtweg; hier kann die Feuerwehr Rettungsleitern ansetzen. Für das Hinterhaus wurde etwa eine außenliegende Fluchttreppe gefordert. Die Ansprechpartnerin der Mieter setzte einen Teil der geforderten Maßnahmen um. „Dann kam Corona und alles verzögerte sich“, so ihre Stellungnahme. Alle geforderten Maßnahmen habe man deshalb nicht fertigstellen können.  

Wir hoffen sehr, dass er mit äußerster Priorität bearbeitet wird.
Martin Wendlig, Architekt

Seit November 2022 ist ein Architekt im Auftrag der Eigentümerin dabei, die erforderlichen Brandschutzmaßnahmen zu koordinieren und für die Umsetzung zu sorgen. „Dafür war ich im November mit einem Feuerwehrmitarbeiter vor Ort“, sagt Martin Wendling vom Büro Wendling Architektur. Zugleich liefen die Vorarbeiten für den Bauantrag wie etwa das Aufmaß des gesamten Hauses, die Überprüfung von Statik sowie Schall- und Wärmeschutz. Alle Maßnahmen seien konkret in Planung, dies wurde auch mit der Bauaufsicht kommuniziert. Kompliziert ist das Prozedere auch, weil das 120 Jahre alte Haus in repräsentativer Lage nur eine große Wohnung pro Etage hatte. Später wurden daraus kleine Wohneinheiten, etwa unter dem Spitzdach. „Unser Ziel ist, dass möglichst alle Mietverhältnisse fortbestehen können. Im Februar werden wir einen nachträglichen Bauantrag für einen Sonderbau stellen, in dem gewerbliche und private Nutzung berücksichtigt sind. Wir hoffen sehr, dass er mit äußerster Priorität bearbeitet wird.“

Die Stadt habe bereits im Juli 2020 mit der Eigentümerin Kontakt aufgenommen und im weiteren Verlauf auf die Umsetzung der nach Bauordnungsrecht zwingend vorgeschrieben Brandschutzmaßnahmen gedrungen. In Sachen illegaler Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken sei man aufgrund landesrechtlicher Vorgaben verpflichtet, sich unmittelbar an die Nutzer der Wohnungen zu wenden, teilte die Verwaltung weiter mit. Insofern könne die Führung der Ordnungsverfahren gegen die Mieter und Mieterinnen nicht unterlassen werden.

Die Bezirksvertreter beschlossen in ihrer Aktuellen Stunde einstimmig, die Verwaltung solle alles tun, damit die Mietparteien in dem Haus bleiben können.

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