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Kunst-Comedian Jakob Schwerdfeger„Museen trauen sich keinen Humor“

Lesezeit 5 Minuten
Jakob Schwerdtfeger ist Kunst-Comedian.

Jakob Schwerdtfeger ist Kunst-Comedian.

Bei der Museumsnacht am 4. Oktober tritt Jakob Schwerdtfeger im Walraff-Richartz-Museum auf. 

Jakob Schwerdtfeger hat das Genre der Kunst-Comedy erfunden. Am Samstag tritt er bei der Museumsnacht auf. Mit Simon Westphal sprach er vorab über Humor in der Kunst und wie man auch als Laie Kunst genießen kann.

Wie wird man Kunst-Comedian?

Ich habe einfach meine beiden Leidenschaften zusammengebracht. Ich habe schon jahrelang auf der Bühne gestanden und bin mit humoristischen Texten aufgetreten. Für Kunst brenne ich seit 20 Jahren. Lustig über Kunst zu reden, das hat bisher keiner gemacht. Es gibt in meinen Augen auch kein lustiges Buch über Kunst, deshalb habe ich genau das geschrieben.

Dabei scheint die Kunst viele Ansatzpunkte für Humor zu bieten?

Am Ende geht es mir darum, mit Vorurteilen und Stereotypen aufzuräumen. Humor ist immer ein Türöffner, auch für die Kunst. Ich mache mich zum Beispiel lustig über das Kunstpublikum, das sich selbst gerne mal zu ernst nimmt. Diese Leute laufen teilweise in völlig albernen Klamotten durch die Gegend und bestätigen dieses abgehobene Image, das Kunst hat. Ich finde, Kunst ist nicht elitär, sondern wird nur elitär gemacht.

Sie reden in ihrem Programm darüber, was Kunst mit Hotdog-Wettessen zu tun hat. Erklären Sie mal.

Meine Erfahrung ist, dass viele Leute Kunst mit einer spannenden Mischung aus Respekt und Verachtung begegnen. Genau diese Mischung spüre ich beim Hotdog-Wettessen. Der Weltrekord liegt bei 76 Hotdogs in zehn Minuten. Das verlangt mir Respekt ab, aber genauso denke ich: Bah, wie widerlich.

Wie kann ich dieser Verachtung in der Kunst entgegentreten?

Vielleicht erst mal offener und nicht mit einer nervigen Haltung herangehen, nach dem Motto „das kann ich auch“. Keinem anderen Bereich stehen die Leute so anmaßend gegenüber wie der Kunst. Das Wichtigste ist aber, dass es okay ist, 90 Prozent der Ausstellungsstücke in einem Museum nicht zu mögen, hässlich oder abstoßend zu finden. Wenn ich aus einem Museum rausgehe und drei, vier Bilder richtig gut finde, dann ist das schon viel.

Was können die Museen gegen die Verachtung der Menschen tun?

Die Museen sind in der Verantwortung, ihre Sammlungen ordentlich und verständlich zu vermitteln. Leider ist das nicht immer der Fall. Da kann die Kunstwelt noch viel vom Journalismus lernen. Journalisten wissen, dass die Leute Entertainment, aber auch verständliche Sprache wollen. Bei den Texten, die da teilweise im Museum an der Wand stehen, versteht man ja kein Wort.

Würde den Museen ein bisschen Humor guttun?

Auf jeden Fall. Museen trauen sich keinen Humor. Dass die Bundeskunsthalle in Bonn zugegeben hat, dass eine fremde Künstlerin ein Bild an die Wand gehängt hat, ist schon ungewöhnlich. Aber man hat gesehen, was diese lustige Aktion für eine positive Resonanz ausgelöst hat. Auch ein bisschen spannendere Ausstellungstitel würden den Museen guttun. Neulich habe ich eine Ausstellung gesehen, die hieß „Köpfe“. Finde ich jetzt nicht so spannend.

Jakob Schwerdtfeger

Jakob Schwerdtfeger

Gibt es besonders lustige Kunstwerke?

