Sevilla als TheaterstückWas Toni Schumacher nach dem epochalen WM-Spiel bereut

Lesezeit 5 Minuten
WM-Halbfinalspiel Deutschland gegen Frankreich

Der deutsche Nationaltorwart Toni Schumacher räumt während des WM-Spiels gegen Frankreich Patrick Battiston (3) ab

Das Spiel ist ein ewiger Klassiker der WM-Geschichte, nun kommt es auf die Theaterbühne auch in Köln.

„Das ganze Leben ist ein Theater, vor allem der Profifußball. Deswegen wird „Die Nacht von Sevilla„ eine tolle Herausforderung für mich, ein Gefühl wie auf dem Platz – dieses Mal aber auf der Bühne.“ Harald „Toni“ Schumacher ist kürzlich 70 Jahre alt geworden, und hat so manches auf und neben dem Platz erlebt. Er hat allerdings noch nie als aktiver Schauspieler auf einer Theaterbühne gestanden. Nun ist es soweit: Der frühere FC-Torwart und deutsche Meister wird am 14. Mai bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen beim Theaterstück „Die Nacht von Sevilla – Ein Fußballdrama in fünf Akten“ auf der Bühne Teil des modernen Dramas sein. Weitere Auftritte folgen in Dortmund, Gelsenkirchen, Mülheim an der Ruhr – sowie als Kölner Höhepunkt am 4. Juni im Gürzenich.

Toni Schumacher: Ein Moment, der das Leben verändert

Schumacher wird dabei einmal mehr seinen berühmtesten Moment abbilden – ein Vorkommnis, welches sein Leben verändert hat. Jedoch hat er sich damit abgefunden: „Eigentlich wollte ich einen Cut unter diese Geschichte machen – aber das ist schlicht nicht möglich“, erklärt die FC-Legende. Sein furchtbarer Zusammenprall beim WM-Spiel 1982 in Sevilla mit Frankreichs Patrick Battiston beschäftigt Fußballfans auch nach über 40 Jahren, und ließ ihn lange als Bösewicht des deutschen Fußballs dastehen, vor allem im Ausland. Battiston wurde von Schumacher mit voller Wucht umgestoßen und erlitt einen Haarriss in der Halswirbelsäule, zudem verlor er mehrere Zähne.

Nun soll das Bühnenstück von Manuel Neukirchner einmal mehr die Hintergründe darstellen, vor allem aber das spektakuläre Aufeinandertreffen der beiden großen Fußballnationen bei der WM 1982 in Spanien beleuchten und einer denkwürdigen Nacht eine Bühne bieten. Das Stück dauert 90 Minuten – Schumacher selbst muss keine Verlängerung fürchten, und auch während des Dramas spricht er lediglich den Schlussmonolog. Er sei nicht der Typ, der Lampenfieber hat und freut sich auf die große Bühne, auch wenn er hier ein Frischling ist. „Selbst im Schultheater habe ich nicht mitgespielt, dafür habe ich im Unterricht genug Theater gemacht“, lacht der frühere Nationalkeeper. Vor den Ruhrfestspielen hat er dann doch Respekt, mehr noch als vor dem Gürzenich: „In Köln wird es ja ein bisschen wie ein Heimspiel für mich – da kommen unzählige Freunde und Bekannte. Aber das Ruhrfestspielhaus ist natürlich eine Hausnummer.“

In französischen Stadion hing ich sogar als Figur am Galgen, man hat mich in Frankreich als SS-Mann bezeichnet.
Toni Schumacher

Wie konnte Manuel Neukirchner den „Tünn“ überzeugen? „Ich liebe es, neue Wege zu gehen, auch mit 70. Diese Verbindung von Fußball und Theater ist einzigartig.“ Das dokumentarische Theaterstück hat vor allem deswegen Relevanz, weil es die Bedeutung eines Fußballspiels für zwei befreundete Ländern thematisiert, die historische Distanz des damaligen Geschehens aufgreift und die Zuschauer hautnah dabei sein lässt an jenem 8. Juli 1982. Gleichzeitig nimmt man an den Gedanken und Gefühlen der Fußballhelden teil: Die Sprechzeilen und Monologe der Figuren des Werks stammen aus Biografien, Interviews, Dokumentationen sowie aus Gesprächen von Neukirchner mit den Protagonisten von damals. Das Publikum wird also nicht nur mit Schumacher, sondern auch mit Paul Breitner oder Karl-Heinz Rummenigge, Michel Platini oder Battiston mitfühlen. Schauspieler Peter Lohmeyer, bekannt aus „Das Wunder von Bern“, übernimmt in der szenischen Lesung sämtliche der über 50 Rollen dieses Fußballdramas, welches die noch junge deutsch-französische Freundschaft fast aufs Spiel gesetzt hätte.

Auch Toni Schumacher hatte in der Folge schwer unter den Nachwirkungen zu leiden: „In französischen Stadion hing ich sogar als Figur am Galgen, man hat mich in Frankreich als SS-Mann bezeichnet.“ Dass er danach unter anderem mit Depressionen zu kämpfen hatte, gibt er heute offen zu. Der gebürtige Dürener konnte sich durch seinen Ehrgeiz, durch seine Familie und sein Selbstbewusstsein wieder auffangen und ist heute froh, wie es gelaufen ist. „Dieser Moment nach dem Zusammenprall mit Battiston ist wohl der einzige, den ich im Rückblick anders machen würde – ansonsten bereue ich nichts“, sagt der Familienmensch, der seit 20 Jahren im Kölner Süden lebt und beim Blick auf den Rhein und bei der Gartenarbeit zur Ruhe kommt.

Nach dem Spiel hatte Schumacher spöttisch gesagt: „Ich zahle dem Battiston seine Jacketkronen.“ Der Franzose erzählte vor der Neuauflage des Spiels 2016, im EM-Halbfinale in Marseille, der „Welt“: „Nein, ich möchte Schumacher nie wieder treffen.“ Es gab seit dem Spiel keinen Kontakt. Nun wagt er den Schritt auf die Bretter, die die Welt bedeuten: „Rein oder nicht rein - das war früher meine Frage“, lacht der Tünn in Anlehnung an William Shakespeare. Nun hat er bei fünf Auftritten die Chance zu beweisen, welche Talente noch in ihm schlummern. Für seinen Auftritt bei den Ruhrfestspielen gibt es keine Tickets mehr: „Innerhalb von drei Stunden war das Stück ausverkauft“, staunt Schumacher und erkennt: „Die unvergleichliche Dramatik dieses Jahrhundert-Spiels, in dem wir durch alle emotionalen Höhen und Tiefen gegangen sind, bis es endlich im Elfmeterschießen entschieden wurde, scheint die Menschen nach wie vor zu fesseln.“


Kurz-Info

Für den Auftritt im Gürzenich am Dienstag, 4. Juni (19 Uhr) sind noch Tickets unter www.fussballmuseum.de erhältlich. (Vollzahler 30 Euro, ermäßigt 15 Euro)


Das Spiel

120 Minuten dauerte das epische Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich 1982. Danach brauchte es ein Elfmeterschießen, aus dem Deutschland mit 5:4 als Sieger hervorging. Nach 90 Minuten hatte es 1:1 gestanden (Tor für Deutschland: Pierre Littbarski). In der Verlängerung lag Frankreich mit 3:1 vorne, ehe Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Fischer doch noch ausgleichen konnten.

Rundschau abonnieren