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„Kleine Geschichte mit großer Botschaft“Nachbarn sammelten in Köln online Spenden für geflüchtete Frau

Lesezeit 4 Minuten
Begeistert von der großen Resonanz des Aufrufs auf dem Portal „nebenan.de“: Zarah M. und Matthias Bolhöfer.

Begeistert von der großen Resonanz des Aufrufs auf dem Portal „nebenan.de“: Zarah M. und Matthias Bolhöfer.

Das Portal „nebenan.de“ will Menschen in der Nachbarschaft vernetzen. Im Kölner Süden hat das auf bemerkenswerte Weise geklappt.

„Haushaltsgegenstände dringend gesucht.“ Ein Aufruf in einem Nachbarschaftsportal, eine Bitte, unspektakulär und ein bisschen langweilig. Nichts, was Aufmerksamkeit heischt. Doch der schlichte Appell war der Beginn einer bemerkenswerten Geschichte von Solidarität und Freundlichkeit.

Mittendrin Zarah M., eine junge Frau, die vor zehn Jahren mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und deren Mann aus dem Iran nach Deutschland gekommen ist. Zu Fuß. „Mehr als zwei Monate lang sind wir gelaufen“, erinnert sich die 27-Jährige. In Hannover absolvierte sie eine Ausbildung zur Pflegeassistenz, jetzt besucht sie in Köln die Tages- und Abendschule und macht dort im Mai ihren Realschulabschluss. Mit sehr viel Glück fand sie vor kurzem eine kleine Wohnung – die erste eigene in ihrem Leben. Dort allerdings fehlte ihr alles, was man für den Haushalt und zum Wohnen braucht.

Wie kann das sein? Die Menschen kennen mich nicht. Und so viele haben mir geholfen!
Zarah M.

Matthias Bolhöfer, der sich bei der gemeinnützigen Organisation „Jama Nyeta“ für geflüchtete Menschen engagiert, unterstützt die 27-Jährige, die dort unter anderem Nachhilfeunterricht in den Fächern Mathe und Deutsch bekommt. Er stellte den Aufruf auf das Internetportal „nebenan.de“, schildert dort kurz die Lage der Afghanin und bat um Hilfe.

„Es war überwältigend. Rund 170 Menschen haben sich dort in kürzester Zeit gemeldet und alles Mögliche kostenlos zur Verfügung gestellt. Von Löffeln bis zum Sofa, Gardinen, Kochtopfe, Handtücher“, erinnert er sich gemeinsam mit Zarah an die Flut der Nachrichten, die auf seinem Handy eingingen. „Wie kann das sein? Die Menschen kennen mich nicht. Und so viele haben mir geholfen!“, sagt Zarah M., sie strahlt, und man sieht ihr ihre große Dankbarkeit an.

Hilfe auch beim Abholen der Spenden

So viel Hilfe, das ist eine große Ermutigung für die junge Frau, die als Kind ihrer aus Afghanistan geflüchteten Eltern im Iran keine Schule besuchen und keine Ausbildung machen durfte. Um der erzwungenen Untätigkeit und den Repressalien zu entgehen, entschied sich die Familie schließlich für die gefährliche Flucht. Heute hat Zarah M. dank ihrer ersten Ausbildung eine Niederlassungserlaubnis für Deutschland. Sie darf bleiben.

Dass die junge Frau etwas aus ihrem Leben machen will, trotz aller Schwierigkeiten, und ihr Durchhaltevermögen beeindrucken Matthias Bolhöfer, der mit seinem Auto anfangs jeden Tag bei bis zu vier Spendern in den Vierteln im Kölner Süden Haushaltsgegenstände eingesammelt hat. Weil es zu viele Meldungen gab, sprangen zwei der Frauen ein, die eigentlich nur etwas abgegeben wollten, und halfen beim Abholen der gespendeten Sachen.

Ehrenamtler über Unterstützung: „Typisch Köln“

„Gläser Teller, Bettwäsche, Gardinen, Gardinenstangen, Bügel, eine Blumenvase, Sessel. Ein Mann hat mir sogar einen Laptop geschenkt. Mit dem kann ich mich jetzt viel besser auf die Prüfungen vorbereiten“, erzählt Zarah M. begeistert. Die allerschönste Überraschung schlummerte aber in einem Karton, den sie erst vor wenigen Tagen ausgepackt hat. „Da war ein wunderschönes weißes Geschirr mit kleinen blauen Blümchen drin!“

Die beiden Frauen sind weiterhin im engen Kontakt mit der 27-Jährigen. „Renate hilft ihr sogar bei der Renovierung ihrer kleinen Wohnung“, erzählt Bolhöfer. Da muss die junge Frau über sich selber lachen. „Ich hatte schon tapeziert, aber das war eine Katastrophe“, sagt sie. Zusammen mit Renate fängt sie nochmal von vorne an. Zwei Wochen später ist die Wohnung fertig, nur ein paar Ecken müssen noch nachgemalt werden. Jetzt fehlen nur noch ein Bett und ein Schrank.

Das ist eine kleine Geschichte mit großer Botschaft.
Matthias Bolhöfer, Ehrenamtler bei „Jama Nyeta“

„Das ist eine kleine Geschichte mit großer Botschaft“, sagt Matthias Bolhöfer. „Denn sie zeigt, wie einfach es in dieser verstörenden Zeit sein kann, der zunehmenden sozialen Kälte ganz praktische Hilfsbereitschaft und Engagement entgegenzusetzen. Typisch Köln. Diese breite Unterstützung macht Mut.“

Da erinnert sich Zarah M. an eine Begebenheit vor wenigen Tagen. „Bei einer Frau, wo wir waren, standen zwei kleine Tischchen im Keller. Marokkanisch. In die habe ich mich direkt verliebt. Ich durfte sie mitnehmen“, sagt sie. Darauf will sie im Sommer eine Vase stellen, mit Sonnenblumen.