Eines ist von Maurizio Cattelan. Der hat mal an einer Ausstellung teilgenommen, hatte aber kein Werk. Er ist zur Polizei gegangen und hat gesagt: „Mein unsichtbares Kunstwerk wurde gestohlen.“ Den Wisch, den er bei der Anzeige bekommen hat, hat er dann eingerahmt und aufgestellt.

Am 4. November treten Sie bei der Museumsnacht in Köln auf. Kennen Sie sich gut in der Kölner Museumslandschaft aus?

Für Auftritte bin ich oft in Köln und habe dort alle Museen häufiger gesehen. Ich bin oft im Museum Ludwig und im Walraff-Richartz-Museum. Kunsttechnisch bin ich mit Köln sehr vertraut.

Über Kunst kann man sehr gut lästern, das macht auch richtig Spaß.
Jakob Schwerdtfeger

Ich selbst habe wenig Ahnung von Kunst. Haben Sie Verhaltens-Tipp für mich, wie ich bei der Museumsnacht einen schönen Abend verbringen kann.

Über Kunst kann man sehr gut lästern, das macht auch richtig Spaß. Wenn ich aber sage, ich finde, dass ein Bild Quatsch ist, dann ist vor allem der nächste Gedanke spannend. Warum finde ich, dass das Quatsch ist? Warum finde ich, dass das keine Kunst ist? Und wo fängt für mich Kunst an und wo hört sie auf? Ein guter Tipp: Einfach mal fünf Minuten ernsthaft vor ein Bild stellen. Dann fängt man an, die Details zu sehen. Erfahrungsgemäß schauen sich Menschen Bilder im Museum nur wenige Sekunden an. Noch ein Tipp: ein, zwei Gläser Wein schaden sicher auch nicht.

Gerade wenn in den Häusern viel los ist, kann es ja vorkommen, dass ich in ein Gespräch verwickelt werde. Gibt es Sachen, die man immer sagen kann, auch wenn man keine Ahnung hat?

In Museen gehen, ist wie Gassi gehen mit dem Hund. Man kommt ständig ins Gespräch mit anderen Leuten. Ein Wort, das immer funktioniert, wenn das Bild ein bisschen düster ist: kafkaesk. Weil kaum jemand die Bücher von Kafka gelesen hat, weiß fast niemand, was das Wort eigentlich bedeutet. Das ist ein Joker. Ein gutes Wort ist auch Reminiszenz, ein anderes Wort für Ähnlichkeit.

Kunst-Comedian: Ein Höhlenmensch im Museum

Wie nutze ich das?

Wenn jemand sagt: „Dieses Grün sieht aus wie Kermit der Frosch“, dann wirkt das super plump. Außer ich sage danach: „Oh, eine spannende Reminiszenz.“ Dann klingt das super schlau. Wenn man sich in einer Diskussion über Kunst verrannt hat, kann man auch immer sagen: „Das sehe ich anders, aber das würde jetzt hier zu weit führen.“ Das suggeriert, dass man irre viel Ahnung hat. Damit kommt man immer durch.

Macht es für den kleinen Spaß auch mal Sinn, selbst ein Gespräch anzufangen, um vermeintliche Experten aus der Reserve zu locken?

Das kann man versuchen, aber damit kommt man nicht weit. Wenn Leute wirklich Ahnung haben, kommen sie schnell dahinter. Aber grundsätzlich kann man in Museen spannende Leute treffen. Neulich habe ich einen getroffen, der wohnte in einer Höhle. Wo lernt man solche Leute sonst kennen?

Sie haben in diesem Jahr ein Buch veröffentlicht: „Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist Kunst“. Worum geht’s da?

Im Prinzip geht es mir darum, Bock auf Kunst zu machen. Richtig niedrigschwellig, mit vielen Anekdoten und Party-Wissen. Es ist der Versuch, lustige und ungewöhnliche Zugänge zur Kunst zu schaffen. Eigentlich habe ich das Buch geschrieben, das ich schon immer gerne lesen wollte.